Borgfeld. Eigentlich ist es eine ungünstige Zeit für ein gemütliches Gespräch. Denn in dem Borgfelder Haus herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Es ist die Zeit, in der die Flöten vom Spielmannszug Lilienthal ebenso wie die der Münchner Philharmoniker zur Jahresüberholung auf der Werkbank des Holzblasinstrumentenmachers Achim Kopitzki und seines Teams liegen. Nur während der Sommerferien können Schulen und Orchester auf ihre Instrumente verzichten. Und deshalb ist dies bei „Holzblasinstrumentenbau Werner Fischer Kopitzki“ in Borgfeld die Zeit der Reparaturen, nicht des Neubaus.
Bei Achim Kopitzki dreht sich alles um Klang und dessen Schönheit. Darum mutet es nur normal an, wenn der Inhaber im Vorübergehen zwei Hölzer aufeinander schlägt und leise ihrem Klang nachspürt. „Das ist unser Holzlager“, sagt der Borgfelder Istrumentenmacher und zeigt auf ein kleines an der Wand hängendes Regal mit Rohlingen jeder Farbschattierung. In ihm liegen kleine Kostbarkeiten mit klingenden Namen wie Rosen- oder Veilchenholz. Als einziges einheimisches Holz ruht Buchsbaum zwischen den Tropenhölzern, die teilweise unter das Washingtoner-Artenschutzübereinkommen fallen. Aus diesem Grund muss jedes Instrument, das aus Borgfeld in Nicht-EU-Länder reist, zertifiziert sein. Ein nicht ganz unerheblicher bürokratischer Aufwand, wie Kopitzki zugibt, aber mittlerweile Alltag.
Exakte Arbeit aus Borgfeld
Dann streift der Borgfelder Fachmann mit der Hand über die Passungen für Flöten, auf denen die Namen teils berühmter Musiker vermerkt sind. Diese gehen hier ein und aus. Oder vielmehr ihre Flöten. Aus allen Teilen der Welt reisen die Instrumente per Post zur Jahresüberholung nach Borgfeld. Rund 80 Prozent seiner Kundschaft kennt Achim Kopitzki nur per Telefon, und jede Woche verlassen etwa 40 Pakete den Betrieb. Mit internationalen Paketdiensten erreichen die reparaturbedürftigen Instrumente innerhalb von zwei Tagen Borgfeld und sind genauso zügig wieder beim Absender zurück. „Die Musiker verlassen sich auf uns.“ Aus seiner Zeit als Entwicklungshelfer in Sachen Instrumentenreparatur resultieren Kopitzkis Kontakte nach Südamerika. Doch auch Niederlande, Spanien und Polen stehen in der Versandliste, denn alleine von Bremen mit seinen zwei Orchestern könnte das Borgfelder Unternehmen nicht existieren.
Eine Drehbank von 1956 und eine Kopierbank von 1936 sind die einzigen Maschinen in der Werkstatt. „Alles andere machen wir in Handarbeit“, sagt der Holzblasinstrumentenmacher-Meister. Man müsse immer sehr gute Arbeit abliefern, so die Firmenphilosophie des Firmen-Inhabers, damit die Musiker auch wiederkommen. Nach der sommerlichen Jahresüberholung müssen die Instrumente ein Jahr lang funktionieren. Die Vorstellung, dass bei einer Live-Übertragung der Berliner Philharmoniker eine Flöte kaputt geht, kommt in Kopitzkis Welt nicht vor. Denn nicht nur die Musiker verlangen exakte Arbeit, auch der Firmenchef und sein Team fordern dies von sich.
Ohne Affinität zur Musik könne man den Beruf nicht ausüben. „Virtuose aber muss man nicht sein“, schränkt Achim Kopitzki ein. Zwei seiner Mitarbeiter haben auf der Hochschule „Instrument“ studiert. Der Beruf sei sehr vielfältig, sagt er, denn man habe mit Holz, Stahl, Silber und Gold für den Klangkörper ebenso wie mit Häuten und Filzen für die Dichtungen zu tun. Und dann müsse man das Instrument auch spielen können, gewisse musikalische Grundfertigkeiten besitzen und das richtige Gehör. Außerdem gehören die Fähigkeiten eines Psychologen dazu, um auf die Musiker eingehen zu können. Mit der Aussage eines Musikers, ein Schostakowitsch-Konzert spielen zu wollen, kann Kopitzki etwas anfangen. Ohne viele Worte weiß er dann, was am Instrument zu tun ist.
Kaum Laufkundschaft
Als Achim Kopitzki 1978 seine Meisterprüfung abgelegt hat, gab es den Beruf des Holzblasinstrumentenmachers vergleichsweise selten. 1985 übernahm er von Gründer Werner Fischer, der in Musikerkreisen einen überregionalen Ruf genoss, die damals noch in Hastedt ansässige Firma.
Im Probierraum im oberen Geschoss testen Anfänger aus Osterholz-Scharmbeck, Profis aus Brasilien oder der Vorsitzende der polnischen Flötengesellschaft neue Instrumente. Das kann dann schon mal einen ganzen Vormittag dauern. „Von je weiter her sie anreisen, umso wichtiger ist es, eine gute Wahl zu treffen“, sagt Kopitzki. Aber gute Musiker wissen ziemlich genau, was sie wollen, so seine Erfahrung. Laufkundschaft hingegen gibt es in Borgfeld kaum, und darüber ist Kopitzki froh. Das lässt ihm genügend Zeit und Raum, um auf die Musiker, deren Befindlichkeiten und anatomische Besonderheiten eingehen zu können. Aber es kommt vor, dass ein verzweifelter Musiker wegen eines Notfalls mit dem Nachtzug aus Wien anreist. „Das macht stolz“, sagt er ganz unprätentiös.
Nicht nur für die Mitglieder berühmter Orchester arbeitet Achim Kopitzki in Borgfeld, auch die Flöten der Grasberger Bläserklassen und der umliegenden Musikzüge finden den Weg in seine Werkstatt. Die Jahresüberholung ihrer Instrumente allerdings legt er aufgrund der „Nachbarschaft“ gerne in die Herbstferien.