Das Rotkehlchen flattert aufgeregt mit den Flügeln, seine Augen sind in Panik weit aufgerissen. Die feinen Halsfedern reiben an dem Fangnetz, das ein Wilderer aufgestellt hat und das es am Weiterflug hindert – solche Szenen sind in Europa nicht selten. Die illegale Vogeljagd ist weit verbreitet und gefährdet viele Vogelarten, besonders in Italien. Dort kämpfen Deutsche seit langem gemeinsam mit der italienischen Forstpolizei gegen das Töten.
„Die Tradition des Vogelfangs kommt aus Italien, und gleichzeitig ist Italien das Land, das am meisten dagegen vorgeht“, sagt Andrea Rutigliano. Der Italiener arbeitet für die deutsche Organisation „Komitee gegen den Vogelmord“ im Mittelmeerraum. „Aber am besten kämpfen Deutsche und Italiener zusammen.“ Schon im Kindesalter zog er Waisenvögel auf. Während der Zugsaison und wenn die Tiere überwintern, ändert er seinen Schlafrhythmus. Nachts stellt er illegale Wilderer, tagsüber erholt er sich. Bogenfallen, Fangkäfige, Leinruten, Netze oder sogar vom Himmel geschossen: Rund fünf bis acht Millionen Vögel sterben jährlich einen qualvollen Tod durch die illegale Jagd in Italien, in ganz Europa sind es 20 bis 25 Millionen. Die internationale Naturschutzorganisation Birdlife stuft Italien als diesbezüglich schlimmstes Land nach Ägypten ein. „In Italien gelten Singvögel als Delikatesse“, sagt Alexander Heyd, Geschäftsführer des „Komitees gegen den Vogelmord“. Die Auswirkungen des Vogelwilderns sind dramatisch, vor allem für besonders bedrohte Arten wie Wespenbussarde, Habichtsadler und Steinschmätzer. Das gefährdete Braunkehlchen gilt ebenfalls als Delikatesse. Aber auch Drosseln und Rotkehlchen stehen auf der Abschussliste.
Besonders die Regionen Lombardei, Venetien, Kampanien, Kalabrien und Apulien sind in Italien betroffen. Das Geschäft der Wilderer hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Während früher viele für eine Mahlzeit im eigenen Haus auf die Jagd gingen, ist das Jagen in den vergangenen Jahren immer kommerzieller geworden. So verkaufen viele Wilddiebe ihren Fang an Restaurants, Jäger, welche die Vögel als Köder benutzen, und Händler. Laut Claudio Marucci, Chef der Anti-Wilderer-Einheit der Forstpolizei, ist dies gerade während der Wirtschaftskrise und zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit für viele zu einem lukrativen Geschäft geworden. Nach Angaben der Organisation „Caccia il Cacciatore“ („Jagt den Jäger“) kostet ein Fink auf dem Schwarzmarkt bis zu 100 Euro.
Schon seit 1975 ist die Bonner Organisation „Komitee gegen den Vogelmord“ in Italien unterwegs. Mit etwa 400 Freiwilligen und mehreren Partnerorganisationen wie dem World Wide Fund for Nature (WWF) sowie der Forstpolizei im Rücken liegen sie nachts auf der Lauer, um illegale Wilderer festzunehmen. Der Corpo Forestale, die italienische Forstpolizei, ist eine bewaffnete, hochspezialisierte und sehr gut ausgebildete Einheit, die sich um Tier- und Naturschutz kümmert. „Die Zusammenarbeit ist exzellent“, sagt Claudio Marucci. „Nachdem die Freiwilligen die illegalen Wilderer gefunden haben, bringen wir sie vor Gericht“, fügt er hinzu. Dort erwarten die Vogeljäger Geldstrafen zwischen 300 und 2000 Euro. In den vergangenen Jahren hat sich einiges geändert. Die Gesetze wurden immer strenger, Jagdzeiten beschränkt und die Zahl der legalen Fanganlagen extrem reduziert. In Italien arbeiten die Behörden im Gegensatz zu anderen Ländern eng mit Organisationen wie dem „Komitee“ zusammen, sagt Heyd. In diesem Jahr hat die Organisation rund 500 Bogenfallen eingesammelt, vor 15 Jahren waren es noch 15 000. „Im Jahr stellen wir etwa 80 Personen“, sagt Heyd.
Doch im Zuge der Sparmaßnahmen der italienischen Regierung soll die Forstpolizei abgeschafft werden. „Das ist ein schwerer Schlag für uns“, sagt Heyd. Denn der Forstpolizei seien viele der Fortschritte zu verdanken. Heute, schätzt Heyd, seien nur noch etwa 650 000 der einst mehr als zwei Millionen Jäger aktiv, die Zahl der Wilddiebe schätzt er auf 25 000. „Die große Aufgabe für die Zukunft“, sagt Claudio Marucci, „liegt darin, die nachfolgenden Generationen über die Wichtigkeit von Umwelt- und Tierschutz aufzuklären.“