Das Oberlandesgericht (OLG) München erwägt, Beate Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger an die Seite zu stellen. Neben Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm könnte die Hauptangeklagte im NSU-Prozess demnächst zusätzlich noch von Mathias Grasel aus München verteidigt werden. Das teilte das Gericht am Montag den Prozessbeteiligten mit. Bundesanwaltschaft, Zschäpes Verteidiger und die Opferanwälte haben jetzt bis Mittwoch 12 Uhr Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Gesetzlich begrenzt ist nur die Anzahl von Wahlverteidigern – auf maximal drei. Eine definierte Höchstzahl von Pflichtverteidigern gibt es nicht.
Zschäpe muss sich unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung, Beteiligung an zehn Morden, 15 Raubüberfällen und zwei Sprengstoffanschlägen vor Gericht verantworten. Ihr droht lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und möglicherweise Sicherungsverwahrung. Aus Schwere und Vielzahl der vorgeworfenen Verbrechen ergibt sich der Anspruch auf mehrere Pflichtverteidiger. Allein die Akten umfassen Zehntausende Seiten. Geld, um einen, geschweige denn mehrere Wahlverteidiger zu bezahlen, hat Zschäpe nicht. Um ein faires Verfahren zu gewährleisten, hat sie deshalb Pflichtverteidiger an die Seite gestellt bekommen.
In der Nachricht des Gerichts von Montag sind keine Gründe genannt, warum die Richter es in Erwägung ziehen, Zschäpe noch von einem vierten Anwalt verteidigen zu lassen. Hintergrund dürfte allerdings Zschäpes Krise mit ihren bisherigen Verteidigern sein. Das Gericht hatte am Freitag Zschäpes Antrag auf Entbindung von Anja Sturm abgelehnt. Zschäpe will nicht mehr von der Kölner Anwältin vertreten werden; in Schreiben an das Gericht bezeichnete sie das Vertrauensverhältnis zu ihr als zerrüttet. Auch gegen Heer und Stahl erhob Zschäpe scharfe Vorwürfe. Die Richter überzeugte das nicht. Schon vor einem Jahr hatten sie den Antrag abgelehnt, allen drei Anwälten das Mandat zu entziehen.
Bei der Überlegung, Zschäpe nun stattdessen einen vierten Verteidiger zu gewähren, dürfte die Absicht entscheidend sein, wieder Ruhe in den Prozess zu bringen. Zuletzt war Zschäpe immer wieder verhandlungsunfähig gewesen. Auch in der vergangenen Woche wurde ein Verhandlungstag bereits mittags abgebrochen, da Zschäpe angab, an Zahnschmerzen zu leiden.
Es gibt auch durchaus Gründe, die für die Verpflichtung eines weiteren Anwaltes sprechen. Das Gericht hat eine Fürsorgepflicht gegenüber der Angeklagten. Zschäpe scheint in für sie unangenehmen Situationen zu Krankheitssymptomen zu neigen. Und der Prozess bewegt sich langsam auf die Endphase zu. Ein weiterer Pflichtverteidiger, der offenbar das Vertrauen der Angeklagten besitzt, könnte daher dem Gericht und auch Zschäpe als Kompromiss erscheinen, der das Fortkommen des Verfahrens sicherstellt.