
Behände balanciert Werner Coorßen im heimischen Garten im Kreienmoor auf den Fußrasten seines 76 Jahre alten, golden glänzenden Motorrads. Auf der Straße darf er mit der knatternden NSU-OSL aus dem Jahr 1938 normalerweise nicht fahren, da sie nicht für den Verkehr zugelassen ist. Die Sportart, bei der die urigen Maschinen des Schwaneweders zur Geltung kommen, ist der Klassik Motorrad-Trial. Obwohl das letzte Rennen des bundesweiten D-Cups erst im Oktober stattfindet, ist der Motorradnarr dank uneinholbarem Punktevorsprung bereits jetzt Deutscher Meister in der Klasse Pre-Unit.
Neben seiner NSU besitzt Coorßen auch eine rote Yamaha aus dem Jahr 1976 und eine zweizylindrige Triumph mit Baujahr 1959. „Mit der bin ich einige Jahre gefahren, aber das ist nicht das typische Siegermotorrad“, erzählt der 58-Jährige. Als Letzteres erwies sich jüngst vielmehr seine NSU, eine Maschine mit alter Bautechnik, bei der Motor und Getriebe noch nicht im selben Gehäuse untergebracht sind. Pre Unit nennt sich – von dieser Bauart abgeleitet – die Klasse, in der Coorßen als erster Deutscher Meister aus Schwanewede glänzen kann.
Beim sogenannten Moto-Trial kommt es nicht auf die Geschwindigkeit an. Stattdessen sind Geschicklichkeit und ein guter Gleichgewichtssinn gefragt. Die Teilnehmer müssen auf einem Parcours über Stock und Stein die Kontrolle über das Gefährt behalten. Das Bewältigen der schwierigen Geländepassagen gilt als beste Schulung zur Beherrschung eines Zweirades. Meist finden die Wettbewerbe in alten Kiesgruben oder Steinbrüchen statt.
Bei dem langsamen Fahren durch die Sektionen darf dabei über 60 bis 100 Meter nicht der Fuß abgesetzt werden und der Fahrer nicht stürzen. „Wer langsam fahren kann, ist im Vorteil, wenn die scharfen Kehren gefahren werden“, sagt der Facility-Manager über den Sport, der nach dem Krieg aus Großbritannien nach Deutschland übergeschwappt ist. „In England ist Moto-Trial eine ganz große Nummer“, erzählt der gebürtige Bassumer, der zunächst viele Jahre Straßenmotorräder wie eine African Twin fuhr.
Zu Beginn der 1980er-Jahre erwarb Coorßen seine Yamaha und machte in Hoope erste Erfahrungen mit dem Sport. Nach dem Umzug nach Schwanewede 1993 schloss sich Coorßen seinem jetzigen Verein, dem MSC Wörpetal in der Nähe von Zeven, an. Auf der Yamaha fuhr er ab 1996 auf ersten Veranstaltungen mit, darunter der bundesweit ausgetragene D-Cup und die norddeutsche Meisterschaft Hanse Classics. Eine eher überschaubare Zahl von 4000 Leuten betreibt den Sport bundesweit. Die Rennen werden ehrenamtlich von Helfern organisiert. Beim Klassik Trial sind alle geeigneten Motorräder bis zum Baujahr 1980 zugelassen. Sofern sie noch keine Scheibenbremsen besitzen, einen luftgekühlten Motor und zwei Stoßdämpfer haben. „Trial Trim“ nennt sich die, auch von Coorßen vorgenommene Veränderung an den ursprünglichen Straßenmaschinen. Dabei werden Reifen geändert, die Federung und der Lenker angepasst.
Nicht nur das Training in der Nähe von Zeven, auch die zehn jährlichen Läufe im D-Cup gestalten sich als recht aufwendig. Da die Maschinen nicht für den Straßenverkehr zugelassen sind, müssen sie in größeren Fahrzeugen oder auf Anhängern transportiert werden. „Das ist auch ein Grund, warum in diesem Sport oft mehrere Generationen mitmachen – die Jugendlichen sind darauf angewiesen, dass Papa sie fährt“, erklärt Coorßen und lächelt, während er auf dem Laptop einen Video-Ausschnitt eines Rennens zeigt.
Konzentriert und fast bewegungslos balancieren die Teilnehmer meist im Stehen mit ihren Maschinen über ein grasgewachsenes Gelände an Markierungen vorbei. Dabei versuchen sie, die jeweiligen Sektionen mit schnittigen Kehrtwendungen zu bewältigen, ohne die Füße abzusetzen. „50 Prozent spielt sich im Kopf ab“, weiß Coorßen. „Zum Gewichtsausgleich eher mit dem Ballen als mit dem Mittelfuß auf den Fußrasten auftreten und immer mit einem Finger Kupplung und Bremse betätigen, damit man den Lenker fest greifen kann“, verrät der Motorradfan seine Tricks.
„Wer vom Motocross kommt, versucht es oft mit Kraft, das geht meist daneben“, hat er beobachtet. Die anwesenden Punktrichter vergeben Fehlerpunkte. So setzt es fünf Minuspunkte, wenn der Fahrer stecken bleibt und den Fuß absetzt. Ebenso viele Abzüge gibt es, wenn er stürzt oder über die Banderole einer Sektion fährt. Manchmal seien die Bodenverhältnisse ziemlich rutschig, „mehr, als dass ich mir mal die Lippe aufgeschlagen habe und über den Lenker gefallen bin, ist aber noch nicht passiert“, erzählt Coorßen.
Das eher gemächliche Tempo und der Umstand, dass der Zuschauer nicht sehen könne, welcher der nacheinander antretenden Sportler vorne liegt, hätten Motorrad-Trial laut Coorßen eher zur Randsportart gemacht. „Das ist medial natürlich nicht so interessant wie Motorradrennen, auch bei den Wettkämpfen stehen da höchstens 50 bis 100 Zuschauer“, erzählt Coorßen, dessen Lebensgefährtin Martina früher ebenfalls ein Fan heißer Öfen war.
Als Ende Juli bei der vorletzten D-Cup Runde in Hergenroth im Westerwald feststand, dass Coorßen mit uneinholbarem Vorsprung Deutscher Meister wird, feierten Freunde den erfolgreichen Sportsmann sogleich mit einem selbst gebastelten Banner. Ob er der Ehre halber bei der letzten Runde in Kaiserslautern Ende Oktober noch antreten wird, hat der neue Deutsche Meister noch nicht entschieden. „Vielleicht trete ich ja auch noch einmal international an, wenn ich in Rente bin, wer weiß“, gibt Coorßen mit einem Lächeln an.
Im Garten gibt es immer was zu tun. Unsere Redakteurin Patricia Brandt begleitet das Gartenjahr mit einem Augenzwinkern in ihrer Kolumne. Inzwischen ist die 100. WESER-KURIER-Gartenkolumnen erschienen. Sie schildert die Ängste und Sorgen des Hobbygärtners und nimmt Marotten auf die Schippe.
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