Konfrontation der deutschen Innenminister: Es geht um Syrien. Dorthin sollen künftig Straftäter wieder abgeschoben werden dürfen. Wer sich in Deutschland etwas zuschulden kommen lässt, soll zurück nach Syrien. Bundesinnenminister Horst Seehofer will das, und seine CSU- und CDU-Kollegen wollen es auch. Die SPD ist dagegen. Fakt ist: Der seit 2012 bestehende Abschiebestopp für Syrer, der Ende des Jahres ausläuft, ist nicht verlängert worden. Doch eine Lösung fanden die Länderinnenminister gestern in Berlin auch nicht. Seehofer will, dass anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder eine Einzelfallprüfung stattfinden soll, also von Fall zu Fall entschieden wird.
Ein Murren einiger Bundesländer ist schon lange zu hören. Das Argument, nach Afghanistan werde abgeschoben, nach Syrien nicht, wurde lauter. Doch erst nach dem Terroranschlag in Dresden Anfang Oktober, als ein 20-jähriger Syrer mit einem Messer auf ein schwules Paar einstach, schien der Abschiebestopp nicht mehr zu halten. Wahrscheinlich auch aus Angst, die AfD könnte sich des Themas wieder annehmen und Punkte sammeln. Aber dient die Aufhebung des Abschiebestopps für Syrer tatsächlich dazu, die Populisten zu bändigen?
Derzeit leben in Deutschland mehr als 90 islamistische Gefährder mit syrischer Staatsangehörigkeit. Auch wenn sie straffällig geworden sind und sogar ihren Flüchtlingsschutz verwirkt haben, konnten sie bis jetzt nicht abgeschoben werden. Grund war der generelle Abschiebestopp, den die Innenminister bei ihren halbjährlichen Konferenzen bislang immer wieder einstimmig beschlossen haben. Die Argumentation: Rechtsstaaten schieben nicht in Länder ab, in denen Folter oder Tod durch das Regime drohen. In Syrien herrscht Bürgerkrieg, dem Assad-Regime fallen jährlich Tausende zum Opfer – darunter zahlreiche Kinder und Frauen. Die Gefängnisse und Folterkeller sind voll. Kein EU-Land schiebt dorthin ab, nicht einmal Ungarn.
Trotzdem ist es legitim, von den in Deutschland lebenden Ausländern – ob asylberechtigt, geduldet, abgelehnt oder legalisiert – zu erwarten, dass sie sich anpassen und die Gesetze und Regeln des Aufnahmelandes respektieren. Dazu gehört auch die Akzeptanz von Homosexuellen, auch wenn dies der Religion oder Kultur des Herkunftslandes der Flüchtlinge widerspricht. Andersherum müssen sich Deutsche im Ausland ebenso anpassen. Besonders schwierig ist dies in den islamischen Ländern des Nahen Ostens und da besonders für Frauen. Ein Kuss zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit kann, wie geschehen im Golfstaat Dubai, zuweilen eine Gefängnisstrafe nach sich ziehen.
Seit Jahren wird gefeilscht
Doch die Aussetzung des Abschiebestopps in Deutschland hat noch eine andere Komponente, die bislang kaum Erwähnung fand. Wenn Syrien – oder auch andere Länder – ihre straffällig gewordenen Bürger zurücknehmen soll, dann muss auch Deutschland seine Straftäter zurücknehmen. Es kann nicht sein, dass deutsche Staatsbürger in den IS-Krieg nach Syrien oder den Irak ziehen, dort auf grausamste Weise Menschen umbringen, foltern oder unterjochen und dann nicht zurückgenommen werden. Es geht also nicht, dass syrische Straftäter aus Deutschland abgeschoben werden, während dies umgekehrt für Deutsche in Syrien nicht gilt. Schon seit Jahren wird darüber gefeilscht, was mit diesen Leuten geschehen soll.
Tatsächlich liegt der erste rechtskräftig gewordene Fall einer deutschen Mutter und IS-Kämpferin in Syrien mit ihren drei Kindern inzwischen mehr als ein Jahr zurück. Seither hat die Bundesregierung es nicht vermocht, ihre Staatsangehörigen zurückzuholen und das Urteil damit umzusetzen. Das Auswärtige Amt verweist stets darauf, dass man in Syrien keine konsularische Betreuung leisten könne und daher auf die Mitarbeit von Nichtregierungsorganisationen angewiesen sei. Bis heute hat die Bundesregierung offiziell lediglich vier Waisen und ein schwer krankes Kind aus Syrien ausgeflogen. Insgesamt sollen noch 90 deutsche Staatsbürger wegen IS-Verbrechen in syrischen Gefängnissen einsitzen, genausoviele wie syrische Islamisten in Deutschland leben.