
Vor fünf Jahren, als Sie den Job als Integrationsbeauftragte bei der Gemeinde Oyten angetreten haben, war das Thema Integration bundesweit in aller Munde. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie ist es doch zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr in den Hintergrund gerückt. Was gibt es denn in der Gemeinde Oyten im Bereich Integration aktuell zu tun?
Christa Junge: Die rund 160 Geflüchteten, die den Kontakt zum Rathaus halten, kommen, um ihre offiziellen Angelegenheiten wie nötige Anträge auf den Weg zu bringen und sich vielseitig Unterstützung einzuholen. Dabei geht es auch um normale Dinge des Alltags, wie das Verständnis von Abrechnungen oder Termine für Ausweisverlängerungen, Arbeits- und Praktikumssuche und nicht zuletzt um die Wohnungssuche. Das ist eine Arbeit, die zum Teil auch noch vom Ehrenamt geleistet wird, aber das Ehrenamt hat sich nicht zuletzt auch coronabedingt stark zurücknehmen müssen. Und inhaltlich gehen die Anliegen der Geflüchteten auch darüber hinaus, was man als Laie leisten kann. Denn manche Anträge sind um gesetzeskonform zu sein so formuliert, dass sie auch von Deutschen oft nicht leicht verstanden werden.
Kommen denn aktuell auch noch neue Geflüchtete nach Oyten?Zurzeit eher wenige. Sie kommen wenn durch einen Umzug innerhalb Deutschlands nach Oyten. Was in den nächsten Monaten auf uns zukommen wird, das wissen aber noch nicht.
Wie viele von den von Ihnen angesprochenen rund 160 Geflüchteten in der Gemeinde leben noch in Sammelunterkünften?Derzeit sind es noch 19 Männer, die dort wohnen. Von den seinerzeit 13 Gemeinschaftsunterkünften haben wir nur noch fünf. Einige der Geflüchteten, die nach Oyten gekommen sind, sind inzwischen aber auch weggezogen, entweder berufsbedingt oder weil sie woanders eine Wohnung gefunden haben. Denn in Oyten ist der Wohnungsmangel erheblich.
Was die Integration der Neubürger auf dem Arbeitsmarkt angeht, hatte die Gemeinde Oyten früh für positive Schlagzeilen gesorgt. Hat sich dieser Trend fortgesetzt oder ist die Entwicklung eventuell auch durch die Corona-Pandemie ein bisschen gestoppt worden?Wir waren glücklicherweise schon vor der Pandemie sehr weit. Dadurch waren viele der Menschen im ersten Arbeitsmarkt schon gut integriert. Wir können nach wie vor sagen, dass etwa 85 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden sind. Dadurch geht es ihnen relativ gut. Wir sind schon sehr froh, dass viele dank ihrer Jobs gerade auch während der Pandemie nicht den ganzen Tag in ihrer kleinen Wohnung oder einer Sammelunterkunft verbringen müssen.
Bemerkenswert war auch der enorme ehrenamtliche Einsatz in Zeiten der Flüchtlingskrise. Wie beurteilen Sie diesen rückblickend?Wir als Gemeinde Oyten sind unglaublich dankbar für die ehrenamtliche Unterstützung in der ganzen Zeit. Nur dadurch haben wir so unglaublich viel anbieten können, zum Beispiel die Kleiderkammer, Fahrradkammer, die Sprachcafés in Oyten und Bassen, das Forum Kultur oder die Kochabende und der Verein Oyten-hilft hat sich gegründet. Das Angebot ist schon sehr umfangreich gewesen – und das für alle Altersgruppen.
Ein ganz wichtiger Baustein bei der Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache. Wie sieht es da bei den Neubürgern in der Gemeinde aus?Insgesamt sprechen 90 Prozent der Geflüchteten, die in Oyten leben, so viel Deutsch, dass sie sich im Alltag gut verständigen können. Aber in Corona-Zeiten konnten Deutschkurse nur noch mit Unterbrechungen oder gar nicht mehr angeboten werden. Unzureichend ist das Angebot für Frauen, die durch den Familiennachzug erst später kamen und teilweise bisher die Kurse nicht absolvieren konnten, auch weil etwa die Kinderbetreuung gewährleistet werden musste, wenn Kitas und Schulen geschlossen haben. Zudem kommt hinzu, dass die Förderung für Deutschkurse vom Land Niedersachsen nicht verlängert wurde. Das ist sehr schade, weil wir in Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule hervorragende Angebote dezentral anbieten konnten.
Das ist natürlich ärgerlich. Gab es denn sonst Ihrer Ansicht nach Dinge, die beim Thema Integration nicht so gut gelaufen ist?Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, bis auch die Zusammenarbeit der Ämter untereinander relativ gut funktionieren konnte. Und natürlich weiß man immer nie, ob es den ein oder anderen gegeben hat, der gerne mehr Hilfe gehabt hätte, sich aber nicht lautstark genug gemeldet hat.
Ein kurzer Blick in die Zukunft: Glauben Sie denn persönlich, dass in absehbarer Zeit der nächste Flüchtlingsstrom Deutschland und somit auch Oyten erreicht?Ja, was ist ein Flüchtlingsstrom? Ich glaube nicht, dass es sich in den nächsten 2-5 Jahren in diesem Umfang wie 2016 wiederholen wird, schon wegen der Pandemie. Aber eine bessere Zusammenarbeit in der EU zur Vermeidung dieser humanitären Katastrophen in den Flüchtlingslagern auf dem Gebiet der EU wäre unbedingt notwendig und bestimmt auch machbar.
Aber für den Fall wäre man bestimmt deutlich besser vorbereitet als vor einigen Jahren?Ja, sollte es dazu kommen, dann hat man einfach die Erfahrung und Strukturen geschaffen, die jetzt genutzt werden können.
Wie fällt Ihr persönliches Fazit von fünf Jahren Integrationsarbeit in Oyten aus?Dass so viele Geflüchtete so schnell die Sprache gelernt und so schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten, Kinder in den Schulen über die Sprachlernklassen leichter ankommen konnten, das hat es so früher nicht gegeben. In Oyten ist das besonders gut gelaufen, weil viele Beteiligte, an welcher Stelle auch immer, an einem Strang gezogen haben. Das hätten wir nie schaffen können, wenn diese Integrationsarbeit mit vielen gut vernetzten Beteiligten nicht geleistet worden wäre. Ich werde oft drauf angesprochen, dass man gar nicht merkt, dass so viele der Geflüchteten aus anderen Kulturkreisen noch da sind. Und das ist doch ein gutes Zeichen, dass sie gut unterwegs sind, und es hat sich gezeigt, dass Integration sich lohnt, für alle Seiten!
Das Interview führte Marius Merle.Christa Junge (58)
ist seit Februar 2016 Integrationsbeauftragte bei der Gemeinde Oyten. Zunächst handelte es sich um eine 39-Stunden-Stelle, seit einem Jahr ist die Tätigkeit auf ein Volumen von 32 Arbeitsstunden die Woche reduziert. Junge wohnt in Bassen und ist dort Vorsitzende des Dorfgemeinschaftsvereins Blocks Huus.
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