
Delmenhorst. „Frühling will nun einmarschiern, kommt mit Sang und Schalle“ lässt Hoffmann von Fallerslebens Volkslied uns singen. Der Frühling marschierte am Montagabend auch ins Kleine Haus ein und zwar beim „Frühlingskonzert“ des Städtischen Orchesters Delmenhorst, das einen Abend lang im völlig ausverkauften Saal für sprühende Frühlingslaune sorgte. Die allerdings bei der Zugabe des feurigen „Ungarischen Tanz Nr. 5" von Johannes Brahms durch den Schwächeanfall eines Violaspielers abrupt unterbrochen wurde. Zum Glück sorgten der Bühnenmeister und eine anwesende Ärztin rasch dafür, dass der junge Musiker gleich wieder auf die Beine kam. Doch ans Weitermusizieren dachte natürlich niemand, man verließ betroffen den Saal.
Angefangen hatte der Abend mit einer Ansprache von Bürgermeisterin Antje Beilemann. Etwas kokett verwies sie darauf, dass ihr notenbedrucktes Kleid nicht dasselbe sei wie im ersten Frühlingskonzert vor einem Jahr. Dieses Mal ginge es um Beethovens „Ode an die Freude“. Freude konnte aufkommen über ihre Rede, in der sie sich mit Vehemenz für eine kontinuierliche städtische Kulturarbeit stark machte. Dabei verwies sie auch auf den nun auf den Weg gebrachten umfassenden Umbau des Kleinen Hauses und natürlich auf die Rolle, die das junge Städtische Orchester für das Kulturleben der Stadt spiele. Kultur habe eine gesellschaftliche Funktion und auf mögliche zweifelnde Fragen, ob das denn auch wirtschaftlich und nützlich sei, hatte die Bürgermeisterin nur ein eindeutiges, energisches „Ja!“ zur Antwort. Sie dankte den zahlreichen Sponsoren, ohne deren Unterstützung ein solches Orchester nicht existieren könne. Und sie verwies noch einmal auf die gesellschaftliche Aufgabe, die kulturellen Traditionen zu bewahren, sie auch an die Jugend weiter zu geben, wie es gerade bei der Generalprobe am Montagmorgen in Anwesenheit von Schülern der Oberschule Süd geschehen sei. Die Probe sei bei den Schülern gut angekommen: „Echt coole Band da oben“.
Diese „echt coole Band“ wurde dann genauer von Musikschulleiter Michael Müller vorgestellt, der das „Frühlingskonzert“ auch moderierte. Das Städtische Orchester Delmenhorst spielt projektbezogen und kann mittlerweile auf einen Pool von 150 hochmotivierten Studenten bauen, überwiegend aus Leipzig, auch aus Hannover und Bremen – und übrigens auch von der Musikschule Delmenhorst. Zunehmend ist es gefragt als Begleitorchester für diverse Oratorienaufführungen auch im weiteren Umkreis. Nach all diesen Präliminarien bat Michael Müller Adrian Rusnak auf die Bühne, den Dirigenten des Orchesters. Er erwies sich einen Abend lang als unprätentiöser Orchesterleiter mit präziser, unaufwendiger Schlagtechnik, unter dessen Leitung das Orchester sichtbar inspiriert spielt. Und sein Orchester spielte dann mit unbändiger, körperhafter Spielfreude, die gleich beim ersten Akkord der Ouvertüre zu Emil Nikolaus von Rezniceks komischer Oper „Donna Diana“ aufhorchen ließ. Die kraftvoll schmachtenden Streicher nahmen gefangen, alle klanglich sehr homogenen Orchestergruppen warfen sich in dichtem Wechsel die thematischen Bälle zu, es herrschte schönstes Klangfarbenspiel zwischen Pianissimo-Zauber und Fortissmo-Brio.
Nach diesem mitreißenden „Opener“ gab Michael Müller eine kurze Einführung in Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie D-Dur KV 385, die sogenannte Haffner-Sinfonie, skizzierte ihre Entstehungsgeschichte, in die er gerne auch etwas Tratsch einfließen ließ. Man erfuhr, dass Mozart auch für heutige Verhältnisse sehr gut verdiente, dass er frisch verheiratet war und über die Arbeit an der Sinfonie wohl seine Hochzeitsnächte versäumte. Man erfuhr auch, sogar am klingenden Beispiel, wie das erste Thema gebaut ist und dass es konstituierend für den ganzen ersten Satz fungiert. Wenn Mozart zum ersten Satz an seinen Vater schrieb, „er müsse recht feurig gehen“, dann hätte er im Kleinen Haus schon einmal sehr zufrieden mit Adrian Rusnak und seinem Orchester sein können. Im zweiten Satz gelang dem Orchester in der Balance zwischen führenden Streichern und den begleitenden Bläsern ein typischer Mozartklang von ätherischer Schönheit. Das Menuett war abwechselnd ländlich-derber Tanz und höfische Ballettmusik, dem Finale hatte Mozart den Wunsch mitgegeben, es so „schnell als möglich“ zu spielen. Dabei herrschte brillante Orchestervirtuosität, schnellfingrige, präzise Leichtheit und hohe dynamische Vielfalt.
Nach Mozart gehörte die Bühne dem 15-jährigen Klarinettisten Lyuta Kabayashi, der sich in dem Gioacchino Rossini zugeschriebenen „Introduktion, Thema und Variationen“ als ausgesprochener Meister seines Instruments erwies. Das Werk ist eine kleine Opernszene, und der junge Klarinettist ließ sein Instrument die Diva sein, die er mit leuchtendem Ton die vertracktesten Koloraturen wirklich singen ließ, denn seine Klarinette kann auch Belcanto. Und die Spitzentöne saßen in diesem Feuerwerk an Virtuosität auf dem Punkt. Alles war hochmusikalisch und liebevoll nuanciert, die lyrischen Partien hatten tiefen Ernst. Das Orchester assistierte mit Pfiff und spielerischer Leichtheit. Nach begeistertem Beifall bekam Kabayashi den von Ulrike Thümmel, Chefin der Konzert- und Theaterdirektion, gestifteten und mit 500 Euro dotierten „Förderpreis des Städtischen Orchesters Delmenhorst“ nebst Urkunde und Blumenstrauß von Michael Müller verliehen. Dann schickte dieser das Publikum in die Pause zu den „Sektflöten“, den Foyer-Instrumenten.
Danach ging es weiter mit Antonin Dvoraks Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104, was den Frühling etwas abdunkelte. Yusuf Celik spielte das Solocello. Auch dem Cello-Konzert ging Müllers sachkundig-nützliche Einführung, wiederum mit Klangbeispielen, voraus. Die ausführliche Orchestereinleitung wurde eine hochspannende Angelegenheit mit aufregenden Steigerungen und einem auch im Fortissimo noch durchsichtigem Klang. So geriet das Cello nie in die heikle Lage, vom Orchester zugedeckt zu werden. Celik hatte indes auch den großen Ton für die klangliche Attacke, etwa bei seinem ersten Soloeinsatz. Er hatte aber stets auch die Beredtheit für die vielen Dialoge zwischen Cello und Orchester oder den Solostimmen. Sie sprachen immer wieder in allen drei Sätzen von Heimweh, von Verlassenheit und – wenn Soloflöte und Violoncello miteinander kommunizierten – davon, wie untröstbar traurig sie sind. Und wenn sie dann immer mehr in ihrer Traurigkeit versanken, gehörte das zu den schönsten Momenten des Konzerts.
Solche Momente gab es indes häufig, und auch Violoncello und Orchestertutti hatten solch berückende Dialoge. Im Adagio bezauberte Yusuf Celik dann mit schwerelosem Cellogesang, die Bläser mit gelassener Ruhe. Der letzte Satz mit seinem zärtlich-leidenschaftlichen Duett zwischen Violoncello und erster Violine und dem Liedzitat „Lasst mich allein“ – im Gedenken an Dvoraks Liebe zu seiner gestorbenen Schwägerin Josefine – brachte Kraft und Sensibilität des Solisten und die bewegte Ausdruckskunst des Orchesters bis hin zum überraschenden, jubelnd optimistischen Schluss noch einmal zu beeindruckender Geltung. Als Zugabe nach großem Applaus spielte Celik mit schöner Empfindsamkeit und Beredtheit die Sarabande aus Bachs dritter Suite für Cello solo.
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