Berlin. Bereits vor Ende des umstrittenen Testlaufs einer automatisierten Gesichtserkennung setzt die Polizei immer stärker auf diese Form der Videofahndung. Das berichtete die „Rheinische Post“ unter Berufung auf eine Auflistung des Innenministeriums nach einer Anfrage der Linken. Demnach stieg der Einsatz der Technik zur Gesichtserkennung durch Bundespolizei, Bundeskriminalamt (BKA) und Landeskriminalämter (LKA) von 1673 Fällen im Jahr 2010 auf 27 436 im vergangenen Jahr.
Seit dem Start im Jahr 2008 verzeichneten BKA und LKA danach 115 798 Recherchen per Gesichtserkennung, wie es weiter hieß. 2394 Personen wurden dem Bericht zufolge identifiziert. Hinzu kamen 18 723 Recherchen per Gesichtserkennung durch die Bundespolizei, die insgesamt 1334 weitere Personen identifizierte.
Linken-Europaexperte Andrej Hunko sieht in dieser Entwicklung bis hin zu einer automatisierten Gesichtserkennung eine „große Gefahr für den Datenschutz und das Prinzip der Datensparsamkeit“. Weil die Behörden auch weitere Datenbanken mit Gesichtserkennung ergänzten, wie die EU-Fingerabdruckdatei, würden „Asylsuchende zu Versuchskaninchen für den Überwachungsstaat“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Derzeit läuft am Berliner Bahnhof Südkreuz ein Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung. Die Bilder von drei Kameras werden speziell ausgewertet. Drei Computerprogramme vergleichen alle gefilmten Gesichter mit den gespeicherten Profilen von 300 Testpersonen.
Ursprünglich sollte der sechsmonatige Test Ende Januar enden. Er wurde aber um weitere sechs Monate verlängert. Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Mitte Dezember angekündigt, bei einem positiven Ergebnis solle die Videoüberwachung flächendeckend an Bahnhöfen und Flughäfen eingeführt werden.
Die Sicherheitsbehörden begründen ihr Vorhaben damit, dass mögliche Gefährder vor einem Anschlag erkannt werden könnten. Der Deutsche Anwaltsverein bemängelte das Fehlen einer Rechtsgrundlage. Wenn massenhaft Gesichter von Bürgern gescannt würden, greife der Staat schwerwiegend in Grundrechte ein, hieß es.
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