
Es fing alles so harmlos an und entpuppte sich als Blick in viele Abgründe. Der 1967 in Worpswede geborene Autor Moritz Rinke hat in seiner 2012 uraufgeführten Tragikomödie „Wir lieben und wissen nichts“ viele Themen aufgegriffen, die zum Nachdenken anregen. Dass die Zuschauer im gut besuchten Kleinen Haus bei der vom Euro-Studio Landgraf präsentierten Aufführung angesichts der schonungslosen Offenlegung von menschlichen und gesellschaftlichen Problemen nicht von der Schwere der Gedanken erdrückt wurden, lag zum einen an Rinkes Fähigkeit, die geschliffenen Dialoge oftmals mit Witz und Humor zu krönen, und zum anderen an einem leistungsstarken Schauspielerquartett.
Rinke lässt in seinem Stück vier Menschen aufeinandertreffen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Hannah, die Atemkurse für stressgeplagte Bänker anbietet, und ihr Freund, der in seiner eigenen Welt lebende Schriftsteller Sebastian, wollen ihre Wohnung mit dem Energieingenieur Roman und dessen Frau Magdalena, einer Tierphysiotherapeutin, tauschen. Schon bevor Roman und Magdalena eintreffen, hängt bei Sebastian und Hannah der Haussegen etwas schief. Der Schriftsteller fühlt sich von seiner karrierebewussten Freundin entwurzelt. „Ich werde ständig irgendwo hingebracht, wo ich nicht hin will“, beklagt er sich.
Sebastian, der sehr belesen ist, setzt sich gern in Ruhe intensiv mit Problemen auseinander. Hannah dagegen ist streng durchgetaktet. Sogar ihren Kinderwunsch hat sie minutiös geplant. Obwohl noch nicht schwanger, hat sie ihre „Ausfalltage“ rund um die Geburt und die anschließende zweiwöchige Pause schon mit den beruflich relevanten Menschen besprochen. Problematisch nur, dass Sebastian sich gerade körperlich von ihr zurückzieht. Das Geschehen eskaliert, als Roman und Magdalena eintreffen. Die „toughe“ Hannah fühlt sich zu Roman hingezogen, der als ruheloser Karrierist extrem forsch auftritt. Genauso geht es der auf den ersten Blick naiv scheinenden Magdalena mit Sebastian, der zu Roman sofort eine Abneigung entwickelt.
Das Stück kommt in der kargen Kulisse (Marcus Ganser), die die Kälte der menschlichen Beziehungen einerseits wirkungsvoll unterstreicht und andererseits den Blick auf die Akteure lenkt, immer mehr in Fahrt. Viele Probleme von der unterschiedlichen Beziehungsvorstellung von Partnern, über die Unfähigkeit Grundlegendes mit dem Partner zu besprechen, es aber Fremden zu offenbaren, die Rastlosigkeit im Beruf und Privaten, und nicht zuletzt auch die neuen Medien, die die menschliche Entfremdung immer größer werden lassen, kommen auf den Tisch. Sehnsucht, Angst, Wut, Verzweiflung – die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle wird ans Tageslicht gezehrt. Der Titel des Stückes „Wir lieben und wissen nichts“ wird immer verständlicher und man möchte ihm noch das Wort „voneinander“ zufügen.
Das dialogstarke Stück ist eines für Vollblutschauspieler – und davon standen vier auf der Bühne. Helmut Zierl kämpfte mit Beharrlichkeit, Ausdrucksstärke, Sensibilität und Witz als Sebastian dafür, in der Schnelllebigkeit der vernetzten Welt nicht unterzugehen. Der 60-Jährige wirkte zwar im ersten Moment, auch wegen seiner wirren Haare und der zotteligen Kleidung, wie der klischeemäßig weltfremde Poet, war aber, was die Medienvereinnahmung des Menschen angeht, moralische Instanz. Elisabeth Degen gab die von Aktionismus getriebene Karrierefrau Hannah mit unruhig fahrigen Bewegungen und durchbrach ihre Fassade, als sie Magdalena sehr verunsichert von ihrer Abtreibung und dem neuerlichen Kinderwunsch erzählte.
Magdalena wiederum war auf den ersten Blick das hübsche blonde Anhängsel eines erfolgreichen Mannes, das sich von ihm klaglos über den Mund fahren lässt. Doch Teresa Weißbach zeigte, dass die Figur vielschichtiger war. Offenbarte, dass Magdalena viel mehr durchblickte, als ihr Ehemann ahnte und ihm recht war. Uwe Neumann komplettierte das überzeugende Quartett mit einer lautstarken Darstellung des nach beruflichem Erfolg gierenden Roman, der so stark tut und hinter seiner polternden, die Mitmenschen gern demütigenden Art, ein höchst verunsicherter Mensch ist, der die Augen davor verschließt, gekündigt worden zu sein. Roman war das Paradebeispiel eines Menschen, der sich und seine Gefühle hinter dem Dauereinsatz von Computer und Handy versteckt.
Am Ende gab es großen Applaus bis hin zu vereinzeltem Fußgetrampel für ein modernes Theaterstück.
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