Bremen. Um Familien aus der Mittelschicht zu entlasten, müssen Beamte in Zukunft vielleicht mehr für einen Kita-Platz zahlen. Auf diese Weise wollen die Fraktionen von SPD und Grünen die Gebührenordnung für Kindertagesstätten gerechter machen. Die Fraktionen haben den bisherigen Entwurf der Beitragsordnung zurückgewiesen und der Bildungsbehörde den Auftrag gegeben, ihn innerhalb von einer Woche zu überarbeiten und den Fraktionen erneut vorzulegen. „So wie sie jetzt ist, belastet die Gebührenordnung die Mittelschicht zu stark, und zwar auch einfache Arbeiter und Krankenpfleger, nicht nur hoch bezahlte Berufsgruppen“, sagte Mustafa Güngör, der bildungspolitische Sprecher der SPD. Kritik musste sich der Staatsrat für Kinder und Bildung, Frank Pietrzok (SPD), am Dienstag auch in der Bürgerschaft anhören: Die Opposition kritisierte das Ressort für eine „Fehlplanung“ im Bereich Kitas und Grundschulen.
SPD und Grüne wollen die Gebühren für Kindertagesstätten anheben, aber mit Augenmaß, wie Politiker beider Parteien betonen. Eine Möglichkeit, die Gebührenordnung gerechter zu gestalten, könnte es sein, Beamte stärker zu belasten. „Es gibt keinen Grund, Beamte zu bevorzugen“, sagte Güngör. Der Hintergrund: Die Kita-Beiträge werden nach dem Bruttogehalt berechnet, Beamte zahlen aber weniger Sozialabgaben und haben daher bei gleichem Gehalt mehr Geld zur Verfügung als ein Angestellter. Die SPD überlegt, bei der Berechnung das Nettoeinkommen zugrunde zu legen, die Grünen könnten sich einen Zuschlag für Beamte in Höhe von zehn Prozent vorstellen. „Das entspräche einer relativ moderaten Anhebung der Beiträge“, sagte der kinder- und bildungspolitische Sprecher der Grünen, Matthias Güldner.
Die Idee, Beamte stärker zu belasten, sei zu einem früheren Zeitpunkt bereits vorgesehen gewesen, dann aber wieder aus dem Entwurf geworfen worden, sagte Güldner. Eine zweite Möglichkeit: Familien mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 100 000 Euro stärker zu belasten. Ein Paar mit einem Kind müsste nach dem bisherigen Entwurf 398 Euro im Monat für einen Kita-Platz bezahlen. Genauso viel wie Familien, denen rund 18 000 Euro im Jahr weniger zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit, Familien mit einem höheren Einkommen noch stärker zu belasten, sieht auch die SPD.
Die dritte Möglichkeit ist: Bremen muss mit weniger Einnahmen als geplant zurechtkommen. „Dann muss innerhalb des Senats ein Ausgleich gefunden werden“, sagte Güldner. Besonders problematisch sieht er das nicht, ohnehin deckten die Elternbeiträge nur knapp zehn Prozent der Betreuungskosten. Ziel der neuen Gebührenordnung sei es gewesen, diesen Anteil auf 13 Prozent zu erhöhen.
Klar ist, dass wie geplant 56 Prozent der Eltern keine Kita-Gebühr bezahlen sollen, daran wollen auch SPD und Grüne nicht rütteln. Die Idee der neuen Kita-Gebührenordnung sei es gewesen, die starken Schultern stärker zu belasten und die schwachen zu entlasten, sagte die Sprecherin der Bildungsbehörde, Annette Kemp. „Wir müssen gucken, wo und wie wir jetzt nachbessern.“
Hunderte Eltern hatten die geplante Beitragsordnung Ende Oktober in einem Brief an Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) kritisiert. „Ich bin froh, dass der Protest der Eltern gehört wurde“, sagte der Sprecher der Bremer Zentralelternvertretung, Andreas Seele. Die Frage sei, in welche Richtung überarbeitet werde. Wenn dabei ein neuer Entwurf in der gleichen Struktur herauskäme, würde man auch dagegen klagen. Für den bisherigen Entwurf hatte Seele eine Klagewelle vorhergesagt.
Die Linke begrüßte die Überarbeitung der Gebührenordnung: Die Koalitionsfraktionen zögen die notwendige Notbremse, sagte die kinderpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Sofia Leonidakis. Die Linke fordert, die Kitagebühren bis 2020 ganz abzuschaffen.
Ob eine neue Gebührenordnung im kommenden Jahr in Kraft tritt, sei unklar, sagte Güngör. Voraussetzung dafür wäre, dass die Deputation für Kinder und Bildung dem Entwurf zustimmt und er am 13. Dezember in der Bürgerschaft eine Mehrheit bekommt.
Die Bildungsbehörde stand am Dienstag in der Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft wegen Hunderter fehlender Kitaplätze in der Kritik. Die FDP bezweifelt, dass die Behörde aus dem Kita-Chaos gelernt habe, und befürchtet im Schuljahr 2020/21 die nächste Krise: Dann wird Bremen nach aktuellen Berechnungen 74 neue Grundschulklassen brauchen.