Mit Blick auf die anstehenden Winterurlaube hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in einer Regierungserklärung gefordert, alle Skigebiete in Europa bis zum 10. Januar zu schließen. „Es naht die Skisaison“, sagte Merkel. Touristische Reisen sollten derzeit jedoch nicht stattfinden, jeder nicht notwendige Kontakt müsse angesichts des Corona-Infektionsgeschehens vermieden werden, so Merkel: „Wir werden uns in Europa um eine Abstimmung bemühen, ob wir alle Skigebiete schließen könnten.“
Derzeit ruht der Wintersportbetrieb in weiten Teilen Europas. In den Skigebieten in Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich herrscht Zwangspause. Ob es dabei bleiben soll, wird seit Tagen europaweit kontrovers diskutiert. Zum Bespiel will die Schweiz, wo Wintersport aktuell erlaubt ist, die Skigebiete im Land offen lassen. Bundeskanzlerin Merkel hat sich dagegen nun dem Vorstoß des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte angeschlossen, der schon länger dafür wirbt, die europaweite Öffnung der Skigebiete zu vertagen. Conte befürchtet, dass der Massentourismus in den Bergen zu früh käme und die ersten Erfolge der Corona-Maßnahmen im Herbst gefährden könnte.
Damit die Skisaison nicht nur in Italien auf Eis liegt und die Touristen auf andere Länder ausweichen, pocht Conte auf eine einheitliche Lösung in Europa. Er wird dabei vom französischen Präsidenten unterstützt. Emmanuel Macron betonte: „Eine Öffnung der Anlagen zu Weihnachten scheint mir unmöglich zu sein.“ Auch Bayers Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert ein europäisches Vorgehen: „keine Skilifte offen überall, beziehungsweise kein Urlaub überall.“ Gemeinsame Regeln zum Skitourismus seien „ein Akt europäischer Solidarität“, so Söder. Wenn man die Grenzen offen halten wolle, brauche es ein mit den Nachbarländern abgestimmtes Konzept. Am Donnerstag hat das bayerische Kabinett indes beschlossen, dass Wintersportler und andere Tagestouristen, die auch nur kurz in ein ausländisches Risikogebiet reisen, künftig verpflichtend in Bayern in Quarantäne müssen.
Bislang scheitert eine internationale Lösung zum Wintertourismus neben der Schweiz vor allem an Österreich. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hält eine europäische Abstimmung für übertrieben. „Wir sind alle keine Hellseher, und wir wissen alle nicht, wie das Infektionsgeschehen am 10. Januar in den unterschiedlichen Ländern Europas aussehen wird“, sagte Kurz. Nach bisherigem Stand sollen Österreichs Skigebiete kurz vor und nach Weihnachten in die Saison starten.
Österreich überzeugen
Der Tourismus macht etwa 15 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts aus und sorgt allein in der Wintersaison für Hunderttausende Arbeitsplätze. „Wenn die EU wirklich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro“, sagte Österreichs Finanzminister Gernot Blümel. Er fordert, die EU müsse in einem solchen Fall die Umsatzverluste ausgleichen. Merkel sagte, man werde noch ein weiteres Mal versuchen, Österreich davon zu überzeugen, die Skigebiete nicht vor dem 10. Januar zu öffnen.
Kritik am Plan der Bundeskanzlerin kommt auch von den Liftbetreibern in Deutschland. Ein Wintersportverbot wäre für die betroffenen Regionen „katastrophal“ und zudem unverständlich, sagte Matthias Stauch, Vorstand des Verbandes Deutscher Seilbahnen. Bewegung an der frischen Luft sei gesund, und das Infektionsgeschehen in Ischgl im Frühjahr sei nicht vom Skibetrieb ausgegangen. „Es kommt nicht vom Skisport“, sagte Stauch, „wir wollen bei uns kein Halligalli.“ Wintersport sei nicht gleichzusetzen mit Party-Tourismus und Après-Ski-Events, erklärten auch die deutschen Wintersportverbände. In einem Offenen Brief an die Politik sprechen sie sich gegen ein europaweites Skiverbot aus. „Als Verbände übernehmen wir weiterhin Verantwortung“, heißt es im Schreiben, „wir benötigen aber für die Umsetzung unserer weitreichenden Konzepte und Schutzmaßnahmen dringend die Unterstützung der Politik.“
Für die Wintersportvereine in Bremen und Bremerhaven kommt die Diskussion um ein Skiverbot bis in den Januar nicht unerwartet. Der Landesskiverband Bremen hat den nächsten Ausbildungslehrgang für Skilehrerlizenzen längst von Tirol ins Allgäu verlegt. Die Bremer Landesmeisterschaften, die von Ende Januar bis Anfang Februar in Steinach am Brenner stattfinden sollen, sind zwar noch nicht abgesagt, doch im Verband rechnet man damit, dass es so kommen wird.
Der Bremer Ski-Club, mit 3500 Mitgliedern einer der größten Ski-Vereine in Deutschland, hat bereits alle um Weihnachten und Silvester geplanten Reisen aus dem Programm gestrichen. Für das kommende Jahr werden aber noch Fahrten in die Alpen angeboten, besonders oft seien bislang die Reisen für Ende März gebucht worden. „Ich habe schon noch eine leichte Hoffnung, dass wir zu Ostern vielleicht in eingeschränkter Form Reisen anbieten können“, sagte Sascha Riebe vom Bremer Ski-Club, „einen Winter so ganz ohne Skisport, das können sich viele einfach kaum vorstellen.“