
Ganderkesee. Rien ne va plus – nichts geht mehr: Das gilt in Frankreich in Zeiten der Corona-Krise auch für die neue Gemeinde Montval-sur-Loir, zu der Ganderkesees Partnerstadt Château-du-Loir seit 2016 gehört. Und auch im polnischen Pułtusk steht das öffentliche Leben in diesen Tagen weitgehend still, wie Gemeindesprecher Hauke Gruhn von den Freundn im Ausland berichtet.
„Wir dürfen in ganz Frankreich das Haus nicht verlassen – es sei denn, wir füllen vorher ein Papier aus, was wir genau vorhaben“, schildert Ratsfrau Isabelle Brochet die Auswirkungen der Ausgangssperre, die am Montag noch einmal bis zum 11. Mai verlängert wurde. Im Wesentlichen seien nur noch Arztbesuche, Lebensmitteleinkäufe und die Fahrt zur Arbeit gestattet, berichtet Brochet, die bereits zweimal in Ganderkesee zu Besuch war. Die Corona-Krise hat in Ganderkesees französischer Partnerstadt auch eine gravierende politische Konsequenz. So kann sich weder der neugewählte Rat konstituieren, und auch der designierte neue Bürgermeister Hervé Roncière hat sein Amt noch nicht angetreten. Bis auf Weiteres bleibt somit Béatrice Pavy-Morançais, die nicht wieder kandidiert hatte, am Ruder.
Auf dem Land würden sich die Bewohner zwar sorgen, seien aber insgesamt gelassener als anderswo, erzählt Brochet. Todesfälle seien in Château noch keine bekannt geworden. „Es gibt nicht viele Betroffene, wir erhalten hier aber auch keine detaillierte Übersicht, wie viele Menschen genau erkrankt sind.“ Die Epizentren seien jedoch im Großraum Paris und in Ostfrankreich. „Bei uns ist es hier eher ruhig. Es ist aber auch viel leichter die Beschränkungen auszuhalten als in den Großstädten, wo die meisten Leute keinen eigenen Garten haben“, erzählt sie.
Dennoch: Es gibt weder Treffen unter Freunden noch in der Verwandtschaft. Die meisten Geschäfte haben geschlossen, Kitas und Schulen sowieso. Sämtliche Oster-Gottesdienste in den Kirchen wurden abgesagt. Eine Schutzmaskenpflicht gibt es in Château-du-Loir bislang zwar noch nicht, dennoch würden bereits viele Menschen eine Maske tragen, etwa wenn sie auf dem Wochenmarkt einkaufen gehen, berichtet Brochet.
Über private Wege wurde scherzhalber nach Ganderkesee übermittelt, dass in Frankreich Rotwein und Kondome vergriffen seien. Die Wirklichkeit sieht jedoch weniger amourös aus: „Nach der ersten Rede von Macron am 16. März waren am nächsten Morgen Toilettenpapier und Nudeln ausverkauft“, erzählt Isabelle Brochet, die beruflich in einer Zulieferfirma der Automobilbranche für Bestellungen zuständig ist. Vieles hänge in Frankreich von der Autoindustrie ab – wie in Deutschland. Da sei es momentan sehr schwer. Immerhin: Das Kurzarbeitergeld liegt in Frankreich höher. Dort zahlt der Staat 84 Prozent, in Deutschland sind es maximal 67 Prozent.
Staatliche Hilfen reichten jedoch gerade für Selbstständige oft nicht aus, dafür gebe es eine attraktive Regelung für Eltern, berichtet Brochet: „Wer seine Kinder betreuen muss, bleibt zu Hause und erhält 100 Prozent seines Gehaltes.“ Dafür würden die Lehrer online Aufgaben stellen. Drei bis vier Stunden am Tag müssten die Schüler lernen.
Auch ganz privat ist Isabelle Brochet von der Corona-Pandemie in ihrer Reisefreiheit betroffen. „Eigentlich wollten wir im Mai mit dem Auto nach Ganderkesee kommen. Unsere Tochter Aude-Elise war für zweieinhalb Monate dort und wollte mit uns ihre Gastgeschwister besuchen. Mal sehen, ob das irgendwie klappt“, blickt sie eher skeptisch voraus. Der große Gruppenbesuch über Himmelfahrt fällt bekanntlich bereits ins Wasser.
In Ganderkesees polnischer Partnerstadt Pułtusk wurde die Covid-19-Krankheit landkreisweit erst bei sieben Menschen festgestellt. „Allerdings ist unsere Provinz Masowien in Polen führend“, erklärt Piotr Kazimierczak, der im Krisenmanagement der Stadt eingesetzt ist. Polen sei zwar deutlich weniger betroffen als Deutschland. „Aber es gibt jeden Tag mehr Krankheitsfälle im Land und auch Menschen, die sterben.“
Die Stadt habe keine direkten Informationstafeln aufgestellt, Mitarbeiter der Verwaltung würden aber Bewohner informieren und für die Gefahren sensibilisieren. „Die meisten Leute haben Angst und sitzen viel zu Hause. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie gegen die Richtlinien verstoßen und dafür von der Polizei bestraft werden“, erläutert Kazimierczak. „Wir müssen Regierungsverordnungen umsetzen. Ich hoffe, es wird nur für eine kurze Zeit dauern.“
Seit Donnerstag müssen etwa alle Polen in der Öffentlichkeit Mund und Nase bedecken – Halstücher oder Schals tun es aber auch schon. Zur Eindämmung der Corona-Infektionen hat das Land etwa drastische Einschränkungen des Personenverkehrs verordnet. Nur bestimmte Personengruppen dürfen einreisen, zudem müssen sie bei der Einreise ihre Kontaktdaten inklusive Rufnummer angeben und sich direkt nach der Einreise in eine 14-tägige Quarantäne begeben Derzeit darf die eigene Wohnung nur für den Weg zur Arbeit, zur Betreuung älterer oder pflegebedürftiger Angehöriger oder für weitere unbedingt notwendige Verrichtungen verlassen werden: Dazu gehören etwa der Einkauf von Lebensmitteln oder Medikamenten, Arztbesuche, und auch, den Hund auszuführen, ist weiterhin erlaubt. Parks und Grünanlagen bleiben jedoch vorerst gesperrt. Der Mindestabstand beträgt zwei Meter. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre dürfen sich im öffentlichen Raum nur in Begleitung von Erwachsenen aufhalten.
„In Geschäften, Banken und Tankstellen dürfen nur maximal drei Kunden an einer Kasse stehen“, erzählt Piotr Kazimierczak. Die wichtigsten Artikel seien aber alle erhältlich. Das Betreten sei nur mit Handschuhen gestattet, die von den Geschäften zur Verfügung gestellt werden müssen. In der Zeit von 10 bis 12 Uhr sind die Geschäfte ausschließlich für Senioren geöffnet. Neben den gesundheitlichen fürchten die Menschen in Pułtusk auch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, weiß Agnieszka Niesiobędzka zu berichten, die in der Verwaltung für Städtepartnerschaften zuständig ist. „Viele möchten Geschäften, Werkstätten und Studios in ihrer Nähe helfen.“ Daher habe die polnische Handelskammer die Kampagne „Wir werden Sie nicht schließen lassen“ ins Leben gerufen. „Wer möchte, kann eine Vorauszahlung für zukünftige Dienste leisten“, erläutert Niesiobędzka eine Idee, die in der Krise geboren wurde.
Wann es in Pułtusk mit dem gewohnten Alltag weitergeht, ist offen. „Den Ostergottesdienst aus unser Kirche haben wir live auf Youtube gesehen“, erzählt Niesiobędzka. Auch ihre Tochter erhalte derzeit Musikunterricht per Internet. „Hoffentlich normalisiert sich bald alles.“ Doch so schnell wird es wohl nicht gehen: Vorsorglich wurden sämtliche Besuche in den Partnerstädten für 2020 abgesagt, so auch der im Juni in Ganderkesee. So heißt es erst einmal: „Zostań w domu – Bleib zu Hause”.
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