
Da müssen die Passanten schon ein zweites Mal hinschauen. Wie kann es sein, dass Friseure im Corona-Lockdown eigentlich geschlossen sein müssten, in dem Salon dort vorne aber Licht brennt und junge Friseure sogar Menschen die Haare schneiden? Unverschämtheit, zumal sie selbst trotz mehrerer Nachfragen und ungezügelt wachsender Haare im Lockdown keinen Termin erhalten durften. Oder gar Schwarzarbeit in aller Öffentlichkeit? Marec Böhm, Friseurmeister und Inhaber eines Ladens an der Bremer Straße in Achim, kennt diese Vorurteile, die sogar dazu führen, dass die Kunden entscheiden, entsprechende Salons nicht mehr zu besuchen, wie er erfahren hat. „Das ärgert mich“, betont Böhm.
Und er steht mit diesem Problem nicht allein dar, denn auch andere Friseursalons werden derzeit mit Argusaugen beobachtet, wenn bei ihnen Licht brennt. Dabei steckt gar nichts Besonderes dahinter, denn die Auszubildenden trainieren für ihre Prüfungen, die zum Teil schon im März anstehen. Auch, wenn Friseure derzeit kein Geld verdienen dürfen, ausbilden dürfen und sollen sie. „Die Auszubildenden üben an Puppenköpfen, aber auch unter Einhaltung der Hygieneregeln an ihren Prüfungsmodellen“, erklärt Böhm – und das ist nicht nur bei ihm im Salon der Fall.
Marc Ringel, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands des niedersächsischen Friseurhandwerks, kennt die derzeit aufkommenden Vorwürfe gegenüber Friseuren nur zu gut und spricht sogar von „Shitstorms“, denen sich einige Salons in sozialen Netzwerken ausgesetzt sehen. „Dabei ist es erlaubt und das haben wir auch unseren Mitgliedern mitgeteilt“, erzählt er. Die Prüfungen hätten einen Sonderstatus und die zu prüfenden Friseure dürften ausschließlich an ihren menschlichen Prüfungsmodellen üben. Und zwar „das, wofür ein menschlicher Kopf zwingend erforderlich ist, um es trainieren zu können“. Denn nicht alles gehe mit einem Puppenkopf. Ringel kann sich denken, dass Trainingsstunden der Azubis in den Salons auf Beobachter befremdlich wirken könnten. Daher empfiehlt er den Inhabern, „während des Übungsbetriebs im Laden Infoschilder an die Tür und die Schaufenster zu hängen, dass drinnen die Azubis trainieren“.
Das hat beispielsweise der Achimer Salon von Simon Papazoglu bereits umgesetzt. „Ganz am Anfang hatten wir das noch nicht und die Leute sind einfach reingekommen. Dann haben wir während des Trainings die Tür abgeschlossen, dann standen aber Kunden vor der Tür und wunderten sich. Letztlich haben wir ein Schild aufgestellt, dass der Unterricht für die Azubis läuft – seitdem ist Ruhe“, schildert Gesellin Anne Gerdes. Wobei ihre Azubis derzeit nur an Puppenköpfen trainieren und das zweimal pro Woche. Beispielsweise sei eine Dauerwelle an einer Puppe sogar einfacher als am Menschen. „Die Puppe tut nichts, bewegt sich nicht, meckert nicht“, sagt Anne Gerdes und muss lachen. Weniger zu lachen ist die Situation, dass derzeit wegen der Pandemie Prüfungsmodelle schwer zu finden seien.
Aber wenigstens an den Puppenköpfen müssten die Azubis derzeit trainieren, um in Übung zu bleiben, wie Friseurmeister Marec Böhm anmerkt. „Vorher haben sie acht Stunden am Tag im Geschäft gearbeitet, nun fehlt ihnen die Praxis“, weiß er. Daher werde nicht nur im Laden trainiert, die Auszubildenden nehmen die Puppenköpfe auch mit nach Hause, „um fit zu sein und damit die Abläufe im Fluss sind“, wie Böhm es ausdrückt. Zumal es auch nicht in jedem Fall funktionieren würde, nur am menschlichen Prüfungsmodell zu üben: „Wenn man dem Modell nun zwei Zentimeter abschneidet, wachsen die Haare bis zur Prüfung ja nicht rechtzeitig wieder nach. Aber vielleicht wird genau dieser Schnitt dann gefordert“, unterstreicht er, weshalb das Training an den Gummiköpfen wichtig ist.
Weil inzwischen auch seine Mitarbeiter Rückmeldungen bekommen haben, dass der Vorwurf der Schwarzarbeit im Raum stehe, hat Böhm nun einen Hinweis aufs Azubi-Training angebracht. Zumal der Lockdown wirtschaftlich für die Friseure schon schlimm genug ist und es kein Salon riskieren könne, dass Kunden künftig fernbleiben, weil sie Schwarzarbeit und/oder ein Brechen der Corona-Regeln vermuten. „Momentan gibt es so viele Hürden, ausbleibende Hilfen und weiterlaufende Fixkosten“, zählt Böhm auf, dass seine Kollegen und er diese Unterstellungen nicht auch noch bräuchten.
Unterstützungsbitte an Landespolitik
Der Obermeister der Friseurinnung Osterholz-Verden, Simon Papazoglu, hat sich persönlich an den Landtagsabgeordneten Axel Miesner und an den Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion Adrian Mohr gewandt, um auf „die kritische Situation der Friseurbetriebe in unserer Region“ hinzuweisen. Die staatliche Unterstützung für die Betriebe fließe dabei zu schleppend. So werde der „Lockdown“ für viele Innungsbetriebe existenzgefährdend. Im Interesse des Handwerks regte Papazoglu an, bei weiter rückläufigen Infektionszahlen eine Öffnung von Meisterbetrieben mit Hygienekonzepten zu ermöglichen. Miesner und Mohr nahmen die Kritik auf und sagten zu, die Hinweise mit nach Hannover zu nehmen. Beide befürworten weiterhin angemessene Schutzmaßnahmen und Beschränkungen. Bei weiter rückläufiger Inzidenz und bei Impffortschritten sollten nach ihrer Ansicht die Friseure mit bei den ersten Lockerungsschritten dabei sein: „Geöffnete Friseursalons mit guten Hygienekonzepten sind besser und sicherer, als wenn sich zunehmend mehr Leute zu Hause ohne Hygieneregeln die Haare schneiden lassen.“
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Der Selbsttest ist damit deutlich günstiger als der Schnelltest in den Testzentren, Apotheken und Arztpraxen, hat aber eine ...