
Delmenhorst. Dajana Heidberg hatte Glück im Leben. Die Delmenhorsterin schaut liebevoll ihren eineinhalbjährigen Sohn an, der sich auf ihren Schoß kuschelt. Und es gab einige Situationen, in denen ihr noch einmal besonders bewusst wurde, wie viel dieses Glück wert ist. „In meiner Familie und meinem Freundeskreis sind einige an Krebs gestorben“, erzählt sie. „Da wird einem bewusst, wie gut es einem selbst geht. Und als zahnmedizinische Verwaltungsassistentin habe ich sowieso ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Also suchte ich irgendwann nach einer Möglichkeit, andere Menschen zu unterstützen“, berichtet die 36-Jährige weiter.
In einer Nähgruppe auf Facebook stieß sie zufällig auf die Initiative „Flügelschlag - Nähzauber mit Herz“, ein Netzwerk aus Menschen in ganz Deutschland, die für Frühchen und Sternenkinder in Kliniken und Hospizen Kleidung, Kissen, Tücher und vieles mehr nähen, häkeln oder stricken. Dajana Heidberg betreut für Flügelschlag das Klinikum Links der Weser in Bremen und das Kinderhospiz Löwenherz in Syke. Regelmäßig fragt sie nach, was die Kleinen gerade brauchen, wo Nachschub benötigt wird – und natürlich sitzt sie regelmäßig an ihrer Nähmaschine.
„Ich bin durch meine inzwischen dreijährige Tochter zum Nähen gekommen“, erinnert sich Heidberg. „Als eine Bekannte eines Tages auf einem Flohmarkt sagte, dass man günstiger nicht an Kinderkleidung käme, wurde ich stutzig. Beim Discounter kaufte ich mir eine günstige Nähmaschine und Stoff. Meine Tante ist Schneiderin. Von ihr habe ich noch eine Maschine bekommen. Und dann habe ich mir alles über Youtube beigebracht“, erzählt sie weiter. Irgendwann nähte sie das meiste für ihre Kinder selbst.
Als sie bei Facebook nach neuen Inspirationen suchte, stieß sie auf Flügelschlag. „Die suchten noch Unterstützung. Nun bin ich schon seit Januar dabei“, sagt Heidberg. „Wir haben Näherinnen und Klinikbetreuerinnen. Wir sind 22 Personen im Stammteam. In einer Whatsapp-Gruppe tauschen wir uns aus, wer gerade was bis wann braucht. Und dann setzen sich einige hin und produzieren das“, erklärt sie.
Die Stoffe bekommt Flügelschlag gespendet, sonst würde das Engagement auf Dauer zu teuer. „Aber das Porto, wenn wir Material oder Fertiges hin- und herschicken, zahlen wir aus unseren eigenen Taschen“, sagt Heidberg. Und weiter: „Zum Beispiel häkelt eine von uns Kraken, mit Tentakeln, die sich für die Frühchen wie die Nabelschnur anfühlen. Dafür braucht sie viel Füllwatte. Die bekommt sie dann auch mal von anderen zugeschickt, wenn die welche übrig haben.“
Dajana Heidberg braucht gerade Bodys für das Klinikum Links der Weser. Die sind allerdings ganz schön fummelig zu nähen, denn immerhin reden wir über die Babykleidergröße 38/44. So kleine Sachen sind im Handel sehr schwer zu bekommen. „Da lasse ich mir auch ein bisschen helfen“, sagt sie. Zumal sie als Klinikbetreuerin auch immer ein gefülltes Lager haben muss, falls mal kurzfristig etwas gebraucht wird.
Da gehen schon einige Stunden an der Nähmaschine drauf: „Der Aufwand ist so groß, wie es das Familienleben mit zwei Kindern und einem Partner zulässt. Zurzeit stocke ich mein Lager auf, dann sitze ich immer mal eine Dreiviertelstunde an der Maschine“, berichtet sie und ergänzt: „Aber wenn etwas benötigt wird, werden es auch schnell mehrere Stunden. Das summiert sich auch schon mal auf 20 Stunden im Monat – wenn der Bedarf sehr hoch ist, werden es auch mal 60 Stunden.“
Aber Dajana Heidberg reicht es, zu wissen, für wen sie das macht. „Als ich das erste Mal in der Klinik war und mir die Station gezeigt wurde, habe ich die Eltern gesehen, die dort bei ihren Kindern waren. Ich habe Mütter gesehen, die mit ihren Frühchen gekuschelt haben“, erzählt sie. Ansonsten hat sie aber keinen Kontakt zu den Eltern. Das wollen die meisten auch nicht. „Das alles ist ja für die Eltern schon genug Stress und Kummer“, zeigt sich Heidberg verständnisvoll.
Die Geschichten über die kleinen Patienten erfährt Heidberg meist aus zweiter Hand. Sie sind unendlich traurig – zum Beispiel wenn Kinder still geboren werden –, manchmal aber auch sehr schön. „Freud und Leid liegen sehr nahe beisammen“, sagt sie. Von den Hebammen bekommt Heidberg viele Rückmeldungen, wie toll die Eltern die Sachen der Näherinnen von Flügelschlag finden. „Manche Eltern engagieren sich später sogar selbst bei uns“, berichtet sie.
So niedlich die klitzekleinen Kleidungsstücke auch sind, so ist es doch zum Teil kniffelige Arbeit, sie zu produzieren. Sie sind ja nicht nur winzig. „Sie müssen bei 60 Grad waschbar sein und dürfen nur wenige Nähte haben, damit es keine Druckstellen gibt. Außerdem dürfen sie nicht über den Kopf zu ziehen sein. Und die Versorgung durch Sonden und Zugänge darf nicht beeinträchtigt werden“, erklärt Heidberg und verweist auf einen Stapel Hosen, Wickelbodys und Mützchen in den buntesten und süßesten Mustern und Farben. „Ehrlich gesagt, ist die Klinikwäsche ja sowieso schon nicht so hübsch. Wir bringen mit unseren Sachen ein bisschen Farbe in den tristen Klinikalltag“, sagt Dajana Heidberg.
Wenn sie über den Stoffmarkt bummelt, kommen ihr die Ideen für neue Stücke meist, sobald sie einen Stoff sieht. „Manchmal sehe ich auch nur Spitzenbänder und anderen Tüdelkram. Dann entsteht der Rest wie ein Puzzle in meinem Kopf“, sagt sie lächelnd und blickt zu ihrer Nähmaschine.
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