
Mit ein bisschen Abstand, am Tag danach, wurde Wilfried Hirschmann erst so richtig bewusst, was da eigentlich am Donnerstag in Achim wegen seiner Person in Gang geraten war. Wie berichtet, hatte ein Bürger einen Umschlag mit einer zunächst unbekannten Substanz bei der Polizei abgegeben, weshalb zwei Menschen in Kontakt mit dem Pulver kamen, die Wache geräumt und die Obernstraße wegen des großen Gefahrguteinsatzes stundenlang voll gesperrt werden musste. Nun, dieser Bürger ist Wilfried Hirschmann, zugleich Vorsitzender des Achimer Ortsvereins der SPD. An die war der handschriftlich adressierte Umschlag gerichtet, den Hirschmann am Mittwochabend in seinem privaten Briefkasten gefunden hatte.
„Letztlich bin ich froh, dass alles so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist“, sagte er am Freitagmorgen. Erst jetzt sei ihm bewusst, dass ihm womöglich jemand nach dem Leben hätten trachten können. Auch wenn die Experten des Landeskriminalamtes das ominöse Pulver letztlich als „haushaltsähnlich“ und ungefährlich eingestuft haben, bleibt der SPD-Chef mit einem komischen Gefühl zurück. „Ein großes Dankeschön an Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, dass alle so gehandelt haben – das war richtig“, sagte er.
Noch am Donnerstagabend, als sich die Aufregung in Achim und die Folgen der Vollsperrung der Obernstraße vor dem Polizeikommissariat längst gelegt hatten, hatte Wilfried Hirschmann nach einem mehrstündigen Aufenthalt in der Aller-Weser-Klinik unserer Zeitung gesagt, dass er zunächst an einen Scherz geglaubt habe. „Nach dem Öffnen des Briefes habe ich gedacht, welcher Blödmann so etwas wohl macht“, erzählte er. Denn als er den Umschlag leicht geöffnet hatte, wurde er zunächst stutzig: „Ein Schriftstück befand sich nämlich nicht darin.“ Also riss er das Kuvert weiter auf, bis ihm das bräunliche Pulver darin auffiel sowie ein „pfefferähnlicher“ Geruch, der in seine Nase stieg. „Ich habe sofort die Terrassentür geöffnet und den Umschlag nach draußen gelegt“, schilderte Wilfried Hirschmann seine Reaktion.
Ihm kam nun der Gedanke, dass es sich nicht nur um einen Scherz, sondern um Kritik an der SPD handeln könne. „Man kann ja politisch anderer Meinung sein, aber diese Form ist natürlich zu verurteilen“, sagt Hirschmann. Die Polizei hat inzwischen jedenfalls ein Verfahren wegen des Verdachts der „Störung des öffentlichen Friedens“ eingeleitet. Die Motivation des unbekannten Täters ist unklar. Die Ermittlungen führt jedenfalls der polizeiliche Staatsschutz. Er muss nun auch klären, ob Zusammenhänge zu anderen Fällen im Landkreis Verden bestehen, bei denen – zumeist weißes – Pulver in Briefumschlägen aufgetaucht war, etwa im September 2019 in einem Wohngebiet in Dauelsen sowie 2018 bei der Kreisverwaltung und der Sparkasse. Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen dem unbekannten Täter hohe Kosten für den Einsatz.
Nach Rücksprache mit Parteifreunden entschloss sich Wilfried Hirschmann, den Umschlag „in Zewa-Tücher gewickelt“ am nächsten Morgen zur Achimer Polizei zu bringen – ohne sich oder seine Fracht anzukündigen. „Da auch der Wachhabende nicht ausschließen konnte, dass von dem unbekannten Stoff eine Gefahr ausgeht, musste die Schleuse der Polizeiwache geräumt und gesperrt werden“, erklärte die Polizei dazu. Sie hätte es deutlich lieber gesehen, wie sie am Freitag auf Nachfrage ausführte, wenn der Umschlag bei Hirschmann geblieben wäre. „Grundsätzlich sollten Feuerwehr und Polizei telefonisch alarmiert werden. Die Einsatzkräfte kommen dann zum Ort des Empfängers. Dies hat den wichtigen Vorteil, dass die Anzahl weiterer möglicher kontaminierter Personen und Orte nicht anwächst.“
Diese Gedanken hatte sich Hirschmann in seiner Aufregung nicht gemacht. „Ich bin einfach da hin und habe den Umschlag vorgezeigt“, sagte er. Nachdem er auf der Wache mit dem Pulver vorstellig geworden war und sie geräumt wurde, musste er knapp anderthalb Stunden in seinem Auto warten. „Ich durfte nicht raus“, erzählte der SPD-Mann. Dann musste er seine Kleidung ablegen und seine persönlichen Gegenstände abgeben, auf dem Revier duschen und von der Polizei gestellte Klamotten anziehen. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und dort von Kopf bis Fuß untersucht. „Gott sei Dank bin ich gesund im Augenblick“, sagte Wilfried Hirschmann am Abend, nachdem er wieder daheim war. In Zukunft will er Briefe genauer angucken, bevor er sie öffnet.
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