
Regisseur Michael Kreihsl setzte Glattauers Buchvorlage, die 2006 erschienen war, mit viel Liebe zum Detail um. Ihm standen mit Aglaia Szyszkowitz und Walter Sittler zwei Schauspieler zur Verfügung, die in der Lage waren, völlig uneitel und mit großer Überzeugungskraft zwei Charaktere aus Fleisch und Blut zu kreieren. Das Bühnenbild (Hugo Greitler) war ein weiterer Pluspunkt der Inszenierung. Die Kulisse - zwei durch eine schwarze Wand getrennte Zimmer, die zweckmäßig, aber ansonsten spartanisch eingerichtet waren - trennte die beiden Protagonisten räumlich, schnitt sie aber nicht voneinander ab. Die dadurch beschränkten Möglichkeiten des Zusammenspiels machten den Reiz des Stückes aus, das ein modernes Kammerspiel im besten Sinne war.
"Ein peinlicher e- vor i-Fehler" bringt Emmi Rothner und Leo Leike zusammen. Die verheiratete Homepage-Expertin möchte ihr Abo beim Like-Verlag kündigen, landet aber aufgrund des immer wieder auftretenden Tippfehlers stets bei Kommunikationswissenschaftler Leike, der aus Höflichkeit immer wieder antwortet. Nach und nach entwickelt sich ein reger E-Mail-Verkehr, der beide immer mehr berührt. Dabei haben sie anfangs ganz unterschiedliche Gründe, die Schreiberei zu intensivieren. Für Emmi, die mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet und Stiefmutter zweier Kinder ist, bedeutet es eine Familienauszeit. Für Leo ist es dagegen Teil seiner Marlene-Verarbeitungs-Therapie. Schon zum wiederholten Male hat sich der Kommunikationswissenschaftler von seiner Freundin getrennt. Die E-Briefe zwischen Emmi und Leo werden immer intimer. Der Wunsch nach einem Treffen entsteht.
Szyszkowitz und Sittler gelang es, das ganze Spektrum der Gefühle von Vorfreude über Neugierde, Wut, Zärtlichkeit, Erotik, Entschlossenheit, Wankelmütigkeit, Angst, Trauer und Verzweiflung, mal kraftvoll laut, mal melancholisch leise auf die Bühne zu bringen. Mal sind die beiden wie Magnete, die sich unwiderstehlich zueinander hingezogen fühlen. Mal sind Emmi und Leo wie zwei Tiere, die miteinander kämpfen.
Einsamkeit eingefangen
Beeindruckend auch, wie es Aglaia Szyszkowitz und Walter Sittler gelang, die Einsamkeit vor dem Bildschirm darzustellen, ohne sie platt abzubilden. Die Mails aus dem Buch sind zwar der Text der Bühnenfassung, und doch hatte man nicht einmal das Gefühl, dass etwas aufgesagt wurde. Jeder der beiden entwickelte die Rolle eines sympathischen Großstadtneurotikers, unterlegte jeden Satz mit Gefühl. Für die Zuschauer war es mal spannend, immer kurzweilig, szenenweise lustig mit entsprechenden Zuschauerreaktionen, oft berührend - und es regte zur Nachdenklichkeit an. Denn nicht nur das Leben der beiden Protagonisten, sondern auch das von Emmis Familie gerät gehörig durcheinander. Und natürlich stand die Frage im Raum: Wie real können Gefühle sein, die nur mit Hilfe des geschriebenen Wortes entstehen und sich verselbstständigen mit allen Konsequenzen in einer Welt, in der man sich weder spricht noch sieht.
"Gut gegen Nordwind" ist ein Fest für zwei Vollblutschauspieler. Die quirlig-temperamentvolle Aglaia Szyszkowitz und der tiefgründige Walter Sittler agierten mit großer Spielfreude, zelebrierten das Kammerspiel mit unendlichen vielen Feinheiten und Facetten. Immer mal wieder brandete Zwischenapplaus auf. Schon daran ließ sich ablesen, wie gut das Stück auch in diesem Jahr wieder ankam. Der minutenlange Schlussapplaus, begleitet von Fußgetrampel und einigen stehenden Ovationen, war am Ende der Beweis dafür, dass die beiden Schauspieler Aglaia Szyszkowitz und Walter Sittler mit ihrer intensiven Darstellung einer Flucht in eine fragile Traumwelt das Publikum im Kleinen Haus berührt und ihm einen außergewöhnlichen Theaterabend beschert hatten.
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