Fast sieben Wochen nach dem Verschwinden der 43 Studenten im Südwesten Mexikos verschärfen sich die Proteste gegen das Verbrechen im ganzen Land. Am Mittwochabend stürmten rund 600 wütende Lehrer das Regionalparlament von Guerrero in der Hauptstadt Chilpancingo. Sie legten Feuer im Plenarsaal, randalierten in der Bibliothek und setzten mehrere Fahrzeuge in Brand. Vor dem Gebäude zündeten die Mitglieder der Lehrergewerkschaft CETEG Möbel und Dokumente an. Am Dienstag hatten bereits etwa 2000 Studenten und Lehrer in Chilpancingo den Regionalsitz der Regierungspartei PRI in Brand gesteckt und Steine sowie Feuerwerkskörper auf die Polizei geschleudert.
Auch in anderen Bundesstaaten protestierten die Menschen. In Veracruz an der Golfküste griffen Demonstranten eine Gruppe von Sportlern an, die die Fackel der Zentralamerikanischen Spiele zum Austragungsort bringen wollten. Sie skandierten „Wir wollen keine Spiele, wir wollen Gerechtigkeit“ und löschten die Fackel. Im Bundesstaat Michoacán sperrten Studenten die Zufahrt zum Flughafen der Stadt Morelia. Eine andere Gruppe stürmte ein PRI-Parteigebäude, warf Fenster ein und zündete die Möbel an.
Die Wut der Menschen richtet sich gegen Justiz und Politiker, die ihrer Meinung nach die Aufklärung des Verbrechens an den Studenten verzögern. Eine Allianz aus Polizisten und Mitgliedern des regionalen Kartells „Guerreros Unidos“ hatten am 26. September in Iguala 43 Lehramtsstudenten verschleppt. Inhaftierte Bandenmitglieder haben ausgesagt, sie hätten an dem Tag 43 junge Leute getötet und verbrannt. Ob es sich bei ihnen mit Gewissheit um die Studenten handelt, sollen DNA-Abgleiche ergeben. Zu diesem Zweck will die Regierung Leichenteile, die von den Vermissten stammen sollen, ins forensische Institut der Universität Innsbruck schicken. Das Institut und der Leiter Walther Parson gelten als weltweit führend in der DNA-Analyse. So wurden Opfer der Tsunami-Katastrophe von 2004 in Innsbruck identifiziert. 2008 gelang es den Gerichtsmedizinern, winzige Knochen aus einem russischen Grab zwei der 1917 erschossenen Zarenkinder zuzuordnen.
Am Mittwoch vereinbarte die Regierung mit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, dass diese bei den Ermittlungen in Mexiko hilft. Das war eine Forderung der Angehörigen. Sie fordern zudem, dass unabhängige argentinische Gerichtsmediziner die verbrannten Leichenreste untersuchen. Die Argentinier bestätigten unterdessen Angaben der Regierung, wonach die Untersuchung von 24 von 39 Leichen aus einem Massengrab bei Iguala ergeben hat, dass sie nicht von den Vermissten stammten. Es hatte zunächst der Verdacht bestanden, dass die Studenten dort verscharrt wurden. Papst Franziskus solidarisierte sich in seiner Generalaudienz in Rom mit den Angehörigen und sprach von „der Ermordung der Studenten“.
Vor dem Hintergrund der schwersten Staatskrise in der Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto, fliegt dieser zum Apec- und G20-Gipfel nach China und Australien, um Mexiko als aufstrebende Wirtschaftsmacht zu präsentieren. Unterdessen steigt auch die Besorgnis im Nachbarland USA. Das US-Außenamt rief die Menschen in Mexiko zu Ruhe auf. Man müsse der Regierung die Chance geben, das Verbrechen an den Studenten aufzuklären, sagte Sprecherin Jen Psaki. „Dieses fürchterliche Verbrechen muss vollständig und in einer transparenten Art aufgeklärt und die Schuldigen vor Gericht gestellt werden“, betonte die Sprecherin.