Wir wollen als EU-Vorsitzland vor allem ein ehrlicher Makler und ein guter Moderator sein.“ Das verspricht der slowakische Regierungschef Robert Fico. Er gibt sich überzeugt, diese Rolle vorbildlich ausfüllen zu können, wenn sein Land vom 1. Juli bis zum Jahresende erstmals die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Die Flüchtlingskrise und der Brexit werden für einen schweren Start sorgen.
Ficos Außenminister Miroslav Lajcak hat beim Thema Brexit schon vor dem offiziellen Start der Präsidentschaft seine Moderatorenrolle übernommen. Als erster EU-Außenminister nach dem Brexit reiste er am Dienstag nach London, um abseits der schockierten Reaktionen Rest-Europas eine möglichst schmerzfreie Verhandlungslinie zu sondieren: „Eine der wichtigsten Prioritäten muss jetzt sein, eine möglichst gute Qualität in unseren Beziehungen zu bewahren“, ließ er sich auf der Homepage seines Ministeriums zitieren. Und mit Blick auf die nächsten Monate ergänzte er: „In diesem Geist wollen wir uns als EU-Vorsitzland um diesen schwierigen Prozess kümmern.“
Der parteilose Lajcak hat Erfahrung im Moderieren und Sondieren von Kompromissen: Im Jahr 2006 überwachte er im Auftrag der EU das Unabhängigkeitsreferendum Montenegros, war dann Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft und EU-Sondergesandter für Bosnien-Herzegowina (2007-2009). Jetzt ist er Kandidat für die Funktion des nächsten Uno-Generalsekretärs. Dieser Posten wird zum Ende der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft frei.
Regierungschef Robert Fico nimmt man hingegen die selbstgewählte Rolle als „Moderator, der alles tun wird, um möglichst breiten Raum für Kompromisse zwischen den Partnern zu schaffen“, bislang eher weniger ab. Der Sozialdemokrat hatte zuletzt eher polarisiert – vor allem in der Flüchtlingsfrage, die nun eines der Hauptthemen der EU-Ratspräsidentschaft sein wird. Im Dezember 2015 ging Fico sogar so weit, gegen den Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister zur Aufteilung von Flüchtlingen nach Quoten eine Klage vor dem EU-Gerichtshof in Luxemburg einzubringen. Dieser Klage hat sich bisher nur Ungarn angeschlossen.
Migration ist ein heikles Thema
Im Protest gegen die „Großen“ in Brüssel hatte Fico stets die EU-Sanktionspolitik gegen Russland als „unsinnig“ und „schädlich für uns alle“ kritisiert. Trotzdem war es seine Regierung, die der Ukraine mit alternativen Gaslieferungen aus der Abhängigkeit von Russland half. Schon fast vergessen ist, dass es auch Fico war, der 2011 nach dem Scheitern einer zerstrittenen Vorgängerregierung dafür sorgte, dass die Slowakei ihre Blockadehaltung gegen eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms aufgab.
Seine Gegner hatten der Eurozone damals ihre Solidarität mit dem Argument verweigert: Wer selbst so eisern gespart habe wie die Slowaken, dürfe doch nicht für die Schuldenpolitik anderer zur Kasse gebeten werden. Fico feierte daraufhin seinen größten Wahlsieg 2012 gerade damit, dass er sich als Garant einer proeuropäischen Politik präsentierte. In der Slowakei haben die europäischen Institutionen und auch die Euro-Währung weit höhere Sympathiewerte als in den meisten anderen EU-Ländern.
Mit 92,46 Prozent Ja-Mehrheit für den EU-Beitritt beim Referendum 2003 hält die Slowakei den Rekord aller Beitrittsländer. Umso kurioser, dass die Slowaken bei den bisherigen EU-Parlamentswahlen die niedrigste Beteiligung aufwiesen – zuletzt 13 Prozent. „Gerade weil die EU-Mitgliedschaft so unumstritten ist, gibt es nichts zu diskutieren und so geht niemand zur Abstimmung“, sagt Politologe Pavel Haulik.
Das Flüchtlingsthema sorgte für einen Umschwung, brachte mit der rechtsextremen Volkspartei Unsere Slowakei bei den Parlamentswahlen am 5. März überraschend eine erste EU-Gegner-Partei ins Parlament in Bratislava. Beim Thema Migration endet die Liebe der Slowaken zur EU: Kaum ein anderes Land nimmt so wenige Flüchtlinge auf.
Bei den anstehenden schweren Aufgaben hilft der Slowakei vielleicht ein Augenzwinkern, das das Logo ihrer Ratspräsidentschaft andeutet: Ein Piktogramm eines Gesichts, das seinen Ausdruck je nach Laune verändern kann, ist vor allem aus jenen diakritischen Zeichen zusammengesetzt, die kennzeichnen, wie sich die Laute in der slowakischen Aussprache verändern.
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