
Sie blickte nicht ohne Stolz auf „ihr“ Jazzfest zurück. Das Jazzfest Delmenhorst hatte dieses Jahr zum 30. Mal stattgefunden und war am Wochenende zu Ende gegangen. Annett Becker-Edert, künstlerische Leiterin des Jazzfests, war „fasziniert von der Kreativität“ mit der die Musiker immer wieder „neue Klänge und neue Konzepte“ für ihre Musik finden. Das macht sie auch immer wieder zu einer neuen Musik, wobei der Schritt in das Neu-Anders-Sein unterschiedlich groß ist.
Ann-Katrin Albers vom veranstaltenden Kulturbüro freute sich in ihrer Begrüßung über den „so zahlreichen“ Besuch, Annett Becker-Edert sprach von ihrer Freude an Zuverlässigkeit. Und zuverlässig sei dies städtische Jazzfest. Damit es auch in Zukunft so zuverlässig bleibt, habe man die Idee gehabt, einen Förderverein zu gründen. Und sie lud das Publikum ein, sein Interesse an einer Mitgliedschaft auf einer Liste im Foyer zu bekunden. Das Interesse war dann so groß, dass Annett Becker-Edert die Gründung ihres Fördervereins für machbar hält. Ihre Ankündigung zweier ganz unterschiedlicher Bands erfüllte sich an diesem ersten Abend wie es deutlicher nicht hätte sein können.
Das Quartett um den Bremer Gitarristen Jan-Olaf Rodt mit Ignaz Dinné, Saxophon, Andreas Lang, Bass, und Peter Gall, Schlagzeug, spielte Jazz der höchst intimen kammermusikalischen Art. Die Fachkritik bescheinigte ihrer Debut-CD „Shimmering“ nicht weniger als „Suchtcharakter“, wobei man durch die extrem intensive Art des Zusammenspiels von Gitarre und Saxophon gleich im ersten Stück, dem „Walzer“ durchaus „angefixt“ sein konnte. Dies dichte Zusammenspiel mit seinen sensiblen musikalischen Interaktionen und seinen farbigen Klangmischungen hat, auch in seiner Präzision, immer wieder auch hochvirtuose Züge. Aufregend wurden Begegnungen von vibrierend-bewegten Kontrabasslinien mit kantablen Melodielinien von Saxophon oder Gitarre, wobei die Expressivität dieser Melodien von eher kühler, kontrollierter Art war. Den emotionalen Ausbruch ließ da noch am ehesten Peter Gall am Schlagzeug hören.
Emotionalität ohne Grenzen gab es mit der zweiten Band des Abends zu erleben. Locker formuliert: Da ging vom ersten Ton „die Post ab“: Die Besetzung der Andreas-Schaerer-Band ist schon mal unkonventionell. Andreas Schaerer ist Sänger, besser gesagt Vokalartist, Luciano Biondini spielt ein großes Knopfakkordeon, Kalle Kalima spielt Gitarre und Lucas Niggli ist der Schlagzeuger dieser schweizerisch-finnisch-italienischen Band. Schaerer sang wortlos, stieg aus Counter-Tenorbereichen mühelos in falsettierende Sopranhöhen, schmeichelte mit sinnlichen Vokalisen, ist mit seiner Stimme auch in allerlei perkussiven Bereichen zuhause.
Dass Andreas Schaerer seine Musik, die ja reinste Bewegungsmusik ist, auch tanzte, versteht sich von selbst. Er kann auch Belcanto oder Chanson, wobei ihm Luciano Biondini im innigen Duett den Musette-Ton liefert. Der wiederum kann auch mit Tango-Andeutungen aufwarten. Gitarrist Kalle Kalima steht für feinsinnige Dialoge mit dem Akkordeon und für gellende Ausbrüche der rockigen Art, Schlagzeuger Lucas Niggli ließ sein Instrument flüstern und lautstark toben, wie es der Sänger in dieser guten Stunde musikalischen Hochdrucks ihm vormachte. Da gab es dann auch den jubelnden Zugabe-Applaus für ein fulminant-rockiges „Getalateria“ noch einmal mit allem, was die Band zu bieten hatte.
Der zweite Abend des Jazzfestes begann, was die Besetzung betrifft, wie der erste auch – allerdings mit ganz anderer Musik. Das Alexandra-Lehmler-Quartett mit Alexandra Lehmler, Saxophone (Sopran-, Alt- und Baritonsaxophon), Federico Casagrande, Gitarre, Matthias Debus, Bass, und Patrice Héral, Schlagzeug, begann den Novemberabend mit poetisch-leichter, frühlingshafter Beschwingtheit. Alexandra Lehmlers Musik erzählte von Offenheit und Weite.
Die Musik der Saxophonistin, die immer wieder zwischen ihren Instrumenten wechselte, war sehnsuchtvoll, fröhlich, nachdenklich, melancholisch, manchmal dramatisch. Der Gitarrist fügte sich mit seinem Spiel in diese Ausdruckwelten mühelos ein und der Bassist gab dem Ganzen mit singendem Spiel die immer auch virtuose Basis. Patrice Héral gehört zu den Schlagzeugern, die ihr Instrument auch singen lassen können, was er ausgiebig tat.
Das sehr kommunikative Zusammenspiel der Band war fast liebevoll entspannt, immer hatte es den Anschein, als habe man gemeinsame Ziele, auf die man hin spielte. Von eindringlichem Ernst ist der „Choral“, mit Matthias Debus langem Vokal-Bass-Solo, ein hymnisches spielerisches Miteinander vor der knabenhaft-männlichen Stimme des Bassisten. Großes Solo-Kino war die vokale Brüll-, Kreisch- und Trommel-Performance von Patrice Héral in „Das Monument“, dem sich die anderen in seinem hymnisch-extatischen Ton anschlossen.
Traumwandlerisches Miteinander herrschte auch im Trio der Pianistin Makiko Hirabayashi, mit dem Bassisten Klaus Hovman und der Schlagwerkerin Marilyn Mazur. Sie nutzte ihr Instrument als sensiblen Klangkörper, dem das Wort „streicheln“ eher ansteht als das Wort „schlagen“. Die Pianistin und ihre Musik umspannten stilistisch die Zeit zwischen Romantik und Moderne; der Klavierbeginn des ersten Stückes könnte von Schönberg sein. Ihr Spiel war äußerst filigran, sie vermochte lange Tonwiederholungen zu Melodien zu formen, ehe aus ihnen wirkliche Melodien wurden. Auch Klaus Hovmans Bass vermochte zu singen. Und wie liebevoll sang er gemeinsam mit dem Klavier. Die Musik des Trios war so, als durchwandere man weite Räume, sie konnte auch atemlos werden. Sie war zärtlich poetisch, strahlte immer Gelassenheit aus, Gelassenheit, die das Trio als ein einiges Wesen erscheinen ließ. Auch hier verlangte begeisterter Beifall eine Zugabe. Und, zuverlässig wie es ist, kann man sich schon auf das nächste Jazzfest 2020 freuen, das wie immer Ende November stattfinden wird.
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