„Auch wenn die Medien nicht mehr täglich über neue Ebola-Fälle berichten – es gibt sie noch, die gefährliche Seuche in Westafrika, die ganze Familien auslöscht“, sagt Janosch Kullenberg. Hat Westafrika rechtzeitig genug Hilfe bekommen? Wie kann eine solch katastrophale Ausbreitung einer Seuche künftig verhindert werden? Kullenberg, Sozialwissenschaftler und Doktorand an der Universität Bremen hat mit acht weiteren Promovierenden die „BIGSSS Ebola Gruppe“ gegründet, die in einer öffentlichen Diskussion am kommenden Montag diesen Fragen nachgeht.
Für viele Menschen ist Westafrika sehr weit weg. Wen interessiert es in Westeuropa schon, ob in einem entlegenen Dorf im Südosten Guineas ein kleiner Junge an einer Krankheit stirbt, hieße diese Krankheit nicht Ebola. Eine Seuche, an der im vergangenen Jahr viele Tausend Menschen gestorben sind und es noch immer viel zu viele Erkrankungsfälle gibt.
Die Gruppe hat kein medizinisches Fachwissen und kann den Erkrankten vor Ort nicht helfen. Aber sie hat viele Ideen und ein konkretes Ziel: „Wir wollen die Debatte um das Ebola-Problem fördern“, sagt Kullenberg. Der Sprecher der Gruppe hat bereits in Afrika für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Vereinten Nationen (UN) gearbeitet. Seine Verantwortung sieht er darin, die Ursachen des tödlichen Ebola-Ausbruchs zu analysieren, mithilfe eines kompetenten Netzwerks praktische Handlungsempfehlungen zu sammeln und diese anschließend in einem Katalog zusammenzufassen.
Die Bremen International Graduate School of Social Sciences BIGSSS, ein Gemeinschaftsprojekt der privaten Jacobs University Bremen (JUB) und der staatlichen Universität Bremen, wird durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert. Im Rahmen dieser Förderung wurde die „BIGSSS Ebola Gruppe“ gegründet.
Ausgebrochen war die Seuche im Dezember 2013 in einem entlegenen Dorf im Südosten Guineas. Ein kleiner Junge, zwei Jahre alt, erkrankte als Erster, weil er Fleisch von einem infizierten Flughund gegessen hatte. Der Junge starb am Nikolaustag. Bald darauf erkrankten in seinem Dorf weitere Familienmitglieder und Nachbarn. Mitte März 2014 begannen Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erstmals systematisch nach der Ursache des mysteriösen Fiebersterbens in Westafrika zu forschen. Das Ergebnis war eindeutig: Ebola, der tödliche Erreger aus Zentralafrika.
Nach Bekanntwerden der tödlichen Seuche seien gravierende Fehler gemacht worden, ist sich die Gruppe einig. „Es mangelte an Geld, ausreichend Helfern und politischer Unterstützung“, so ihre Feststellung. Vor allem aber sei der Ausbruch der Krankheit anfangs nicht ernst genommen und viel zu spät darauf reagiert worden, betont Kullenberg. Sein Vorwurf geht dabei nicht nur an die Politiker. Aus seiner Sicht sei auch die Berichterstattungen in den Medien „recht einseitig“ gewesen. Von Sensationshascherei und Panikmache spricht er und von fehlender Aufklärung. Hat er damit Recht?
Eine Antwort darauf hat Kwaku Arhin-Sam. Er kommt aus Ghana und ist Doktorand an der Jacobs University Bremen. Von seinen europäischen Studienkollegen unterscheidet er sich allein durch seine Hautfarbe. Und das genügte schon, wie er aus Erfahrung mit studentischen Freunden aus Magdeburg erzählt, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe, egal woher sie aus der Welt kommen, im vergangenen Jahr mit Ebola in Verbindung gebracht wurden. Eine Hysterie, die bei besserer geografischer Kenntnis und richtiger Aufklärung hätte vermieden werden können, betont er.
Auch heute würden weiterhin täglich Menschen sterben und sich neu mit dem Ebola-Virus infizieren. Viele der Gruppenmitglieder haben Freunde in der westafrikanischen Region und verfügen dazu über ein breites internationales Netzwerk. „Wir können zwar nicht vor Ort helfen, aber wir haben als Sozialwissenschaftler das Werkzeug, etwas zu tun“, betont Dora Simunovic aus Kroatien. Sanne van der Lugt aus den Niederlanden, ebenfalls Doktorandin an der Jacobs University Bremen und Leiterin der Ebola-Gruppe, berichtet von einem Freund in Sierra Leone: „Er ist führender Ebola-Spezialist vor Ort und schreibt ein Buch über Ebola.“ Beide Studentinnen fanden es schade, dass es in Bremen keine öffentliche Diskussion um Ebola gab. „Es hat praktisch gar nichts stattgefunden“, sagt auch Kullenberg. Und aufgrund der guten Verbindungen nach Afrika hat das Team beschlossen, die Bremer für das immer noch existierende Problem Ebola zu sensibilisieren.
Erste Veranstaltungen hat es Ende vergangenen Jahres an beiden Universitäten gegeben. Dabei wurde ein Film gezeigt und es gab eine angeregte Diskussion über den Umgang mit der Seuche. „Die Teilnehmer haben viele Vorschläge gemacht“, sagt Sanne van der Lugt. Das sei auch der Auslöser für die Idee einer sogenannten „Panel-Discussion“, einer Expertenrunde, zu der Denis Pineda, ein Bremer Arzt des Gesundheitsamtes mit Erfahrung in Westafrika, Babah Tarawally, ein in den Niederlanden lebender Journalist aus Sierra Leone, und Ulrike Beisel, Professorin an der Universität Bayreuth, zugesagt haben.
Die Diskussion über Ebola in englischer und deutscher Sprache findet am Montag, 11. Mai, um 18.30 Uhr im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5 statt. Fragen können in deutscher Sprache gestellt werden, es sind Dolmetscher anwesend. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen bitte über Nadine Binder, nbinder@bigsss-bremen.de oder die Homepage der Gruppe https://stopebolabremen.wordpress.com
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