Verden. Der Freitag ist astrologisch gesehen der Venus zugeordnet. Und die steht nun einmal für Sinnlichkeit, für Genuss, für lukullische Freuden. Kein Wunder also, dass ausgerechnet freitags jeweils sechs Herren im besten Alter einen festen Termin in Verden haben. Um Punkt 13 Uhr treffen sich Günther Werner, Lutz Slomka, Uwe Hensel, Ralf Strübing, Wülfing Freienstein und Rolf Hornig im Restaurant Pades an der Grünen Straße 15, um gemeinsam Mittag zu essen. „Wer zu spät kommt, bezahlt die Rechnung“, scherzt das muntere Sextett. Nein, Spaß beiseite – natürlich greife am Ende jeder in sein eigenes Portemonnaie. Selbstredend, die Herren nehmen nur an ihrem Stamm-Tisch Platz. Der steht, wie sollte es auch anders sein, natürlich am Fenster. Warum gerade dieser eine Tisch? „Er ist rund“, betonen die Mitglieder der Männerrunde. Neben ihrem staubtrockenen Humor ist es auch ihr ausgeprägter Feinschmecker-Sinn, der sie zu gern gesehen Gästen im Restaurant von Wolfgang Pade macht. „Allesamt sehr kritische Esser“, weiß Pade zu berichten.
Der Spitzenkoch kommt momentan aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Zum einen ist da das silberne Jubiläum seiner Freitagsgesellschaft, zum anderen aber auch die 25-jährige Betriebszugehörigkeit von Börn Röwer, seinem dienstältesten Mitarbeiter. Mit niemandem habe er so ein großes Stück seines beruflichen Weges zurückgelegt wie mit seinem Oberkellner. „Börn Röwer ist ein Jahr weniger da als ich. Mit ihm habe ich schon mehr Zeit verbracht als mit meiner Frau. Wir sagen immer, wenn wir hier einmal gehen, dann nur zusammen“, betont Pade.
Seit Kindesbeinen ist Röwer mit der Gastronomie vertraut. „Meine Eltern hatten früher das Gasthaus ,Zum Blender Esch‘“, erzählt Röwer. Sein Chef Wolfgang Pade scherzt: „Dann standst Du also schon als kleiner Junge an der Fritteuse und hast Pommes gemacht.“ Nun ja, vielleicht nicht ganz. Börn Röwer hat jedenfalls gleich zwei Ausbildungen bei Wolfgang Pade absolviert, eine zum Restaurant-Fachmann und eine weitere zum Koch. Bis auf seine Zivildienstzeit hat er dem Feinschmecker-Tempel an der Grünen Straße stets die Treue gehalten. Selbst während seines Ersatzdienstes hat er dort noch ausgeholfen. Heute ist Börn Röwer als Oberkellner und Sommelier an der Grünen Straße tätig. „25 Jahre im gleichen Betrieb ist für heutige Zeiten in der Gastronomie schon eher ungewöhnlich“, findet Pade und ergänzt: „Ich könnte mir hinten in der Küche das Blaue vom Himmel zusammen kochen – mit einem schlechten Kellner wäre das alles nichts wert. Im Gegenzug kann ein guter Kellner aber immer noch einen mittelprächtigen Koch herausreden.“
Umso mehr freut er sich über die personelle Kontinuität in seinem Haus, die ja in erster Linie auch für die Gäste toll sei. Klar, Oberkellner Börn Röwer kennt die Mitglieder der fischaffinen Verdener Freitagsgesellschaft in- und auswendig: „Wenn in der Küche ein Hummersüppchen gekocht wird, decke ich schon einmal vorsorglich den Fenstertisch mit Löffeln ein“, verrät er schmunzelnd. Er habe seine Gäste im Laufe der Zeit einfach lieb gewonnen, „sie sind wie eine Familie“. Wo trifft sich die Familie? Na, bei den Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten im Pades. Das Essen, das Ambiente und selbstverständlich die gastronomischen Bezugspersonen wie Börn Röwer sind das Geheimnis, warum auch die Herren der Freitagsgesellschaft immer wieder aufs Neue an der Grünen Straße einkehren.
Fischaffine Gäste
Bringt Ralf Strübing wieder einmal Fisch aus Kanada oder Alaska mit, bereitet ihn Wolfgang Pade natürlich gerne zu. Die Mitglieder der Freitagsgesellschaft haben schon viele gemeinsame Reisen unternommen – sei es nun der Angel-Trip nach Norwegen, die Städtereise nach Prag oder eben die Touren durch Nordafrika. Früher, als Berufstätige, haben sie mit ihrem freitäglichen Feinschmecker-Stammtisch jeweils das Wochenende eingeläutet. Heute, als Ruheständler, halten sie aber dennoch an dieser lieb gewonnenen Tradition fest. Dazu gehört nach dem Schlemmen übrigens auch das gemeinsame Skatspiel. „Ich habe mir dafür statt den Mittwoch immer extra den Freitagnachmittag freigehalten“, plaudert Internist Wülfing Freienstein aus dem Nähkästchen.
Gegründet wurde der Feinschmecker-Stammtisch übriges vor 25 Jahren von Peter Kanz, Eckhard Krella, Lutz Slomka, Uwe Hensel und Ralf Strübing. Handelt es sich bei der heutigen Besetzung eigentlich um eine geschlossene Gesellschaft, oder wären Neumitglieder tatsächlich willkommen? „Nein. Dann bräuchten wir ja einen größeren Tisch“ – so die trockene Antwort aus der Männerrunde. Ähnlich trocken ist sonst vielleicht nur der Weißwein auf dem Nachbartisch. Stichwort Alkoholgehalt: „Wir kommen hier nüchtern an und gehen auch nüchtern wieder raus“, betonen die Mitglieder der Freitagsgesellschaft.
Hand aufs Herz, die Herren – warum sind Sie eigentlich so kritische Esser und mäkeln gerne herum? Professionelle Testesser? Oder steckt etwa doch etwas anderes dahinter? Ganz einfach: „Damit der Nachtisch größer ausfällt, den uns der Chef jeden Freitag als kleinen Gruß aus der Küche servieren lässt.“
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