
Axel Jahnz: Für uns gelten verschärfte Regeln nicht erst seit knapp 30 Tagen. Schon vor 60 Tagen haben wir reagiert, weil die Zahlen bei uns Anfang Oktober nach oben gegangen sind. Da waren wir leider Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Bevor wir das vertiefen, möchte ich etwas sagen, das mir am Herzen liegt. In Delmenhorst arbeiten viele gute Teams, die sich mit der Corona-Krise beschäftigen. Diesen Menschen möchte ich 'Dankeschön' sagen.
Richtig, schon im Oktober haben Sie etwa die Maskenpflicht ausgeweitet. Aber am 2. November musste zum Beispiel die Gastronomie schließen. Trotzdem ist im Teil-Lockdown der ganz große Effekt bei den Infektionszahlen ausgeblieben.Das sehe ich anders. Die Zahlen sind nach unten gegangen, auch wenn jeder Kranke einer zu viel ist. Ich bin froh, dass die Inzidenz in Richtung 150 gesunken ist. Das ist eine Frage der Zeit, das geht nicht von heute auf morgen. Uns ist es gelungen, wieder eine neue Disziplin zu wecken. Bei der Gastronomie haben wir als Stadt zunächst nur eine Sperrstunde erlassen, weil wir stufenweise vorgehen wollten. In einem Schreiben vom Deutschen Städtetag heißt es heute, dass die Gastronomie voraussichtlich bis zum Ende des Jahres geschlossen bleibt. Ich bin Lebensoptimist, aber machen wir uns nichts vor: Das wird auch noch in den Januar hinein gehen.
Der Weihnachtsmarkt ist noch nicht abgesagt, zunächst sollte die Entwicklung der Corona-Zahlen abgewartet werden. Wie ist hier der aktuelle Stand der Überlegungen?Zunächst haben wir dem Weihnachtsmarkt einen anderen Namen gegeben, wir nennen es Wintermarkt. Aktuell planen wir mit einer Zersiedelung, also mit einzelnen Buden an unterschiedlichen Orten. Wir werden das Bestmögliche versuchen und die Buden so lassen, wie sie sind. Aber wir werden sie nicht zusammenführen können, das geht einfach nicht. Einen Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz wird es nicht geben. Mit Rudolf Mattern, dem Leiter des Krisenstabs, muss ich nun abstimmen, an welchen Plätzen die Buden stehen können.
Sie sprachen davon, dass sich die Bevölkerung wieder mit mehr Disziplin an die Regeln hält. Woran machen Sie das fest?Das merke ich, wenn ich die Menschen auf der Straße sehe oder einkaufen gehe. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, sehe ich, wie sogar Kinder auf dem Schulweg eine Maske tragen. Natürlich gibt es auch Verstöße, die dann in einem Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit enden. Aber ich will das im Großen und Ganzen beurteilen, und da sehe ich schon die Disziplin.
Insbesondere in den Schulen ist derzeit viel Disziplin gefragt. Seit dem Ende der Herbstferien gilt für alle Schüler ein Wechsel aus Heim- und Präsenzunterricht. Hier gehen Sie weiter, als es Niedersachsen vorsieht. Eigentlich soll das Szenario B nur für Schulen gelten, an denen es Corona- oder Quarantänefälle gibt. Bleibt Delmenhorst dabei, pauschal die Klassen zu halbieren?Wenn es erfolgreich ist: Ja. In einer Stellungnahme des Städtetages wurde eines sehr deutlich: Die Präsenz in den Schulen und Kindertagesstätten muss aufrechterhalten bleiben. Hier haben die Kommunen aber auch einen gewissen Spielraum für Maßnahmen, wenn die Infektionszahlen nach oben schnellen. Schließungen sind aber das letzte Mittel. Bei den Schulen sind wir bis jetzt zufrieden.
Aktuell gilt die Entscheidung der Verwaltung, das Szenario B im November beizubehalten. Bleibt es im Dezember bei den Einschränkungen?Nach aktuellem Stand: Ja. Gemeinsam mit Herrn Mattern werde ich das aktuelle Szenario noch einmal durchgehen, um zu beurteilen, was gut läuft und was nicht. Derzeit spricht der Sachstand dafür, dass wir bei den aktuellen Regeln bleiben.
Ein sehr sensibler Bereich sind die Seniorenheime. Delmenhorst hatte im Oktober die Besucherregeln verschärft, trotzdem gab es im November zwei Corona-Ausbrüche. Müssen Sie hier neue Maßnahmen ergreifen, um die Gesundheit der Bewohner besser zu schützen?Wir können Entscheidungen treffen, so viel wir wollen. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wichtig ist, immer das Bestmögliche zu tun, auch wenn dies manchmal schmerzvoll ist. Wir sind imstande, immer sofort zu reagieren – ob an einem Montag oder an einem Sonntag.
Das Bestmögliche tun – für die Gesundheit der Heimbewohner hieße das doch, Besuche komplett zu verbieten, oder?Das sollte man nicht tun. Der Infektionsschutz ist nicht nur eine Angelegenheit der Kommunen, sondern auch eine Angelegenheit der Bürgerinnen und Bürger. Mit welcher Disziplin gehe ich eigentlich selbst da ran? Wenn meine Oma oder mein Opa in einem Heim lebt, muss ich wissen, ob ich dort hin möchte oder ob ich dies vermeiden kann. In vielen Fällen kann man das auch mit den Bewohnern besprechen. Es gibt ja immer noch das Telefon und das Handy. Wenn es sein muss, werde ich Besuche verbieten, verstehen Sie mich da nicht falsch. Zunächst versuche ich aber, Besuche möglich zu machen, die zu verantworten sind.
Der größte Test für die Selbstdisziplin wird das Weihnachtsfest sein. Dort sollen Treffen von zehn Personen möglich sein, die aus unterschiedlichen Haushalten kommen. Ist so etwas überhaupt zu kontrollieren?Nein, da müssten Sie ja an jeder Haustür klingeln. Da kann die Politik nur einen Appell aussprechen, mehr geht nicht.
Zu Silvester soll privates Feuerwerk erlaubt sein, Menschenansammlungen allerdings nicht. Ist in der Nacht zu Neujahr die Polizei gefordert, Versammlungen konsequent zu unterbinden?Ja, natürlich. Als Kommune – das habe ich prüfen lassen – dürfen wir nicht den Verkauf von Feuerwerkskörpern verbieten. Daneben gibt es die Versammlungen von Menschen auf öffentlichen Plätzen, da hat die Stadt Möglichkeiten. Wir müssen nun mit der Polizei darüber sprechen, ab wann eine Versammlung zu unterbinden ist. Diesen Durchgriff wird es aber geben, da werden wir nicht wegschauen.
Sie tragen als Oberbürgermeister aktuell eine Verantwortung, die vor Corona fast undenkbar war. Gab es da einen persönlichen Moment, in dem Sie das Gefühl hatten, die Krise überrollt Sie? In welchem Sie dachten: Das schaff ich nicht?Nein. Wir sind hier in Delmenhorst krisenerfahren. Meine Aufgabe sehe ich in dieser Situation nicht darin, jedem einen Gefallen zu tun. Ich muss den Gesamtblick haben und drücke mich nicht vor Entscheidungen. Ich halte es auch gut aus, wenn ich mich damit nicht beliebt mache.
Das Interview führte Björn Struß.
Axel Jahnz (63)
ist SPD-Politiker und seit 2014 Oberbürgermeister von Delmenhorst. Zuvor war er Bürgermeister in Hude. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr wird er nach sieben Jahren als Chef der Verwaltung nicht noch einmal für diese Position kandidieren.
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