
LandkBesonders in schweren Zeiten suchen die Menschen Trost in der Kirche: Beten und singen hilft gegen die Angst. Doch Corona hat selbst das unmöglich gemacht. Die drei hauptamtlichen Musiker des Kirchenkreises, Kirchenmusikdirektor Tillmann Benfer, Kreiskantorin Regine Popp und Popkantor Micha Keding, haben ihren Gemeinden am Epiphanias-Sonntag einen besonderen Mutmacher gesandt. Eine digital zusammengesetzte, vielstimmige Version des Chorals „Jesus ist kommen“ zeigt die drei Musiker mit ihren verschiedenen Instrumenten.
Im Internet kann dieser musikalische Gruß jetzt angehört werden. Auch auf der Homepage des Kirchenkreises ist er zu finden, und die drei Musiker planen eine ähnliche Aktion zu Ostern, an der auch noch weitere Musiker teilnehmen sollen. Denn Lebenszeichen geben, Kontakt halten und Mut machen, das sind derzeit wohl die wichtigsten drei Gebote des Kirchenlebens.
Im März 2020 bremste die Pandemie Micha Keding aus. „Da hatte ich gerade mit vollem Elan losgelegt“, erzählt der neue Popkantor des Kirchenkreises Verden, dessen Ziel es ist, die bunte Szene der Chöre und Bands in den Kirchengemeinden des Landkreises zu vernetzen und die Chöre mit Schulungen, frischem Notenmaterial und Chorprojekten zu unterstützen – in dieser Zeit keine einfache Aufgabe.
Zurzeit liefert der Popkantor regelmäßig musikalische Beiträge für den „Abendchoral“ in St. Laurentius in Achim und begleitet auch die übrigen Gottesdienste anstelle des Gemeindegesangs. „Das sind meist Jazz- und Popbearbeitungen von Chorälen“, erklärt er. „Und am Heiligabend wurde in Kirchlinteln der Gottesdienst in eine große Fahrzeughalle verlegt, den ich mit dem E-Piano begleitet habe.“
Heiligabend war natürlich für alle Verdener Kirchenmusiker ein besonderes Thema. Das ist der Tag, an dem sonst alle Kirchen mehrmals brechend voll sind, und an dem alle Menschen singen wollen. In St. Nikolai, wo Sandra Bysäth für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste verantwortlich zeichnet, gab es an diesem Abend einen Wandelgottesdienst, und die „musikalische Station“ wurde zum schönen Ersatz für weihnachtliche Singfreude. In St. Johannes wurden die Gottesdienste ins Freie verlegt, und Johannischor-Leiterin Christiane Artisi sowie einige ihrer Chormitglieder sorgten für warme Herzen in der unwirtlichen Kälte. Bis zum Lockdown hatte sie die Gottesdienste zum Teil mit kleinen Gruppen von Chorsängern begleitet; die Gemeindechoräle sang sie solo von der Empore. Beim offenen Singen am 1. Advent durfte die Gemeinde draußen mitsummen – mittlerweile ist in St. Johannis davon keine Rede mehr. Dasselbe gilt für die Nikolaigemeinde. Mit Pastor Holger Herrmann hat Sandra Bysäth deshalb eine virtuelle Andacht gestaltet, die jeder Interessierte auf der Homepage besuchen kann.
„Orgel geht natürlich immer“, freut sich Verdens Domkantor Benfer, der nach wie vor regelmäßig gefragt ist: Da der Dom groß genug ist, ist die Gemeinde sonntags zu den sogenannten Wolldeckengottesdiensten eingeladen, denn beheizt wird das Gotteshaus derzeit nicht. „Das ist für viele Menschen sehr wichtig, dass das geistliche Leben hier weiterläuft“, weiß Benfer. „Alle, die herkommen, sind dankbar für diese Möglichkeit.“ Auch die Musik spiele dabei eine noch wichtigere Rolle als sonst: „Ich habe das Gefühl, dass das, was man beitragen kann, derzeit noch viel intensiver wahrgenommen wird.“
Gerade wurde das für April geplante Konzert mit dem Bremer Jugendsinfonieorchester gecancelt. „Wegen der besonders komplizierten Domakustik ist es nicht möglich, die Musiker mit drei Meter Abstand zu platzieren – selbst wenn das Konzert dann unter Corona-Auflagen stattfinden dürfte.“
Und mit Vokalmusik sei es noch viel schwieriger, sagt Benfer, dessen Domchor seit März Pause machen muss. "Wir hatten im Spätsommer zwar ein paar Proben im Freien, die aber zu nichts geführt haben", erzählt er. "Jede Chorarbeit braucht ja ein Ziel, das die Sänger motiviert." Auch sei es mit großen Abständen zwar möglich, zusammen zu singen, nicht jedoch, aufeinander zu hören und konzentriert zu proben. "Auch im Posaunenchor heißt es tacet ", so Benfer. Zu kompliziert, zu aufwändig wären digitale Proben, und in seiner Stube zu stehen und ins Mikrofon zu blasen, das ist es eben nicht, was Chormusik ausmacht." Klar sei man digital vernetzt, aber eher zum Austauschen und Kontakthalten.
Für Sandra Bysäth dagegen ist die digitale musikalische Kommunikation eine tolle Möglichkeit, die sie so oft wie möglich nutzt, und sie hat sich die dazu nötigen technischen Fertigkeiten autodidaktisch „draufgeschafft“. Auch Micha Keding ist viel virtuell unterwegs, etwa mit dem Sing To Hope Choir, der den ganzen Nordkirchen-Bezirk zwischen Hamburg und Hannover mit Online-Chorangeboten versorgt. Doch nun sehnen sich die Kirchenmusiker danach, endlich wieder mit ihren Ensembles zu arbeiten. Sie haben Ideen entwickelt, an neuen Konzepten gebastelt, die Zeit nicht ungenutzt gelassen.
Christiane Artisi, deren Proben mit dem Kinder- und Jugendchor bis jetzt nur über Zoom und Whatsapp liefen, hat gerade erfahren, dass erste Lockerungen anstehen: Ab dem 8. Februar darf der Jugendchor wieder in kleinen Gruppen für gottesdienstliche Zwecke proben. Sie ist in den Startlöchern und spürt auch in ihren Chören jetzt einen besonderen Elan: „Es muss nur endlich wieder losgehen dürfen.“
Auch Tillmann Benfer nimmt wahr, dass die Sehnsucht nach Musik bei den Menschen immer größer wird. „Das wird dann ein Stück Neuanfang werden, und darin liegt, optimistisch gesehen, auch eine Chance.“
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