Syke. 'Denk ich an Kirche in der Nacht, dann bin ich richtig abgeschlafft' - Matthias Schlicht hatte bitterböse, manchmal nachdenkliche, meist aber ausgesprochen witzige Seitenhiebe auf Kirche und Politik im Gepäck. Am Freitagabend brachte der promovierte Theologe sein Kirchenkabarett im Gleis 1 im Syker Bahnhof auf die Bühne.
Mit seinem Programm 'Pilgeralarm' nahm er die Zuhörer mit zum Nachdenken über die Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten von katholischer und evangelischer Religion und dem damit verbundenen Leben. Er spießte Menschliches, allzu Menschliches auf, das sich vor und hinter den sakralen Fassaden abspielt. Und da gab es reichlich, über das sich der Pastor so seine Gedanken machte - und die klangen meist gestochen scharf und satirisch.
Da erwartete die Besucher im proppevollen Gleis 1 nicht etwa ein getragener klerikaler Anspruch mit erhobenem moralischem Zeigefinger, sondern Wortgewandtes aus dem Alltag. Seinen eigenen Berufsstand nahm Matthias Schlicht dabei auch aufs Korn: 'Manche sagen ja, wir Pastoren sind wie der liebe Gott, in der Woche unsichtbar und am Sonntag unbegreiflich.'
Und für die neuen Sprachregelungen befürchtete er auch nichts Gutes. So erwartete Schlicht, dass das Wort 'gehen' demnächst durch das Wort 'pilgern' ersetzt werden könnte. Schließlich sei das ja zur Zeit modern. Pseudowissenschaftlich und spöttisch analysierte er die Wanderbewegungen auf den Pilgerpfaden, ob nun auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela oder auf dem, der von Hittfeld nach Hannover führt und sich Jakobusweg nennt. Also rief er den Pilgeralarm aus, allerdings wollte er dabei spazieren und nicht pilgern.
Glaubenstattoos bei Mose
Zwischendurch hatte er immer wieder passend zum Thema auch schon mal ein Bibelzitat zur Hand, das dem Ganzen einen skurrilen Charakter gab. Wer hätte denn gedacht, dass es Glaubenstattoos gäbe? Mit dem Buch Mose, Kapitel 15, Vers 2 kann sich der modische Tattooträger avantgardistisch und zugleich glaubenskonform prägen lassen - die Worte lauten 'Nun aber'. Seine Einschätzung: 'damit ist die Nacht gelaufen.'
Nicht nur seine Umwelt nahm der Religionswissenschaftler aufs Korn, er schaute auch bei sich persönlich und entdeckte diverse Ungereimtheiten, die sicherlich manch einen Anwesenden mit seinen eigenen Erfahrungen konfrontierten. Ob nun das Älterwerden und die männliche 'Mitleidskrise' oder die unsäglichen familiären Rituale zu den diversen Festtagen. Ob über die Frage wie viel Cents oder Euro denn wohl als Gabe in den Klingelbeutel angemessen sind oder das Leben als Katholik vielleicht angenehmer sein könnte. Schließlich habe seine Oma immer gesagt: 'Katholisch gut leben, evangelisch gut sterben.'
Nicht nur mit dem gesprochenen Wort konnte Matthias Schlicht spielerisch umgehen, auch zu seinen Kompositionen begleitete er sich locker auf der Gitarre. Dabei klangen dann auch schon mal nachdenklichere Töne an über die Vergänglichkeit der Beziehungen wie bei seinem Lied 'Gestern noch'.
In der Pause konnte man schon etliche begeisterte Kommentare im Gleis 1 hören wie beispielsweise 'Geistreich, nah am Leben, perfekte Körpersprache.' Und so gab es denn auch nach langem Applaus als Zugabe ein Stück von Hanns Dieter Hüsch, von dem Kirchenkabarettist Matthias Schlicht aus persönlichen Begegnungen berichten konnte.