Die Lage ist so ernst wie sie noch nie war in dieser Pandemie.“ Das betonte am Dienstag der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler. Die Infektionszahlen in Deutschland verharren auf hohem Niveau. An diesem Mittwoch wird deshalb das öffentliche und private Leben erneut deutlich eingeschränkt, bis zum 10. Januar. Auch der Einzelhandel muss schließen – mit Ausnahme der Geschäfte, die Waren des täglichen Bedarfs verkaufen.
In den sogenannten Hotsports gibt es weitere Einschränkungen: Berlinerinnen und Berliner dürfen nur bei triftigem Grund das Haus verlassen, in Bayern herrscht eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, in Baden-Württemberg von 20 Uhr an. Im Ausland gab oder gibt es teilweise strengere Regeln:
Die Niederlande haben angesichts dramatisch steigender Infektionszahlen den bisher härtesten Lockdown verhängt. Die Auflagen sollen bis zum 19. Januar dauern, kündigte Premier Mark Rutte an. „Die Niederlande werden für fünf Wochen abgeriegelt.“ Zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie müssen auch Geschäfte – außer für den täglichen Bedarf – schließen. Das Land reagiert damit auch auf den harten Lockdown im Nachbarland Deutschland. Viele Kommunen fürchteten, dass Deutsche nach den strengen Maßnahmen zu Weihnachtseinkäufen über die Grenze fahren könnten.
Ab Montagnacht müssen auch Kinos, Theater und Museen schließen sowie Friseure, Fitnessstudios und Schwimmbäder. Bürger dürfen sich pro Tag nur noch mit zwei anderen Personen treffen. Zu Weihnachten dürfen es drei Gäste sein. Ab Mittwoch werden auch die Schulen und Kitas geschlossen. Von Auslandsreisen wird bis Mitte März dringend abgeraten.
In Italien plant Regierungschef Giuseppe Conte strengere Regeln für Weihnachten. „Wir haben schon einen Plan vorbereitet, der sich speziell an die Weihnachtsfeierlichkeiten richtet“, sagte der Anführer der Mitte-Links-Regierung im Interview mit der Zeitung „La Stampa“. Jetzt seien weitere restriktive Maßnahmen notwendig. Eine dritte Welle müsse um jeden Preis verhindert werden, weil sie verheerend sein könnte.
Anfang Dezember hatte die Regierung in Rom für das Land mit rund 60 Millionen Einwohnern bereits schärfere Regeln für die Zeit um Weihnachten und Neujahr vereinbart, wie zum Beispiel eine verlängerte Ausgangssperre für die Nacht von Silvester zu Neujahr. Die Regeln sollen vom 21. Dezember an bis 6. Januar gelten. Auch das Reisen innerhalb Italiens wurde stark reglementiert.
Italien gehört zu den Ländern in Europa, die hart von der Corona-Pandemie getroffen wurden. Bislang registrierten die Gesundheitsbehörden mehr als 1,855 Millionen Infektionen und mehr als 65.000 Menschen, die mit Sars-CoV-2 gestorben sind.
In Frankreich waren die Ausgangsbeschränkungen erst sehr streng, jetzt sind sie gelockert worden. Seit Dienstag können sich die Menschen tagsüber wieder ohne Formulare und Einschränkungen bewegen. Neu ist allerdings eine Art abendlicher Ausgangssperre. Die Menschen dürfen zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens nur mit triftigem Grund auf die Straße – dazu zählen der Arbeitsweg, Kinderbetreuung oder medizinische Notfälle. Es ist außerdem erlaubt, Haustiere auszuführen. Anders als vorher ist es aber in diesem Zeitraum nicht mehr möglich, Sport zu treiben oder spazieren zu gehen.
Die Schweizer Krankenhäuser sind wegen der Corona-Pandemie an der Belastungsgrenze – und der Ruf nach einem Lockdown wird lauter. „Wir können uns nicht vorstellen, dass wir um einen Lockdown herumkommen“, sagte der Direktor des Universitätsspitals Zürich (USZ), Gregor Zünd, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Im Kanton Zürich liege der R-Wert bei 1,16 – das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch 116 weitere Menschen anstecken. „Wie lange sollen diese Warnungen denn noch gehen, bevor etwas passiert?“, twitterte Isabelle Eckerle, deutsche Virologin am Universitätsspital Genf.
Zünd sprach sich mit den Direktoren zweier weiterer Krankenhäuser in Zürich entschieden gegen die Erlaubnis zum Skifahren über Weihnachten aus. „Das Risiko einer Ansteckung beim Skifahren während der Weihnachtsferien ist hoch“, sagte Zünd. Gesundheitsminister Alain Berset hatte sich gegen einen Lockdown ausgesprochen. Man wolle den Schweizer Weg weiter gehen und nicht alles schließen. Die Regierung hatte vergangene Woche die Schrauben etwas angezogen: Restaurants müssen um 19 Uhr schließen. Kantone, die die Infektionen gedrückt haben, können Ausnahmen machen.
In Moskau dürfen ältere Menschen ihr Zuhause weiterhin nicht verlassen. Die bereits Ende September verhängte Maßnahme, die Menschen über 65 Jahre und chronisch Kranke in der russischen Hauptstadt betrifft, wurde bis zum 15. Januar verlängert, wie Bürgermeister Sergej Sobjanin mitteilte. Auch Freizeiteinrichtungen für Kinder bleiben geschlossen. Unternehmen sind angewiesen, mindestens 30 Prozent ihres Personals im Homeoffice zu beschäftigen. Auch Silvester werde in diesem Jahr nur als „Familienfeier“ stattfinden können, kündigte Sobjanin an – im kleinen häuslichen Kreis.
Auf Mallorca hat die Regionalregierung die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 über Weihnachten verschärft. Für die auch bei Deutschen beliebte Urlauberinsel gilt damit seit Dienstag wieder die höchste Stufe des insgesamt fünfstufigen (0 bis 4) Corona-Protokolls, wie die Regierungschefin der Balearen, Francina Armengol, mitteilte. Die Einschränkungen sollten bis zum 28. Dezember gelten und dann erneut auf den Prüfstand. Auf den Nachbarinseln Menorca und Ibiza sind die Infektionszahlen jedoch niedriger und die Maßnahmen milder. Wer aus dem Ausland und dem Rest Spaniens auf die Balearen reist, muss einen negativen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Kinder unter sechs Jahren sind ausgenommen. Auf Mallorca, wo sich das Gros der Hotels und Ferienwohnungen befindet, gilt die nächtliche Ausgangsbeschränkung weiter von 22 Uhr bis 6 Uhr.
Schweden hat es nach Angaben einer eingesetzten Kommission nicht geschafft, seine älteren Mitbürger vor dem Coronavirus zu schützen. Länger bekannte strukturelle Probleme sowie mehrere Faktoren wie der Mangel an geeigneter Schutzausrüstung und die späte Einführung umfassender Tests hätten dazu beigetragen, dass die Altenpflege schlecht vorbereitet gewesen sei, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Schweden hatte eine spezielle Strategie mit weniger strikten Maßnahmen verfolgt. Bislang wurden mehr als 340.000 bestätigte Corona-Infektionen sowie 7667 damit in Verbindung stehende Todesfälle bei rund zehn Millionen Einwohnern verzeichnet.
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Ein Team der Blavatnik School of Government an der Universität Oxford hat Maßnahmen von 180 Ländern während der Pandemie gesammelt und den „Oxford COVID-19 Government Response Tracker“ geschaffen, der online einsehbar ist. Ihre Ergebnisse unterteilten die Forscher in die Antworten der Regierung, Unterstützung für die Wirtschaft, Eindämmungsmaßnahmen und Gesundheit, sowie Stringenz. Mehr dazu hier:
covidtracker.bsg.ox.ac.uk