
Das war ein Konzertereignis, das sich ebenso gut in der Carnegie-Hall, in der Pariser Seine Musicale oder der Elbphilharmonie hätte abspielen können: Kein Geringerer als Igor Levit gastierte im Rahmen der Niedersächsischen Musiktage im Achimer Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasium. In Andrew Manze, seit 2014 Chefdirigent der NDR-Radiophilharmonie, fand der junge Virtuose, der bereits heute als „Jahrhundertpianist“ gefeiert wird, einen kongenialen Partner.
Das Musikfestival der Sparkassen-Stiftung steht in diesem Jahr unter dem Motto „Beziehungen“. Gleich dreifach war es an diesem Abend eingelöst: Zum einen durch die eindrucksvolle Gegenüberstellung von Mozarts Konzert Nr. 9 in Es-Dur und Beethovens Konzert Nr. 1 in C-Dur, zum zweiten durch das inspirierte und hochsensible Zusammenwirken der NDR-Radiophilharmonie und ihrem Dirigenten Andrew Manze mit dem jungen Meister – und schließlich durch die sympathische, absolut natürliche Ausstrahlung, mit der Levit ebenso für sich einnahm wie durch sein grandioses Spiel: Mit offenen, verschmitzten und interessierten Blicken kommunizierte er mit seinem Publikum, das sich dadurch, wie man in der Pause hörte, wirklich wahrgenommen fühlte.
Zur würdigen Eröffnung für das musikalische „Gipfeltreffen“ wurde Mozarts Don-Giovanni-Ouvertüre – eine gute Wahl der scheidenden Musiktage-Intendantin Katrin Zagrosek, die nun den Stab an ihren Nachfolger Anselm Cybinski übergeben hat. Spritzig und leidenschaftlich umgesetzt, wies diese Musik mit ihrer Magie, ihrer Vielschichtigkeit und dramatischen Klangwucht den Weg, den die Musik nach Mozart gehen sollte – und der direkt zu Beethoven führt.
Als unerhört galt Mozarts Kunstgriff, im letzten seiner Salzburger Konzerte das Piano gleich nach dem ersten Orchester-Takt einsetzen zu lassen. Igor Levits Spiel war gleichsam aus demselben Holz geschnitzt, innovativ, frisch und berstend von Lebendigkeit. Zart und sensibel ließ er seine Läufe perlen und aufblitzen wie eine Kette lupenreiner Diamanten; setzte seine unbekümmerten Akzente in Trillern und Hüpfern, dass das Herz im Leib lachte. Scheinbar ganz mühelos verlieh er seiner hochvirtuosen Kadenz funkelnden Esprit.
Sehr ähnlich gelagert schienen die Temperamente Levits und Manzes, der sein Ensemble mit weit ausholenden Bewegungen und faszinierender Impulsivität wie ein Magier am Faden führte. Gerade dieses Aufspringende, Ungebärdige erwies sich als ideal für Mozarts so reifes und erstaunliches Frühwerk.
Umso bewegender war das Andantino, dessen seufzendes Streichermotiv plastisch ausgeformt war. Nun zeigte Levit die Stärke seines lyrischen Elements, ließ den Flügel seine Klage singen, dass man reinste Romantik vernahm. Mit größter Empfindsamkeit entspann sich die innige Beziehung zwischen Solist und Orchester, die in einer Kadenz von philosophischer Tiefe gipfelte.
Ohne Atempause folgte das aufbrausende Presto von äußerster Virtuosität: Federleicht bewältigte er rasante Läufe, eine ganze Fülle brillant gearbeiteter Details – spannend, oft überraschend, immer faszinierend. Das liebevoll ausgestaltete Menuett wurde beinahe zum eigenen kostbaren Werk im Werk, ehe eine kühne Dauertriller-Kapriole wieder zum Presto überleitete. Mit enthusiastischem Beifall und Bravo-Chören endete der erste Teil.
Die mit Farbkraft und Glanz gestaltete Orchestereinleitung zum 1. Klavierkonzert in C-Dur, das chronologisch eigentlich Beethovens zweites ist, machte deutlich, dass er hier dem Piano erstmals einen sinfonisch konsequent durchgearbeiteten Orchestersatz gegenüber stellt. In klug inszeniertem dynamischen Aufbau blieben Solist und Orchester zuerst zurückhaltend, sodass viel Spielraum für den gewaltigen Höhepunkt des Satzes vor der Kadenz blieb. Nun konnte Levit seine volle Meisterschaft entfalten und verband „beethövlichen“ Tonfall mit virtuoser Brillanz, persönlichen Esprit mit künstlerischer Ernsthaftigkeit.
Das Largo war ein intimes Zwiegespräch, in dem Solist und Orchester sich innig aufeinander bezogen, ihre Tiefen ausloteten, sich gegenseitig erleuchteten: Welch eine Kunst, in derart langsamem Tempo solche Spannung zu erzeugen!
Aus dem herrlichen Duo von Piano und Oboe, mit dem der Satz wie ein zarter Traum ausklang, weckte der rasante Auftakt des Finales mit seiner stampfenden Tanzmelodie. Solist und Orchester hielten die perfekte Balance zwischen überbordender Energie und zarter Poesie. Eine kurze Kadenz voller Raffinesse, ein letzter aufregender Dialog zwischen Klavier und Orchester, und dann konnte sich die Begeisterung des Publikums Bahn brechen. Mit stehenden Ovationen, nicht enden wollenden Bravorufen und Schostakowitschs „Polka“ als kapriziösem Abschiedsgruß des Solisten endete ein kostbarer Abend, für den nicht nur den Musikern, sondern auch den Organisatoren großer Dank gebührt.
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