
Die Zuversicht, sie ist greifbar. Es herrscht regelrecht Pioniergeist an der Ludwig-Kaufmann-Straße. Vor einem Monat wurde die DLW gerettet, die niederländische Fields Group kaufte das vor der Insolvenz stehende Traditionsunternehmen. „Die DLW ist zurück“, sagt Firmenchef Charles Irving-Swift beim Kantinenessen, Geschnetzeltes hat er gewählt. „Es ist ein Neuanfang. Wir haben das Vertrauen unserer Lieferanten, der Kunden und unserer Belegschaft behalten können.“ Gegenüber 2014 habe sich der Auftragsbestand bereits um zehn Prozent erhöht. Und dann feiern sie in diesem Sommer – nach mehreren Jahren Entwicklungszeit – eine Weltpremiere
: Mit „Naturecore“ wird ein neues Produkt eingeführt. Es soll Türen in bislang dem Linoleum verschlossene Räume öffnen. Es geht um die Eroberung eines neuen Marktes.
Sie glauben an die Zukunft ihres Produktes, es soll das Comeback des Linoleums werden. Seit 1882 wird in Delmenhorst der natürliche Bodenbelag aus Leinöl hergestellt, damals gab es sogar drei solcher Fabriken in der Stadt. 1926 schlossen sie sich mit zwei weiteren Fabriken zu den Deutschen Linoleum-Werken zusammen, 1998 stieg der US-amerikanische Bodenbelaghersteller Armstrong ein. Delmenhorst ist der letzte in Deutschland verbliebene Produktionsstandort für Linoleum, weltweit gibt es nur noch zwei weitere.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Linoleum aus der Mode gekommen, heute kämpft es mit einem Imageproblem. Wer Linoleum hört, denkt an Krankenhausflure, Altenheime oder Turnhallen, es riecht in der Erinnerung leicht muffig. Das zeigt sich auch in einem Film, den Produktmanager Claus-Dieter Misslang zeigt. Passanten werden nach Linoleum gefragt, Positives fällt ihnen nicht ein. Daran müssen sie bei der DLW Flooring, wie das Unternehmen jetzt heißt, arbeiten, das Imageproblem muss aus der Welt geschafft werden.
Schließlich ist Linoleum ein Produkt, das laut DLW-Management bestens in die Zeit passt, weil es fast zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird, in die Bahnenware kommt lediglich Chemie in Form von Farbe rein, „Naturcore“ ist wegen des Aufdrucks der Holzoptik nur noch zu 90 Prozent natürlich. „Aber wir kommen ganz ohne PVC und Weichmacher aus“, erklärt Misslang. Deswegen kann man Linoleum bedenkenlos essen. Auch darin geht es in dem Film, den Misslang zeigt. Aber so richtig lecker ist der Bodenbelag dann doch nicht, wenn man sich die Mimik der Reporterin anschaut. Und dann gibt es noch andere Vorteile, von denen kaum jemand etwas ahnt: Linoleum wirkt antibakteriell. Und es ist pflegeleicht, zudem fühlt sich Linoleum gut an, es ist fußwarm, was am Kork- und Holzmehl liegen soll.
Aber Linoleum hat auch Nachteile, ganz praktische, es geht nicht nur um die fest im Kopf sitzenden Vorurteile. Linoleum gibt es bislang nur in großen Bahnen, die extrem schwer und unhandlich sind. Deswegen lässt sich Linoleum recht mühsam verlegen, nur speziell ausgebildete Fachbetriebe können das wirklich gut. Und weil das Verlegen so schwierig ist, kommt kaum jemand auf die Idee, Linoleum zu verbauen, wenn weniger als 500 Quadratmeter benötigt werden. Womit die DLW im Grunde fast ausschließlich auf die Bauvorhaben der öffentlichen Hand angewiesen war – und die sind in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Auch darunter hat die DLW sehr gelitten.
„In Westeuropa haben wir fast nur noch Renovierungen, aber keine Neubauten“, sagt Irving-Swift. Womit sich ein Vorteil von Linoleum negativ auf den Betrieb auswirkt: Es ist recht langlebig und muss nicht so häufig wie andere Bodenbeläge erneuert werden. „Wir haben aber sehr gute Wachstumsperspektiven im mittleren und nahen Osten.“ Dort werde viel neu gebaut. Und dort werde vor allem immer gleich richtig groß gebaut. Auch gibt es seit dem Aus der Amerikaner keine Beschränkungen mehr, wo verkauft werden darf. Der DLW steht jetzt wieder die gesamte Welt offen.
In den Industrieländern wollen sie nun aber auch einen Fuß in die Tür zum Massenmarkt stellen. „Naturecore“ soll es richten. Der Vorteil: Das Linoleum gibt es jetzt als Planke, so wie es vom Klicklaminat bekannt ist. Die Hürde, sich ins eigene Haus oder in eine Arztpraxis Linoleum zu legen, ist somit gesunken. Und mit den Aufdrucken in Holzoptik kommt „Naturecore“ auch nicht so krankenhausflurig wie die Bahnenware daher. Auch dadurch hoffen sie bei der DLW, den Nerv der Kunden zu treffen. Der Digiprint wurde sogar angeraut, es fühlt sich tatsächlich wie Holz an. „Es ist ein sehr emotionales Produkt“, sagt Marketingchef Remco Veeneman.
Fünf Jahre haben sie sich selbst Zeit gegeben, um das Klick-Linoleum am Markt zu etablieren. Über Raumausstatter und Architekten sollen die Early Adopter angesprochen werden, die, die als erste neue Trends aufgreifen. Wobei sich das neue Produkt nicht unbedingt an jedermann richtet, eine Baumarkt-Massenware wird es wahrscheinlich nicht. Dafür ist es zu hochpreisig, es soll in einer Liga mit einem guten Echtholzparkett spielen. Deswegen wird auch empfohlen, „Naturecore“ nicht selbst zu verlegen. Wer so viel Geld für einen Fußboden ausgibt, sollte auch Wert auf einen professionellen Einbau legen, ganz so einfach wie mit Klicklaminat sei es dann eben doch nicht mit dem Linoleum.
Vorgestellt haben sie das neue Produkt im Januar auf der Baumesse in München. Die Resonanz sei richtig gut gewesen – auch weil viele Standbesucher erst glaubten, die DLW mache jetzt auch in Laminat und überrascht waren, dass der ganze Stand mit Linoleum, mit „Naturecore“, ausgelegt war. „Das beste Kompliment kam von der Konkurrenz“, erzählt Irving-Swift. „Sie lobten uns, endlich habe jemand wirklich etwas Neues mit Linoleum gemacht.“
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