
Wir hatten in diesem Jahr einen ungewöhnlich heißen und trockenen Sommer. Trotzdem gibt es nach wie vor Menschen, wie beispielsweise auch der amerikanische Präsident Donald Trump, die bestreiten, dass es die Erderwärmung und den Klimawandel gibt. Wie stehen Sie als Kreisbrandmeister zu solchen Theorien?
Hans-Hermann Fehling: Nun bin ich ja kein Präsident, sondern nur Kreisbrandmeister, aber ich sehe das ganz anders. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich schließlich auch bei den Feuerwehren bemerkbar. Im vergangenen Jahr hatten wir beispielsweise einen sehr nassen Sommer, in diesem Jahr nun eben einen sehr heißen. Ich denke schon, dass da was aus dem Gleichgewicht geraten ist.
In diesem Sommer gab es ja tatsächlich fast täglich Meldungen über Flächenbrände im Landkreis Verden.
Die Hitzeperiode hat uns wirklich richtig Arbeit verschafft. Manchmal kam es sogar mehrmals am Tag zu Flächen- oder Getreidefeldbränden. Das war wesentlich mehr als in den Vorjahren.
Gibt es Zahlen, die das belegen?
Die Zahl der Brandeinsätze lag in diesem Jahr bis Mitte Dezember bei 608. Das ist für den Landkreis Verden ziemlich viel. Hinzu kommen noch 532 technische Hilfeleistungen. Normalerweise ist das Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel, aber in diesem Jahr sind es durch den heißen Sommer natürlich wesentlich mehr Brandeinsätze. Sonst haben wir im Schnitt immer zwischen 300 und 400 solcher Einsätze.
Ist diese gestiegene Zahl an Einsätzen ein Problem für die Feuerwehren hier vor Ort?
Das Problem ist, dass die Feuerwehrleute alle ehrenamtlich tätig sind. Immer wenn der Alarm losgeht, laufen sie von der Arbeit weg und gehen in den Feuerwehreinsatz. Da ist es schon belastend für die Feuerwehrleute aber auch für die Arbeitgeber, die Einsätze nebenbei in dieser hohen Anzahl abwickeln zu können.
Kann man das Pensum auf Dauer überhaupt noch auf freiwilliger Basis leisten?
Es ist stellenweise grenzwertig. Unsere Feuerwehren sind strukturiert nach kleinen Ortsfeuerwehren, Stützpunkt- und Schwerpunktfeuerwehren. Unser Alarmsystem ist so aufgebaut, dass wenn ein Alarm im Bereich einer Ortsfeuerwehr eingeht, immer noch eine andere Wehr hinzukommt – teilweise sogar zwei – um die nötige Einsatzstärke überhaupt erreichen zu können. Da könnte es langfristig zu Engpässen kommen, sodass man vielleicht den Alarm- und Einsatzkreis noch größer ziehen muss, um genügend Leute vor Ort zu haben.
Zusätzlich zu den Einsätzen im Landkreis kommen ja manchmal auch größere Einsätze außerhalb hinzu. Im Sommer beispielsweise der Moorbrand im Meppen.
Der Einsatz in Meppen war der Horror schlechthin. Aber generell ist das natürlich eine Mehrbelastung. Unser Katastrophenschutzsystem in Niedersachsen ist so aufgebaut, dass die Landkreise Katastrophenschutzeinheiten unterhalten. Wir ziehen dann also aus verschiedenen Feuerwehren je nach Funktion und Spezifikation die Einsatzkräfte zusammen und fahren zu solchen Einsätzen. Es wird für uns eben nicht nur vor Ort immer mehr, sondern auch überregional. Wenn das so weitergeht, sind irgendwann Schmerzgrenzen erreicht.
Wie stellt man in so einer Zeit überhaupt sicher, dass hier vor Ort nach wie vor genügend Einsatzkräfte vorhanden sind?
Das ist auch eine Aufgabe für den Kreisbrandmeister. Es wird mit den Städten und Gemeinden zusammen abgestimmt, welche Fahrzeuge mit welchen Einsatzkräften wir für eine gewisse Zeit rausziehen können, damit der Grundschutz weiterhin gewährleistet ist.
Wird es für die Feuerwehren personell auf lange Sicht knapp?
Wir haben im Landkreis Verden aktuell 2481 aktive Feuerwehrfrauen und -männer. Und die brauchen wir auch, um das System 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Laufen zu halten. Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir im Landkreis auch 43 Jugendfeuerwehren mit ungefähr 700 Jugendlichen und auch noch die Kinderfeuerwehren haben. Im Landkreis Verden sind wir hier sehr gut aufgestellt – auch was den Altersdurchschnitt angeht. Da brauche ich mir die nächsten zehn bis 20 Jahren keine Gedanken zu machen. Wir haben im letzten Jahr beispielsweise 56 Jugendliche in die Einsatzfeuerwehr übernommen. Das ist schon ganz schön viel. Und auch die Kinderfeuerwehren boomen momentan im Landkreis Verden. Wir können im Prinzip gar nicht genug Kinderfeuerwehren gründen, in denen die Kinder dann auch entsprechend betreut werden.
Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Arbeit für die Einsatzkräfte ja nicht leichter wird. Es gibt zum Beispiel immer wieder Berichte, dass sie bei ihren Einsätzen behindert oder gar beschimpft werden. Gibt es solche Entwicklungen auch im Landkreis Verden?
Es ist eine schreckliche Entwicklung, die nicht nur hier, sondern landes- und bundesweit zu erkennen ist. Es gibt vermehrt Bürger, die zum Beispiel eine Sperrung nicht hinnehmen wollen und dann die Einsatzkräfte der Feuerwehr, des Rettungsdienstes oder der Polizei beschimpfen und zum Teil sogar angehen. Und diese Entwicklung merken wir auch hier vor Ort – speziell wenn beispielsweise für einen Einsatz eine Straße gesperrt werden muss. Hier im ländlichen Raum ist es glücklicherweise nicht so schlimm wie in den Städten. Hier ist ein Großteil der Leute noch froh, wenn der Rettungswagen und die Feuerwehr kommen und helfen. Aber wir merken diese Tendenzen auch.
Führt so etwas auch zur Frustration bei den Einsatzkräften?
Genau das merken wir. Das Brandschutzsystem im Landkreis Verden wird nur durch Ehrenamtliche sichergestellt und das wissen viele nach wie vor nicht. Die Einsatzkräfte investieren sehr viel Zeit auch in die Ausbildung, um dann zum richtigen Zeitpunkt alles entsprechend abrufen zu können. Aber der Respekt vor dem Ehrenamt nimmt ab. Mein Job als Kreisbrandmeister ist es immer motivierend voranzugehen. Aber manchmal, da bin ich ehrlich, resigniere ich auch ein bisschen. Ich habe aber nichtsdestotrotz noch genügend Ideen und Projekte, die ich mit den Feuerwehren gerne noch umsetzen möchte.
Zum Beispiel?
Ein großes Projekt wird die Fahrschulausbildung beziehungsweise das Fahrsicherheitstraining unter Einsatzbedingungen sein. Wir haben nämlich immer wieder Unfälle mit Einsatzfahrzeugen. Und auch bei der Jugendförderung muss man kontinuierlich am Ball bleiben.
Sind die Feuerwehren hier im Landkreis aus ihrer Sicht gut gerüstet für die Zukunft?
Grundsätzlich sind die Feuerwehren im Landkreis Verden sehr gut aufgestellt. Als Dienstaufsicht gibt es eigentlich nichts zu meckern. Sicherlich werden die Feuerwehrautos immer größer und komplexer und die Feuerwehrhäuser aus den 1950er-Jahren reichen dafür nicht mehr aus. Da muss über kurz oder lang nachgebessert werden. Aber dafür gibt es Bedarfspläne in den Städten und Gemeinden, die auch kontinuierlich umgesetzt werden.
Das Gespräch führte Elina Hoepken
Hans-Hermann Fehling ist seit 26 Jahren Kreisbrandmeister in Verden. Der 59-Jährige ist damit der dienstälteste in ganz Niedersachsen. Bereits seit seinem 16. Lebensjahr ist Fehling in der Feuerwehr. Seine nun fünfte Amtszeit als Kreisbrandmeister endet im Jahr 2022.
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