Noch eine Geberkonferenz. Langsam wird es schwer, noch durchzublicken, wofür Geld gesammelt wird. Gerade war es der Jemen, dessen Leid im Mittelpunkt der humanitären Hilfen stand, jetzt ist es Syrien. Und im nächsten Monat vielleicht der Libanon, dessen Lage sich ebenfalls weiter verschlechtert. Doch die Geberkonferenz für Syrien in Brüssel hat noch einen anderen Aspekt, als den internationalen Hilfsorganisationen wieder Geld in die Hände zu geben, damit sie ihre Arbeit fortsetzen können. Nun geht es um eine Strategie und somit um Politik.
Es ist das fünfte Mal seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges, dass für Syrien eine Geberkonferenz stattfindet. Immer ging es um Notfallmaßnahmen. Jetzt aber könnte auf dieser Konferenz über die Zukunft Syriens entschieden werden, meint die internationale Organisation „Aktion gegen den Hunger“. Geld sei nicht alles. „Wir brauchen nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch nachhaltige und langfristige Lösungen für Syrien, die neben der akuten Nothilfe den Grundstein für den Wiederaufbau und die Zukunft des Landes legen.“ Auch andere Hilfsorganisationen wie die Caritas geben ähnliche Einschätzungen ab. 18 internationale Organisationen arbeiten derzeit in Syrien.
Sie haben recht. Die Bedürfnisse in Syrien heute unterscheiden sich grundlegend von denen vor zehn Jahren, als der Aufstand gegen das Assad-Regime begann und sich in einen komplexen, für die meisten unübersichtlichen Bürgerkrieg auswuchs. Zwar brauchen die Menschen mehr denn je Nahrungsmittel, kaum jemand ist mehr in der Lage ist, sich selbst zu ernähren. Das Land liegt in Schutt und Asche, Arbeit gibt es kaum, die medizinische Versorgung liegt am Boden, Schulen und Universitäten sind monate- wenn nicht jahrelang geschlossen.
Doch neben der humanitären Soforthilfe, die wohl auch weiterhin von der internationalen Gemeinschaft aufrecht erhalten wird, hat das Land weitere dringende Bedürfnisse. Dazu gehört die Wiederherstellung der Infrastruktur, wie Wasser- und Stromversorgung, die Rehabilitierung von Schulen und Krankenhäusern und die Wiederbelegung des Agrarsektors – um zumindest ansatzweise die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Kurz: Es geht um den Wiederaufbau eines vom Krieg verwüsteten und erschöpften Landes. Nur so könnten die mehr als fünf Millionen Geflüchteten aus den Nachbarländern und die mehr als sechs Millionen Binnenvertriebenen zurückkehren. Ganz zu schweigen von den Abertausenden, die in Europa Zuflucht gefunden haben.
Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass diese Millionen Syrer in ihr Land zurückkehren, wenn in Damaskus derselbe Mann an der Macht ist, der sie in die Flucht trieb, Hunderttausende töten ließ und folterte. Auch für die Aufnahmeländer ist es undenkbar, sich mit Bashar al-Assad zu arrangieren. Zum einen, weil von Anfang an seine Person eine kompromisslose Ablehnung erfuhr. „Assad muss weg“, sagte nicht nur der türkische Präsident Racep Tayyeb Erdogan, sagten auch Barack Obama in Washington und die meisten Führer der westlichen Welt. Die Aufnahme vieler syrischer Flüchtlinge, besonders in der Türkei, war die Konsequenz. Eine Abkehr von dieser Haltung wäre Verrat. Zum anderen werden Tausende Syrer auf die Straßen ihrer Zufluchtsländer gehen, sollten deren Regierungen mit dem Diktator in Damaskus kooperieren. Das haben „Aktion gegen den Hunger“ und andere mit ihren Forderungen wohl nicht bedacht.
Doch nun zeichnet sich eine Lösung aus diesem Dilemma ab. Als am Wochenende eine syrische Delegation in Bagdad weilte, um mit vier irakischen Ministerien Kooperationsabkommen zu unterzeichnen, verlautete, dass versucht werde, dem Westen eine Brücke für sein künftiges Engagement in Syrien zu bauen. Aus den Wahlen im Juni soll nicht Assad als Sieger hervorgehen, sondern ein Mann aus seinem Umfeld. Damit wäre der Forderung nach Absetzung des Diktators genüge getan, die Fäden behielte er dennoch in der Hand. Ob dann allerdings die Milliarden nach Syrien fließen, darf bezweifelt werden.