Professor Dr. Emil Jürgen Zöllner, der dem Aufsichtsrat der Jacobs University vorsitzt, zählt zu den renommiertesten deutschen Bildungspolitikern. An der Universität Mainz war der Mediziner zunächst als Professor für Physiologische Chemie tätig, ehe er in den 1980er-Jahren zum Vizepräsidenten dieser Universität wurde. 1991 war er ihr Präsident. Im selben Jahr übernahm Zöllner, der der SPD angehört, das Amt des Bildungs- und Wissenschaftsministers in Rheinland-Pfalz, das er bis 2006 bekleidete. Von 2006 bis 2011 war er Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin. Heute ist der 70-Jährige unter anderem als Vorstand der Stiftung Charité tätig, die sich als Impulsgeber für die Charité-Universitätsmedizin Berlin und deren Partner versteht. Jürgen Wendler sprach mit ihm über die Perspektiven der Jacobs University.
Herr Professor Zöllner, warum haben Sie sich entschieden, sich für die Jacobs University zu engagieren?
Emil Jürgen Zöllner:
Ich bin von jeher ein leidenschaftlicher Kämpfer für ein staatlich verantwortetes Bildungs- und Hochschulsystem. Trotz der staatlichen Verantwortung halte ich es für wichtig, dass es auch private Anbieter gibt. Sie besitzen ein höheres Maß an Flexibilität und können so zur Bildung von Alternativen beitragen.
Wo sehen Sie die Stärken der Jacobs University? Welche Beiträge kann diese Hochschule mit Blick auf Alternativen liefern?
In Wirklichkeit gibt es in Deutschland nur eine vollwertige private Universität, und das ist die Jacobs University. Im Gegensatz zu anderen Hochschulen, die sich auf einzelne Fächer wie Wirtschaft konzentrieren, bietet sie ein breiteres Spektrum an. Dabei erfüllt sie souverän Qualitätsstandards auf höchstem Niveau. Wissenschaft war immer international, aber die Jacobs University steht für eine zusätzliche Qualität in diesem Bereich. Sie kann ein Vorbild an Internationalität und Interdisziplinarität sein. Die meisten Studenten stammen aus anderen Ländern, und die Zusammensetzung der Studierenden ermöglicht eine andere Art der Ausbildung. Das heißt nicht, dass diese besser ist als bei staatlichen Angeboten. Es besteht aber eher die Möglichkeit, etwas Neues zu machen, das sich dann bewährt oder auch nicht.
An der Jacobs University lehren und forschen unter anderem Wirtschafts- und Computerwissenschaftler, Biologen und Psychologen. Fachgebiete wie diese sind aber auch an anderen Bremer Hochschulen vertreten. Wo sehen Sie besondere Möglichkeiten der Jacobs University? Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die fächer- und hochschulübergreifende Zusammenarbeit?
Ich habe den Eindruck, dass Interdisziplinarität an der Jacobs University tatsächlich gelebt wird. Mit Blick auf die verschiedenen Fachgebiete erdreiste ich mich nicht zu sagen, dass es in bestimmten Bereichen eine Zusammenarbeit geben müsse. Entscheidend ist, dass die Wissenschaftler eine Zusammenarbeit wollen, dass sie dazu ermuntert werden und dass ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn eine Zusammenarbeit gewünscht wird. Zusammenarbeit kann nicht verordnet werden, man muss sie wollen. Es ist wie mit der Freiheit und Gleichberechtigung. Der hohe Standard bietet vielfältige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit der Universität Bremen. Bei der Arrondierung (Abrundung, Zusammenlegung; Anmerkung der Redaktion) von Fächern empfehle ich, dies möglichst in Abstimmung mit der Universität Bremen zu tun.
Gibt es aus Ihrer Sicht fachliche Lücken, die gefüllt werden müssten?
Nein, und dies gilt sowohl für die Jacobs University als auch für die Universität Bremen, die einen hervorragenden Stand hat. Das heißt nicht, dass man nicht immer noch etwas verbessern kann.
In den vergangenen Jahren hat sich die Finanzierung der Jacobs University als Problem erwiesen. Wird die Hochschule auch mit einem vergleichsweise breiten Spektrum an Themenfeldern bestehen können?
Ich hoffe, dass dies der Fall sein wird. Das heißt aber auch, dass die Jacobs University finanziell erfolgreich sein muss. Von Vorteil ist die Flexibilität. Eine günstige Betreuungsrelation, das heißt ein günstiger Wert bei den Studierendenzahlen pro Hochschullehrer, kann gezielt dort eingesetzt werden, wo es am meisten bringt. Eine erfolgreiche Privathochschule festigt das Bild einer weltoffenen Stadt, für das Bremen bekannt ist.
Das Angebot der Jacobs University umfasst viele Bachelor- und deutlich weniger Masterstudiengänge. In Bachelorstudiengängen steht die wissenschaftliche Grundausbildung im Vordergrund; Masterstudiengänge sind näher an der Forschung. Lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Hochschule die Ausbildung wichtiger nimmt als die Forschung?
Bei einer jungen privaten Hochschule ist klar, dass es am Anfang mehr Bachelorstudiengänge gibt. Ich habe aber keine Bedenken zu sagen, dass im Rahmen der Möglichkeiten mehr Masterprogramme gemacht werden sollten – auch mit Blick auf die Forschung. Dies ist auch innerhalb der Hochschule unstrittig, muss sich aber rechnen. Die Forschung sollte an der Jacobs University eine große Rolle spielen; schon jetzt läuft es in diesem Bereich hervorragend.
Angesichts knapper Kassen hat die staatliche Unterstützung für die Jacobs University in Bremen nicht nur Beifall gefunden. Was spricht aus Ihrer Sicht dafür, Geld in Hochschulen zu investieren?
In meinem langen Berufsleben habe ich endlose Finanzdiskussionen erlebt. Mit Blick auf die Jacobs University habe ich aber den Eindruck, dass die Hochschule, das Land Bremen und die Jacobs Foundation durch den trilateralen Vertrag eine gute gemeinsame Basis haben. Auch Bremen ist sich bewusst, dass sich Investitionen in Hochschulen rechnen. Studierende und Beschäftigte führen zu zusätzlichen Einnahmen. Dies gilt auch für die staatlichen Hochschulen. Im Falle der Jacobs University sind sie unbestreitbar größer als die derzeitigen Finanzhilfen des Landes.
Hochschulen spielen allerdings nicht nur wegen der Steuern eine Rolle. Wo sehen Sie ihre Bedeutung für die Gesellschaft?
Für das Überleben von Menschen war Wissen schon immer wichtig. Heute aber leben wir in einer Wissenschaftsgesellschaft. Nach bestimmten Regeln erworbenes Wissen spielt in allen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. Ob es um den Umgang mit der Finanzkrise geht oder Fragen der Gesundheit – das Vorgehen muss wissenschaftlich begründet sein. Das Wohl der Gesellschaft wird von fundiert ausgebildeten jungen Menschen abhängen. Überall – in der Wirtschaft, in der Politik oder auch in der Verwaltung – wird durch Wissenschaft generiertes Wissen benötigt.
Die Jacobs University Bremen
◼ Die private Hochschule, die mit finanzieller Unterstützung Bremens gegründet wurde, nahm ihren Studienbetrieb auf dem 34 Hektar großen Campus in Bremen-Grohn 2001 auf. Damals hieß sie noch International University Bremen. Die Umbenennung in Jacobs University Bremen erfolgte, nachdem sich die Jacobs Foundation entschieden hatte, sich für die Bremer Privathochschule zu engagieren. Die Zahl der Studenten liegt zurzeit bei knapp 1200, die der Professoren bei gut 100. Die Jacobs University konzentriert sich in der Ausbildung und Forschung auf die drei Bereiche Mobilität, Gesundheit und Vielfalt in modernen Gesellschaften. Auf dem Campus sind unter anderem Wirtschafts- und Computerwissenschaftler, Biologen, Chemiker, Physiker und Psychologen tätig. Studenten haben die Möglichkeit, aus 15 Bachelor- und neun Master- und PhD-Programmen auszuwählen.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!