
Es wird am Sonntag kein Bürgermeister gewählt und es stellt sich auch keine Partei zur Wahl, der Sie als Parteiloser angehören würden – klingt nach der entspannendsten Wahl für Sie seit Jahren?
Rainer Ditzfeldt: Ja. Definitiv. Nach der Bürgermeisterwahl, die für mich persönlich sehr, sehr arbeitsintensiv war, ist dies eine Wahl, die ich als Außenstehender betrachten kann, um zu sehen, wo die Reise hingeht.
Wie sieht denn dann ihr Wahlsonntag aus, zumal Sie kein Stadtwahlleiter sind?
Für mich als Bürgermeister ist es unwahrscheinlich wichtig, mit den Ehrenamtlichen in den Wahllokalen ins Gespräch zu kommen. Ich werde Sonntagmorgen um halb 8 wie unsere anderen Mitarbeiter im Rathaus erscheinen, werde den Dienstwagen holen, ihn mit Brötchen und Kuchen beladen und in sämtliche Wahllokale fahren. Um die Ehrenamtlichen zu versorgen und ihnen zu danken, dass sie sich den Sonntag um die Ohren hauen.
Also von wegen Füße hoch und locker das Ergebnis abwarten. Und wählen müssen Sie ja selbst auch noch – wen wählt man in Achim als parteiloser Rathauschef?
Wir haben in Deutschland das Wahlgeheimnis. Sie werden verstehen, dass ich nicht sage, wen ich wähle. Aber wer die familiären Zusammenhänge kennt, kann sich vielleicht das eine oder andere ausrechnen.
Was ist denn eigentlich der Vor- was der Nachteil daran, parteilos zu sein?
Als ich gewählt worden bin, haben fast alle gesagt, du wirst es unheimlich schwer haben, weil du selbst keine Fraktion im Rücken hast, die dich im Rat unterstützt. Aber da sehe ich auch eine Gefahr drin, da man unter Zugzwang steht, die gewünschte Politik seiner Partei umzusetzen. In Achim hat es sich toll eingespielt, bisher haben wir eigentlich alle großen Projekte im Sinne der Verwaltung durchbekommen. Es wird akzeptiert, dass der Bürgermeister nicht einer festen Richtung folgt. Es geht um die Sache, nicht um Animositäten der Parteien.
Dann ist es eigentlich einfacher, ein Bürgermeister für alle zu sein?
Nach den zwei Jahren, die ich das mache, kann ich wirklich sagen: Es hat sich bewährt. Von Kollegen in Niedersachsen weiß ich, dass einige es leicht fanden, über die Partei in diese Position zu kommen – aber im Nachhinein kriegen sie dann ganz schön Kontra von den anderen Parteien.
Kontra gibt es für die Politik auch oft von den Bürgern – warum sollten diese dann wählen gehen, wenn ihnen auch der neue Rat angesichts knapper Kassen kaum Wünsche erfüllen kann?
Was für mich so erschreckend ist, ist die Wahlbeteiligung. Wir hatten sie 2006 bei knapp über 50 Prozent, im Jahr 2011 lag sie schon erstmals drunter. Das heißt, jeder Zweite macht nicht von seinem Wahlrecht Gebrauch. Was mir nun aufgefallen ist: Seitdem die Parteien ihre Plakate rausgehängt haben, wundern sich die Flüchtlinge darüber und sie fragen bei uns nach. Wenn wir ihnen von den freien demokratischen Wahlen erzählen, können sie es einfach nicht verstehen, dass die Leute wählen gehen können, ohne danach Probleme erwarten zu müssen. In vielen Ländern hätten die Menschen gerne freie Wahlen und hier wird es nicht genutzt. Das ist schon irre, denn es ist ein ganz, ganz wichtiges Grundrecht.
Inwieweit könnte das am Stellenwert von Kommunalpolitik, die von bösen Zungen als Feierabendpolitik verschrien wird, liegen?
Es liegt nicht an der Kommunalpolitik, sondern an der großen Politik. Teilweise ist auf Landes- und Bundesebene der Bezug zur Basis verloren gegangen. Aber hier kennt man die Leute, wohnt in der selben Straße, spielt im selben Verein oder trifft sie auf dem Wochenmarkt. Es sind die Leute seines Vertrauens, die man wählen kann. Kommunen könnten sich keine hauptamtlichen Parlamente leisten. Das Finanzielle müsste dann aber von den übergeordneten Instanzen getragen werden.
Die am Sonntag zu wählende Kommunalpolitik entschiedet unmittelbar, was vor den Haustüren der Menschen passiert. Warum zieht das nicht?
Ein Hauptgrund ist, dass sich die Parteien nicht genug voneinander abgrenzen. Wenn Sie sich diesen Wahlkampf anschauen und ihn mit einem von vor 20 Jahren vergleichen: Da gab es noch richtig Reibungspunkte, es gab Lager. Die einen wollten in die Richtung, die anderen in die entgegengesetzte. Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir in den vergangenen Jahren so einen soften Wahlkampf wie jetzt gehabt haben. Die Wähler denken sich daher: Ist doch egal, weil eh alle zusammen ihr Süppchen kochen. Aber mein Wunsch wäre es, dass die Stadt Achim nun die höchste Wahlbeteiligung im Landkreis Verden hat.
Sie und die Bürger bekommen nun einen neuen Rat, was müsste mit dem besser laufen als mit dem jetzigen?
Es könnte weiter so laufen, dass es zu über 90 Prozent um sachliche Entscheidungen geht. Es kommen neue Ratsleute dazu, ich hoffe, dass sie schnell Fuß fassen, nicht in den Parteien abblitzen, sondern dort ernst genommen werden.
Wann wird der neue Rat mit der inhaltlichen Arbeit starten?
Der neue Rat wird ab November mit den Haushaltsberatungen beginnen, aber sie werden vor jedem Fachausschuss diesen genau erklärt bekommen. Die konstruktive Arbeit dürfte am Ende des ersten Quartals 2017 beginnen.
Die Fragen stellte Kai Purschke.
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Auf den Schildern wird deutlich darauf hingewiesen, dass ...