Bis zu 150 junge Männer haben in der Silvesternacht an der Grohner Düne mit Silvesterböllern auf Polizeibeamte gezielt. Im Einsatz waren auch eine Schreckschuss- und eine sogenannte Anscheinswaffe, die einer echten Waffe täuschend ähnlich sieht. Das bestätigte am Freitagnachmittag der Leitende Polizeidirektor und Chef der Abteilung Nord-West, Michael Steines, der NORDDEUTSCHEN. Verletzt wurde niemand, verhaftet allerdings auch nicht. Die Ermittlungen dauern an. Der Vorfall könnte nun allerdings auch ein politisches Nachspiel haben.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Polizei und Menschen aus dem Umfeld des sozialen Brennpunkts gegenüberstehen. Erst im vergangenen Jahr waren Einsatzkräfte an der Friedrich-Klippert-Straße von einer 30 Personen großen Gruppe mit Feuerwerk beschossen und zuletzt so stark attackiert worden, dass sie sich zurückziehen mussten. Die Angreifer beschädigten dabei zwei Streifenwagen.
In der Silvesternacht vor wenigen Tagen wurde zwar niemand verletzt und auch kein Wagen demoliert, dennoch kündigt Michael Steines an, dass sich die Polizei nun verstärkt um das Thema Schreckschuss- und Anscheinswaffen zu kümmern habe. Es sei nicht erlaubt, solche Waffen mit sich zu führen. „Und das nächste Silvester steht ja vor der Tür“, sagt der Leitende Polizeidirektor. In ganz Bremen sei augenfällig gewesen, dass Gruppen unter Alkoholeinfluss verstärkt Polizeibeamte angingen.
Die örtliche Politik hingegen will erstmal die Vorkommnisse des diesjährigen Silvesterfestes aufarbeiten. Cord Degenhard, Fraktionschef der Wählergemeinschaft Bürger in Wut, fordert eine Sondersitzung: „Verantwortliche Personen der Polizeiführung sollen auf einer öffentlichen Sitzung darüber informieren, was an dem Abend tatsächlich geschah.“ Denn: „Sogar von einer Kriegswaffe/Maschinenpistole war die Rede. Schon der Besitz solch einer Waffe ist ein Straftatbestand. Selbst wenn es sich nur um eine Anscheinswaffe gehandelt hat, darf diese nicht öffentlich gezeigt werden.“
Was war in der Silvesternacht passiert? Laut Michael Steines waren die Polizeibeamten zu keiner Zeit in Gefahr. „Wir waren diesmal vorbereitet“, betont Steines. Die Polizei hatte vier Streifenwagen im Bereich der Hochhaussiedlung postiert. Als sich der Pulk um Mitternacht versammelte, habe der Einsatzleiter aufgrund der schlechten Erfahrung vergangener Jahre entschieden, die Ereignisse aus der Entfernung im Blick zu behalten. Aus der Gruppe seien wiederholt Böllerwürfe erfolgt.
„Das Besondere war, dass jetzt eine Schreckschusswaffe und eine Anscheinswaffe auftauchten“, sagt Steines. Aus den Waffen wurden offensichtlich Knall- und Signalmunition abgefeuert. Dabei sei auch in Richtung der Streifenwagen gezielt worden. Der Einsatzleiter soll jedoch erkannt haben, berichtet Steines, dass es sich nicht um echte Waffen handelte und auch keine Bedrohung bestanden habe. „Anscheinswaffen sehen echt aus, aber durch das Verhalten konnte der Einsatzleiter einschätzen, das Raketen abgeschossen werden sollten.“
Kein Zugriff durch Beamte
Während Steines von „Protzgehabe“ unter Alkoholeinfluss, auch von „silvestertypischer Provokation“, spricht, sehen andere Polizisten die Vorkommnisse weniger harmlos. Für die Bewohner der Grohner Düne müsse es geradezu eine Freude gewesen sein, Polizeibeamte mit Knallern und Böllern zu beschießen und festzustellen, dass „die Bullen nichts machen können.“
Steines rechtfertigt, dass die Beamten nicht einschritten: „Wir haben der Verhältnismäßigkeit wegen auf eine Zugriffssituation verzichtet.“ Es sei davon auszugehen gewesen, dass sich die Situation bei einem Eingreifen nur verschärft hätte. Zudem hätte sich die Ansammlung nach ungefähr 30 Minuten von allein aufgelöst. Folgenlos sollen die Vorkommnisse an der Grohner Düne nicht bleiben. Steines betont, dass die Szene auf Video festgehalten worden sei, auch Strafanzeigen wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Waffengesetz seien von den Beamten geschrieben worden. Der Leiter der Polizeiabteilung räumt allerdings gleichzeitig ein, dass es schwierig werden dürfte, die Täter noch ausfindig zu machen.
Insgesamt habe sich die Situation an der Grohner Düne durch verschiedene Maßnahmen der Stadt, der Polizei und der Besitzer der Wohntürme beruhigt, sagt Steines. Beigetragen habe dazu vor allem die Schließung einer früheren Gaststätte im Erdgeschoss.
Kritik brachte der Polizeiführung mittlerweile auch ihre zurückhaltende Informationspolitik ein. In ihrer allgemeinen Pressemitteilung zu den Vorkommnissen in der Silvesternacht hieß es lediglich: „Insbesondere im Bereich der Weserbrücken, der Schlachte, vor dem Goethetheater, an der Sielwallkreuzung und im Bereich der Grohner Düne versammelten sich die Bremerinnen und Bremer zum Feiern. Hierbei wurde zahlreiches Silvesterfeuerwerk gezündet. Teilweise auch in die Menschenmengen hinein.“
Cord Degenhard ist überzeugt, dass die Polizei die Vorgänge an der Grohner Düne absichtlich verschwiegen hat. Er hat das Thema bereits in dieser Woche in den Sprecherausschuss des Vegesacker Beirats gebracht und ärgert sich, dass das Gremium das Thema erst im Februar beraten will. Verantwortlich macht er dafür den stellvertretenden Beiratssprecher. „Es ist eine allzu bekannte Vorgehensweise der Grünen, brisante Themen zu verschleppen. Die Bürger haben ein Recht auf zeitnahe Information“, begründet Degenhard, warum er nun für eine Sondersitzung plädiert und dafür Unterstützung bei weiteren Fraktionen sucht.
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