Der Kaffee in der Porzellantasse von Merlin Nobis ist alt. Angetrocknet, richtig fest schon. Und das soll er auch sein, denn der braune Satz dient einem Experiment mit sogenannter Whitening-Zahnpasta: Nobis testet mit zwei Klassenkameraden Zahncremes mit aufhellendem Effekt von insgesamt sechs Marken. Damit ist der Bremer einer von mehr als 2500 zwölf bis 19-Jährigen, die jedes Jahr an dem Wettbewerb „Jugend testet“ der Stiftung Warentest teilnehmen. Noch bis Ende November können sich Freiwillige mit ihrer Idee für einen Produkttest bewerben.
Nobis ist seit vier Wochen dabei. Erst wollten der 15-Jährige und seine Freunde Plastiktüten oder T-Shirts auf ihre Qualität überprüfen. „Aber dafür sind uns keine guten Versuche eingefallen“, gibt der Schüler zu. Vier bis fünf verschiedene Tests pro Produkt sollen durchgeführt und dokumentiert werden. „Da bot sich Zahnpasta einfach an.“ Nobis nutzt selbst eigentliche keine aufhellende Creme, hat sich aber schon immer gefragt, ob sie wirkt.
Erst einmal hieß es: Bitte lächeln! Denn die drei Freunde wollten die Whitening-Paste an ihren eigenen Zähnen ausprobieren. Also haben sie jeden Tag ein Foto gemacht, mit breitem Grinsen im Gesicht – bis sie feststellten, dass die Kameras unterschiedliche Bildqualitäten lieferten und eine Vergleichbarkeit so nicht gegeben war. „Dann haben wir versucht, an ein Gebiss zu kommen“, sagt Nobis. Auch das hat nicht geklappt, sodass sie am Ende bei Tassen gelandet sind. „Gebisse sind ja auch aus Porzellan.“
Andere Tests waren schon erfolgreicher: So haben die drei Schüler alle Tuben auf ihre Belastbarkeit überprüft, „falls man mal in den Urlaub fährt“, und 20-Kilo-Gewicht auf die Verpackung einwirken lassen. Außerdem haben sie die Paste mikroskopiert und die Inhaltsstoffe verglichen. „Ich war schon etwas geschockt“, sagt Nobis, „was da teilweise an chemischen Stoffen drin ist.“ Verwundert war er auch darüber, in einer Zahnpasta Algen zu finden.
Genau um diese Sensibilisierung geht es der Stiftung Warentest mit dem Wettbewerb. „Wir wollen damit erreichen, dass die Schüler ein Bewusstsein für Qualität entwickeln“, sagt Sprecherin Claudia Dammschneider. Dabei gehe es beispielsweise darum, ein Gespür für ein gutes Preis-Leistung-Verhältnis zu bekommen und zu unterscheiden, worauf man eigentlich selbst als Kunde Wert legt. Die Testergebnisse selbst, die die Teilnehmer von „Jugend testet“ im Februar abgeben müssen, haben für die Stiftung keine weitere Relevanz. „Da besteht keine Vergleichbarkeit“, sagt Dammschneider. „Die Ergebnisse werden nicht veröffentlicht.“
Sie und ihr Team sind trotzdem gespannt auf die Beiträge. Häufigste Testprodukte bei den Schülern sind Getränke jeder Art, Schokolade und Kosmetikartikel; bei den Dienstleistungen häufen sich die Beiträge im Bereich Pizza-Lieferdienste und auch Apps. Besonders im Gedächtnis bleiben den professionellen Testern aber die ungewöhnlichen Versuche: „Wir hatten Schüler, die haben Fruchtfliegenfallen, Spielzeug für Schweine und Kristallzuchtpakete getestet“, erinnert sich Dammschneider. Auch der Preisträger von 2013 hatte eine untypische Idee: Er hat Knallerbsen getestet und es damit auf den ersten Platz geschafft. Bei der diesjährigen Runde von „Jugend testet“ winken den Teilnehmern Preise im Wert von 12 000 Euro und eine Reise nach Berlin.
Piotr Sulik weiß, dass es etwas zu gewinnen gibt – seine Motivation, mitzumachen, war aber eine andere: An der St.-Johannis-Schule Bremen durfte er zwischen einer eher theoretischen Projektarbeit und dem praktischen Produkttest wählen. Der 16-Jährige beschäftigt sich deshalb seit einigen Wochen mit Pinseln. Sieben Sets unterlaufen aktuell seine Tests und zwei seiner Klassenkameraden. Wie viel Wasser nimmt ein Pinsel auf? Wie viel Farbe gibt er ab? „Wir haben uns mit unserer Kunstlehrerin über die Qualitätsmerkmale unterhalten“, sagt der Zehntklässler. Anschließend haben sie Versuche entwickelt; immer montags nehmen sie sich drei Stunden Zeit für die Durchführung . Schon jetzt zeigt sich: „Synthetik-Pinsel sind die teureren, aber auch besseren Modelle“, sagt Sulik. Bei einem der günstigen Testobjekte seien während eines Versuchs alle Haare ausgefallen.
Piotr Sulik liest auch selber öfter mal Produkttests – dann aber vor allem, wenn es um Elektronik geht und überwiegend im Internet. Nachdem gerade wieder bekannt wurde, dass beispielsweise beim Online-Händler Amazon etliche Bewertungen gefälscht waren, warnt die Verbraucherzentrale aber davor, zu viel Wert darauf zu legen. „Keiner kann den Wahrheitsgehalt überprüfen“, sagt Geschäftsführerin Irmgard Czarnecki. Unter anderem aus diesem Grund findet sie den Wettbewerb „Jugend testet“ vom Ansatz her gut. „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Jugendliche schon früh auf die Qualität von Waren und Dienstleistungen aufmerksam gemacht werden.“ Im Unterschied zu dem, was man häufig an Bewertungen im Internet finde, gehe es nämlich nicht nur darum, eine Meinung zu formulieren, sondern konkrete Kriterien aufzustellen.
Eine von Merlin Nobis’ Kriterien: Der Kaffeerand muss weg. Welche Zahnpasta ihn am besten löst, sieht er nach den Herbstferien. Und vielleicht hat er ja eine Chance auf einen Preis – wenn seine Testergebnisse bis dahin nicht schon kalter Kaffee sind.
Wettbewerb „Jugend testet“
◼ „Jugend testet“ ist ein Wettbewerb der Stiftung Warentest, bei dem zwölf bis 19-Jährige nach eigenen Kriterien Produkte oder Dienstleistungen testen. 2014 haben insgesamt mehr als 2660 junge Menschen über 500 Ergebnisse erarbeitet. Wer in diesem Jahr dabei sein möchte, kann sich mit einer Testidee noch bis zum 30. November online unter www.jugend-testet.de anmelden. Die fertigen Beiträge müssen bis zum 15. Februar eingesendet werden.