Einer „der größten Erfolge bei der Bekämpfung des internationalen Drogenschmuggels der letzten Jahre“, jubelten Zoll und Ermittler, als Namik A., Betreiber eines Cafés in Berlin, 2011 mit fast 100 Kilogramm Kokain in Bremerhaven erwischt wurde. Dass es zu dem Deal erst durch die Mithilfe eines V-Mannes des Berliner Landeskriminalamtes gekommen war, erwähnten sie nicht. Das Bundesverfassungsgericht kommt nun zu dem Ergebnis, dass es sich um eine „rechtsstaatswidrige Tatprovokation“ gehandelt hat. Das Urteil gegen Namik A. aber bleibt. Seine Anwälte überlegen nun den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Angefangen hatte alles mit einem Hinweis eines Mannes an das Zollfahndungsamt Hannover. Namik A. handele im großen Stil mit Heroin, hieß es. Ein Verdacht, der sich nie bewahrheitete. Aus Sicht der Karlsruher Richter reichte dies aber für einen Anfangsverdacht. Ein V-Mann wurde in Namik A.s Café eingeschleust. Dies sei zulässig gewesen, hatte schon das Berliner Landgericht festgestellt. „Was aber nicht zulässig ist, ist, eine Person zu einer Tat zu provozieren, die dieser Taten gänzlich unverdächtig ist“, betonte der Richter im November 2012 in seiner Urteilsbegründung. Namik A. wollte offenbar das ganz große Geld machen, war aber überfordert damit, an Drogen heranzukommen. Schließlich sorgte der V-Mann selbst dafür, dass Namik A. mit Drogenlieferanten aus Südamerika ins Geschäft kam. Der Spitzel des LKA eröffnete Namik A. eine Einfuhrmöglichkeit über Bremerhaven – dank eines verdeckten Ermittlers beim Zoll, der sich als Hafenarbeiter ausgab.
Das Gericht verurteilte Namik A. 2012 zu einer Freiheitsstrafe zu vier Jahren und fünf Monaten. Die Richter gingen trotz der knapp 100 Kilogramm Kokain von einem minderschweren Fall aus. Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation berücksichtigte das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung. Vier weitere Männer wurden zu Haftstrafen zwischen gut zweieinhalb und vier Jahren verurteilt. Namik A. und zwei Mitangeklagte beschwerten sich beim Bundesverfassungsgericht. Sie wollten die Aufhebung des Urteils erreichen. Das Verhalten des V-Mannes und des verdeckten Ermittlers widerspreche dem Grundsatz eines fairen Verfahrens. Eine Revision hatte der Bundesgerichtshof zuvor verworfen.
Nun ist auch die Verfassungsbeschwerde gescheitert. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass Straftäter auch dann mit einer Strafe rechnen müssen, wenn sie von verdeckten Ermittlern erst zu der Tat provoziert wurden. In dem konkreten Fall von Namik A. habe das Landgericht Berlin die „rechtsstaatswidrige Tatprovokation“ durch den Strafnachlass und eine restriktive Beweisverwertung „ausreichend kompensiert“. Eine Verfahrenseinstellung, also die Aufhebung des Urteil und eine Straffreiheit, sei nur „in extremen Ausnahmefällen“ möglich. „Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine ausschließlich staatlicherseits verursachte Tat“, so der Senat.
Auch nach jüngster Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist laut Bundesverfassungsgericht nicht von einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren auszugehen. Der Gerichtshofs hatte festgestellt, dass Beweise, die durch polizeiliche Anstiftung gewonnen wurden, nicht zu verwenden sind. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt fest, „dass der Staat unbescholtene Bürger nicht zu Straftaten verleiten darf; die Ermittlungsbehörden sollen Straftaten verfolgen, nicht sie verursachen“. Im konkreten Fall aber sei ein Strafnachlass ausreichend.