
Für immer mehr Menschen gehört zum Alltag auch ein langer Weg zum Arbeitsplatz. Im Landkreis Verden gibt es aktuell rund 26 000 Berufspendler – 27 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) schlägt nun Alarm. „Eine wachsende Zahl von Menschen kann sich die hohen Mieten und Immobilienpreise in der Stadt nicht mehr leisten. Aber genau dort sind in den letzten Jahren besonders viele Jobs entstanden“, mahnt Inge Bogatzki, Bezirksvorsitzende der IG Bau für den Großraum Bremen. Die Gewerkschaft beruft sich bei den Zahlen auf eine aktuelle Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung.
Von den 54 091 Arbeitnehmern mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verlässt auf dem Weg zur Arbeit fast jeder zweite den Landkreis Verden. Die bei weitem meisten „Auspendler“ fahren regelmäßig nach Bremen. Laut Bundesagentur für Arbeit waren es im Juni vergangenen Jahres 15 603 Berufstätige. In den Landkreis Rotenburg fahren 2077 Arbeitnehmer, nach Diepholz 1713.
Um zu verstehen, wie viele Menschen vom Pendeln zum Arbeitsplatz betroffen sind, ist noch eine zweite Zahl interessant. Denn wer zum Beispiel täglich von Dörverden nach Achim fahren muss – immerhin 30 Kilometer – zählt nicht zu den rund 26 000 Berufspendlern, die ihren Landkreis verlassen. Die Zahl derer, die auf dem Weg zur Arbeit ihre Kommune verlassen, ist noch deutlich höher. Sie liegt laut IG Bau bei rund 40 000 Menschen. Auch diese Pendlerzahl ist seit dem Jahr 2000 deutlich angestiegen – um 23 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass im Landkreis Verden lediglich rund 14 000 Arbeitnehmer in derselben Gemeinde oder Stadt arbeiten, in der sie auch wohnen.
Laut Bogatzki von der IG Bau sei es für viele Pendler inzwischen gang und gäbe, mehr als 50 Kilometer zum Arbeitsplatz zurückzulegen. „Dabei geht nicht nur wertvolle Zeit für Familie, Freunde und Hobbys verloren. Auch die Umwelt leidet unter der Fahrerei“, argumentiert die Gewerkschafterin.
Die IG Bau fordert von der öffentlichen Hand, verstärkt in den Wohnungsbau zu investieren, sodass Pendler eine bezahlbare Wohnung in direkter Nähe zum Arbeitsplatz finden können. Aber auch die Arbeitgeber könnten mit Gleitzeit oder Home-Office etwas gegen den „Pendel-Frust“ tun. Unverzichtbar seien zudem Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. „Vor allem beim Schienen-, Straßen- und Radwegenetz ist der Nachholbedarf groß“, kritisiert Bogatzki.
Insbesondere in puncto Radwege stößt die Gewerkschaft beim Landkreis Verden auf offene Ohren. „Inzwischen haben Studien belegt, dass mit elektrischen Fahrrädern größere Strecken zurückgelegt werden“, sagt Karin Vesper, Chef-Planerin des Kreises. Sie hofft deshalb, dass Berufspendler in Zukunft immer öfter auf das Rad steigen. Der Landkreis will laut Vesper das Netz der Radwege ausbauen. „Derzeit haben noch nicht alle Kreisstraßen einen Fahrradweg“, erklärt Vesper. Um das Radeln in die Nachbargemeinde attraktiv zu machen, müsse man hier investieren. Als Beispiel nennt Vesper den Bau der Aller-Radbrücke, die Anfang Oktober eröffnet wurde. Entlang der bereits bestehenden Eisenbahnbrücke können Radler aus Richtung Dörverden dort nun deutlich bequemer die Stadt Verden erreichen.
„Und wenn es Winter wird, sollen die Fahrradfahrer natürlich am besten auf Bahn und Bus umsteigen“, betont Vesper. Damit dies gelingt, versuche der Landkreis als Teil des Zweckverbands Verkehrsverbund Bremen/ Niedersachsen (ZVBN) insbesondere die Gewerbegebiete besser an das öffentliche Nahverkehrsnetz anzubinden. In Verden sei dies laut Vesper bereits gelungen, dort werde eine vor etwa sieben Jahren eingerichtete Buslinie gut angenommen. „Bevor eine neue Linie zum festen Teil des Streckennetzes wird, gibt es einen Testbetrieb von zwei bis drei Jahren“, erklärt Vesper. Auch in Achim gibt es konkrete Überlegungen, das Busnetz auszuweiten. Laut Vesper plane der Landkreis derzeit gemeinsam mit der Stadt eine neue Linie für das Gewerbegebiet Uesen/Baden. Hintergrund ist auch die mögliche Ansiedlung Amazons auf dem Uesener Feld. Bisher ist es aber noch nicht sicher, ob die Linie tatsächlich kommt.
Trotz der Investitionen in Radwege und den öffentlichen Nahverkehr bleibt das Auto das meistgenutzte Verkehrsmittel. Dies zeigt der Verbundbericht 2018/2019 des Verkehrsverbunds Bremen/Niedersachsen (VBN). Demnach wird das Auto im VBN-Gebiet, also inklusive Bremens, für 54 Prozent aller Wege genutzt. Im Jahr 2002 waren es demnach noch 56 Prozent, das Auto war damals also noch etwas beliebter. Der VBN konstatiert aber auch: „Im ländlichen Raum spielt der Pkw weiterhin eine dominierende Rolle, 66 Prozent der Wege werden dort mit dem Auto zurückgelegt, nur sechs Prozent mit Bus und Bahn.“ Die Zahlen beziehen sich auf die Mobilität insgesamt, also nicht explizit auf Berufspendler. Trotzdem ist die Studie ein Indiz dafür, dass auch Pendler nach wie vor am liebsten in ein Auto steigen.
Um das Verkehrsaufkommen und die Umweltbelastung zu reduzieren, will der Landkreis Pendler dazu motivieren, Fahrgemeinschaften zu gründen. Im Jahr 2007 ging ein Pendlerportal online, auf dem sich Fahrer und Mitfahrer finden sollten. Doch aktuell wirkt die Seite verwaist, der Zähler für die vermittelten Einzelfahrten pro Monat zeigt die Zahl null. „Ich denke, dass Apps für Smartphones beliebter sind. Viele Fahrgemeinschaften entstehen auch direkt am Arbeitsplatz“, sagt Vesper.
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