
Die Gemeinde Dörverden und die Samtgemeinde Grafschaft Hoya – das sind zwei Mittelweser-Anrainer, die sich zwar direkt gegenüber liegen, aber wie die Königskinder lange Zeit nicht zueinander gefunden haben. Doch das gehört nun glücklicherweise seit Jahren der Vergangenheit an. Seit es die offizielle Querung über das Dörverdener Weserwehr auf die andere Seite des Flusses gibt. Weil der Frühling in diesem Jahr so lange auf sich warten gelassen hat – und noch immer lässt – wird das Wehr witterungsbedingt erst am Karfreitag, 25. April, geöffnet. Bis Mitte Oktober können Radtouristen und Wanderer dann wie gewohnt den Übergang nutzen, um auf die andere Weserseite zu gelangen. Nach „gentsiet“, also nach drüben, wie die Plattsnacker sagen.
Der Übergang über das Dörverdener Weserwehr erfreue sich wachsender Beliebtheit, freut sich Maik Thalmann, Leiter der Statkraft-Kraftwerksgruppe. Rainer Gehrke, Tourismus-Experte im Dörverdener Rathaus, spricht in diesem Zusammenhang von 6000 bis 7000 Besuchern pro Jahr. In dieser Saison werde erstmals auch eine Zähluhr am Übergang installiert, um die tatsächliche Zahl der Fluss-Querer besser dokumentieren zu können. Eigentlich führt die Hauptroute des von der Nordsee bis zum Weserbergland verlaufenden Weser-Radweges auf der linken Uferseite entlang. Durch den Dörverdener Weserübergang gewinnt aber auch die Alternativroute auf der rechten Seite zunehmend an Attraktivität.
Radwanderer können sich so – von der Samtgemeinde Grafschaft Hoya aus kommend – mit den touristischen Höhepunkten der Gemeinde Dörverden vertraut machen. Dörverdens Bürgermeister Alexander von Seggern hat diesbezüglich natürlich „Leuchttürme“ wie das Wolfcenter in Barme oder das Kulturgut Ehmken Hoff im Kernort Dörverden im Blick.
Und mit noch einem Ass im Ärmel kann er punkten: „Durch die Gemeinde Dörverden verläuft neben dem Weser-Radweg ja noch ein weiterer Radfernweg, nämlich der Aller-Radweg.“ Wer sich also per Pedal auf den Weg von Dörverden in Richtung Rethem macht, passiert beispielsweise das Westener Amtshaus (Mehrgenerationenhaus) oder das schmucke Hülsener Schafstallviertel, wo künftig auch ein kleines Museum entstehen soll, das an den früheren Kalibergbau erinnert.
Radwanderer-Paradies Dörverden? Zurecht, findet Rainer Gehrke, spielt dabei noch einen weiteren Trumpf aus – die Energieroute im Aller-Leine-Tal. Die führt von der Reiterstadt Verden via Dörverden direkt in die frühere Residenzstadt Celle. Heißt übersetzt: In der Radsaison von Mitte März bis Mitte Oktober verbindet der Dörverdener Weserübergang also den Radfernweg Weser mit dem Aller-Radweg und der Energieroute im Aller-Leine-Tal.
Dass alle Drahteselfahrer und Pedalritter der Öffnung des Radweges über das Dörverdener Weserwehr bereits „in freudiger Erwartung“ entgegenfiebern, wie Alexander von Seggern sagt, kann auch Britta Grohs bestätigen. Sie ist auf der anderen Seite, also gentsiet, für den Tourismus-Bereich verantwortlich. Die Stabsstellenleiterin im Hoyaer Rathaus weiß, dass viele Dörverdener gern mal einen Sonntagsausflug über das Wehr machen, sich mit einem Eis in der Hand an die Hoyaer Weserpromenade setzen. Oder sich die Märchenausstellung im Hoyaer Schloss anschauen, die dort jeweils sonntags in der Zeit von 14 bis 17 Uhr zu sehen ist.
Genaugenommen befindet sich ja Wienbergen (gehört zu Hilgermissen in der Samtgemeinde Grafschaft Hoya) auf Dörverdens gegenüberliegendem Weserufer. Was viele gar nicht mehr wissen: Damals gehörte Wienbergen noch zum Kirchspiel Dörverden. „Fährmann Heußmann hatte früher zwei Fährboote. Eins war größer, in dem konnten sogar Fahrräder mitgenommen werden. Jeden Sonntag kam ein ganzes Regiment. Die Wiggers von der anderen Seite hatten nämlich viele Kinder.
Die gingen in Dörverden zur Kirche und brachten auch immer ihre Fahrräder mit“, erzählt Mariechen Stühring im von der Gemeinde Dörverden 2006 herausgegeben Buch „Zeitzeugen erinnern sich“. Auch später – im Krieg – seien Wienberger mit der Fähre nach Dörverden herüber gekommen, um in der Möbelfabrik Prigge zu arbeiten. Bedingt durch die Änderung des Flussverlaufes – die Weser ist irgendwann vermutlich direkt an Dörverden heran gerückt – gehörten die heute gentsiet liegenden Siedlungen Oberboyen und Niederboyen noch lange zur Dörverdener Kirche und dem dazugehörigen Friedhof.
Über den Strom setzen heute schon lange keine Fährboote oder Melkerschiffe mehr über, aber 1997 haben sich das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Verden und die Gemeinde Dörverden darauf verständigt, dass Radler und Wanderer das Wehr in den Sommermonaten passieren dürfen. „Aufgrund der Witterung haben sich die Gemeinde Dörverden und das WSA im Zuge ihrer Verkehrssicherungspflichten darauf geeinigt, den Radweg über das Wehr erst am Karfreitag freizugeben“, erläutert der Leiter des Verdener Wasser- und Schifffahrtsamtes Thomas Rumpf.
Dadurch solle ein erhöhtes Unfallrisiko im Bereich der Metallgitterroste und des Treppenaufstiegs ausgeschlossen werden. Regulär geöffnet ist der Dörverdener Weserübergang bis zum 15. Oktober. „Wir haben aber auch schon mal vier Wochen drangehängt“, freut sich Rainer Gehrke, dass der Radweg über das Wehr immer so gut frequentiert wird.
Stichwort Treppe: Maik Thalmann weiß, dass es für ältere Mitbürger oder Menschen mit Handicap manchmal schon recht schwierig sein kann, den Drahtesel die Stufen hinunter oder auch wieder rauf zu hieven. An einer Lösung für dieses Problem werde gearbeitet, technisch allerdings nur relativ schwierig umzusetzen.
„Nicht nur das Wehr, auch die Dörverdener Schleuse ist ein richtiges Schmankerl“, weist Thomas Rumpf auf einen weiteren touristischen Leckerbissen der Gemeinde hin. Übrigens: Neuerdings gibt es den Weser-Radweg auch als Anwendung fürs Smartphone. „Die App wurde schon über 3000 Mal heruntergeladen“, berichtet Sven Joskowiak von der Mittelweser-Touristik stolz. Natürlich werde auch die Alternativroute über das Dörverdener Wehr auf dem Display des Smartphones angezeigt. Da, wo die Wiggers aus Wienbergen einst mit ihren vielen Kindern übergesetzt haben.
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