Der Bremer Marketing-Club vergibt heute seinen alljährlichen Innovationspreis und feiert 60-jähriges Bestehen. Kristin Hermann sprach mit Klub-Präsidentin und Jurymitglied Christine Bornkeßel über erfolgreiche Marketingkonzepte, Fehlgriffe und die Bedeutung von sozialen Netzwerken.
Frau Bornkeßel, Sie sind Expertin auf dem Gebiet. Hat ein Produkt ohne Marketing überhaupt eine Chance?
Christine Bornkeßel:
Es gibt gute Produkte, die keinen Erfolg haben, weil sie kein Marketing betreiben und man eben nichts von ihnen weiß. Aufgrund der Menge und der Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen heute ist es noch wichtiger als früher, potenzielle Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Dabei ist das verfügbare Budget natürlich eine entscheidende Komponente. Daher sollte man sich bereits früh in der Phase der Produktentwicklung darüber Gedanken machen, wie das Marketing für sein Produkt aussehen soll – angefangen beim richtigen Namen.
Wie sollte optimales Marketing denn Ihrer Meinung nach aussehen?
Erfolgreich! Das Geheimrezept gibt es dazu nicht. Letztlich entscheidet der Kunde durch seinen Kauf über den Erfolg einer Marketing-Maßnahme, die eben viel mehr als nur Werbung ist. Die Firma Apple beispielsweise war in den 1980er-Jahren ein reiner Computer-Anbieter mit einem ganz eigenständigen Betriebssystem und in Amerika gerade an den Universitäten sehr erfolgreich. In Europa hingegen waren die Computer unter anderem aufgrund der Preisstellung damals nur Nischenanbieter für die Kreativszene. Nach der Erweiterung des Angebotes 2001 mit Produkten rund um das „i“ wird Apple weltweit völlig anders wahrgenommen. Die Marke an sich muss heute nicht mehr durch Marketing bekannt gemacht werden. Erfolgreich ist eine Marke dann, wenn sie ein Versprechen gibt, das sie auch einlösen kann.
Führt Marketing automatisch zum Erfolg oder kann dabei auch etwas schiefgehen?
Es gibt beim Marketing ethische und moralische Grundregeln, die beachtet werden müssen. Daher ist nicht alles, was machbar ist, auch gut oder angemessen. Und eigentlich kann alles schiefgehen. Ein Beispiel dafür ist, wenn man bei weltweit angelegten Marketing-Maßnahmen nicht auf gesellschaftliche Befindlichkeiten und Unterschiede achtet. Es gibt beispielsweise Begrifflichkeiten, die in verschiedenen Ländern eine ganz andere Bedeutung haben als im Ursprungsland des „Erfinders“.
Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?
Ein bekanntes Beispiel ist der Mitsubishi Pajero. Der japanische Geländewagen musste in Nordamerika und den spanischsprachigen Ländern umbenannt werden, da Pajero in diesen Ländern umgangssprachlich ein Schimpfwort ist und damit eine völlig andere Bedeutung als die ursprünglich gedachte Anlehnung an den „Leopardus pajeros“ hat.
Legen Firmen heute ein größeres Augenmerk auf diesen Bereich als früher?
Der Bereich Marketing ist schon immer reizvoll gewesen. Früher musste man in Unternehmen allerdings viel mehr Überzeugungsarbeit leisten, welche Möglichkeiten Marketing bietet. Je mehr sich der Markt vom Verkäufermarkt hin zu einem Käufermarkt entwickelte, wuchs die Bedeutung von Marketing mit seinen heutigen Facetten. Zusätzlich haben sich die Kommunikationskanäle enorm gewandelt. Früher präsentierte man sich und sein Produkt über die Anzeige in der Zeitung, den Spot im Hörfunk und Fernsehen. Damals brauchte man Spezialisten, die eben diese Beiträge gestalteten. Heute muss ein Unternehmen noch ganz andere Spezialisten beschäftigen, um am Markt präsent zu sein. Das beginnt bei der strategischen Planung und reicht bis hin zu der Umsetzung dieser. Auch das Internet hat das Marketing geprägt und weiter verändert. Heute machen wir ein Foto mit dem Smartphone, „posten“ es bei Twitter oder Facebook und betreiben damit eine Form des Marketing.
Bleiben wir beim Thema. Geht Marketing überhaupt noch ohne soziale Netzwerke?
Die meisten Entscheider wissen inzwischen um die Bedeutung solcher Netzwerke oder allgemein des Internets. Es gibt mittlerweile Firmen, die bewusst auf eine Teilnahme verzichten. Natürlich nicht gänzlich auf eine Internet-Präsenz, jedoch aber auf die Nutzung der sozialen Netzwerke. Es gab eine Zeit, in der man glauben konnte, dass man ohne Facebook-Account nicht bestehen könne. Inzwischen sind Unternehmen aber zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Seiten intensiver Betreuung bedürfen, da sie sonst kontraproduktiv wirken können. Soziale Netzwerke haben keine Ladenöffnungszeiten. Entweder professionell oder gar nicht. Jedes Unternehmen sollte sich deshalb genau überlegen, welchen Nutzen man daraus ziehen und ob man die Kanäle sinnvoll bedienen kann. Wichtig ist vor der Entscheidung, die Kundenstruktur zu überdenken und die relevanten Kommunikationsmittel für den Kundenkontakt festzulegen.
In Ihrem Klub sind etwa 300 Bremer Firmen und Privatpersonen vertreten. Hand aufs Herz: Wird im Marketing-Bereich genug getan oder ist da noch Luft nach oben?
Die Bremer Unternehmen sind meiner Meinung nach gut aufgestellt. Viele Firmen haben eigenständige Marketingabteilungen. Aber auch die heimischen Organisationen, wie die Seenotretter haben erkannt, wie man sich erfolgreich mit kreativem Marketing präsentiert. Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Wirtschaftsförderung Bremen geht hervor, dass viele Bremer Marken als sehr stark wahrgenommen werden. Denken Sie beispielsweise an Becks, Hachez, Frosta oder die Bremer Stadtmusikanten. Die sind auch außerhalb der Stadtgrenzen sehr bekannt. Zudem haben wir in Bremen einen international anerkannten Lehrstuhl auf dem Gebiet „Innovatives Markenmanagement“.
Sie verleihen heute den Innovationspreis. Was muss ein Unternehmen tun, um Sie zu überzeugen?
Wenn man den Innovationspreis des Marketing-Clubs Bremen vergibt, dann steht natürlich das Kriterium „Innovation“ bei der Jury-Bewertung an erster Stelle. Jedoch gewinnt nur das Konzept die Auszeichnung, das die beste Mischung aus Innovation, Einzigartigkeit, Nachhaltigkeit, Professionalität, Relevanz und Erfolg aufweist.
Zur Person: Christine Bornkeßel ist 54 Jahre alt und ist gelernte Journalistin. Derzeit arbeitet sie als PR-Beraterin. Seit 2013 ist Bornkeßel Präsidentin des Bremer Marketing-Clubs.
Innovationspreis „Highlight 2014“
◼ Der Marketing-Club verleiht heute Abend zum 14. Mal den Innovationspreis „Highlight“. Mit der Auszeichnung wird das erfolgreichste Marketingkonzept eines heimischen Unternehmens oder einer Organisation gewürdigt. Aus den 22 eingereichten Konzepten hat die Jury folgende Bewerber in die engere Auswahl gewählt: Fiedlers Fischmarkt aus Bremerhaven, DRK Bremen mit den „Loriot Weinen“, Mapa mit dem Internetportal Hebiana, My Opinion mit der Softwareentwicklung für Kundenbefragung, Pop Tee mit ihrer Neupositionierung von Tee, sowie Radio Bremen mit dem Relaunch von „butenunbinnen“. Der erste Platz erhält eine Förderung von 20 000 Euro für Medialeistungen. Gemeinsam mit der Verleihung in der Bremenhalle des City-Airports wird auch die Gründung des Marketing-Clubs vor 60 Jahren gefeiert.