Längere vorbeugende Haft für Menschen, denen die Behörden einen Terroranschlag zutrauen, genaue Regeln für den Einsatz von Bodycams und elektronischen Fußfesseln: Das sind die zentralen Punkte eines verschärften Polizeigesetzes, an dessen Entwurf die Koalitionspartner der rot-schwarzen Landesregierung in Niedersachsen aktuell arbeiten. Zu langsam, wie die FDP im Landtag meint. Auf Antrag der Liberalen kam am Donnerstag im Plenum zur Sprache, warum Rot-Schwarz noch kein Konzept für ein schärferes Sicherheitsgesetz vorgelegt hat. Ganz anders als in Bremen, wo es bereits konkrete Pläne für eine Anpassung des Polizeigesetzes gibt. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Polizeipräsident Lutz Müller sprechen darüber im Interview mit dem WESER-KURIER.
In Hannover versicherte Innenminister Boris Pistorius (SPD), noch vor Dezember solle das neue Gesetz den Landtag passieren. FDP und Grüne befürchten eine Einschränkung der Bürgerrechte. „Wir möchten, dass die Landesregierung etwas vorlegt, damit wir uns inhaltlich damit auseinandersetzen können“, hatte Jan-Christoph Oetjen, Innenexperte der FDP-Fraktion, gesagt. Es kursiert bereits ein interner Entwurf des neuen Gesetzes, der im Wesentlichen den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag folgt.
So soll es möglich werden, sogenannte Gefährder, denen die Polizei einen Terroranschlag zutraut, für eine Zeit von maximal 74 Tagen in Präventivhaft zu nehmen. Allerdings ist zunächst für 30 Tage ein richterlicher Beschluss nötig, ein weiterer für 30 Tage Verlängerung und eine dritte Entscheidung, damit weitere 14 Tage Haft verhängt werden können. Unter anderem sieht ein Entwurf von Januar die Ausweitung der Auskunftspflicht vor. Meldeauflagen sollen für die Dauer eines halben Jahres und länger verhängt werden können.
Warnung vor „Banalisierung der Gefährderdefinition“
Insbesondere eine so lange Vorbeugehaft sei unverhältnismäßig und nicht hinnehmbar, kritisierte der niedersächsische FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Er warnte vor einer „Banalisierung der Gefährderdefinition“, wenn diese beliebig ausgedehnt werden könne. Das Absenken der Schwelle für Polizeieingriffe könne leicht zulasten der Bürgerrechte gehen. „Freiheitsentzug nicht wegen einer Tat, sondern weil man eine Tat begehen könnte – das ist nur unter ganz eingeschränkten Bedingungen möglich“, gab der grüne Abgeordnete Christian Meyer zu Bedenken. Positiv bewertete dagegen Jens Ahrends von der AfD das Vorhaben. Dies sei der Preis, den die Gesellschaft dafür zahlen müsse, dass die Regierung eine unbekannte Zahl an Verbrechern und Terroristen ins Land gelassen habe.
Die Novellierung des niedersächsischen Polizeigesetzes, das bislang eigentlich Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung heißt, gehört zu den zentralen Vorhaben der Großen Koalition. „Das niedersächsische Polizeigesetz stammt von 2003, mittlerweile gibt es neue Kriminalitätsphänomene, deshalb sind zusätzliche Befugnisse für die Polizei entscheidend“, sagte der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Uwe Schünemann.
Ähnlich argumentierte auch der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer im Gespräch mit dem WESER-KURIER: Durch die Verschlüsselung der modernen Kommunikation ist der Staat im Grunde hilflos geworden“, betont der SPD-Politiker. Der Staat bekomme nicht mehr mit, welche Kommunikation zwischen den Straftätern geführt werde. „Damit hat er dann nur noch die Alternative, das Feld den Kriminellen zu überlassen, also abzuwarten, bis etwas passiert ist.“ Das wollen Mäurer und der Bremer Polizeichef Lutz Müller verhindern: Es gehe darum, eine Lücke bei den Kompetenzen zu schließen, so Müller. Das sei „in erster Linie die Telefonüberwachung, das Einsetzen von Fußfesseln bei Gefährdern sowie die Videoüberwachung, die wir moderat ausweiten wollen.“
Bodycams für Polizisten
Laut niedersächsischem Entwurf soll die Polizei künftig auch öffentlich zugängliche Räume, in denen wiederholt Straftaten begangen wurden, zur Prävention mit Kameras überwachen dürfen. Polizisten sollen mit sogenannten Bodycams, die am Körper getragen werden, filmen dürfen – was die Landesdatenschutzbeauftragte auf den Plan gerufen hatte. Bereits die vorherige rot-grüne Landesregierung hatte an einer Novellierung des Polizeigesetzes gearbeitet. Das Projekt verzögerte sich immer wieder, weil sich die Koalitionspartner nicht einig werden konnten. Wegen vorgezogener Neuwahlen und verkürzter Wahlperiode wurde es nie verabschiedet.