
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) hat am Freitag bestätigt, dass sie dem Land Niedersachsen die Lützow-Kaserne in Schwanewede als Notunterkunft für rund 1000 Flüchtlinge zur Verfügung stellen wird.
„Wir haben am Donnerstag die offizielle Anforderung vom Innenministerium bekommen“, so Annette Abel. „Die Bundeswehr übergibt am 16. September die Kaserne an die Bima“, so die Abteilungsleiterin für die Verwaltung gewerblicher Liegenschaften bei der Bima in Magdeburg. Noch am selben Tag würden die ersten Flüchtlinge einziehen.
Laut Abel sollte die Bundeswehr ursprünglich Ende September abziehen. Für die Flüchtlinge müssen die Soldaten jetzt früher das Feld räumen. „Das Land hat die Kaserne zunächst bis Ende Mai 2016 angefordert“, so die Bima-Vertreterin. Die Bundesanstalt wird mit dem Land einen Mietvertrag schließen. Die Bima werde das Kasernengelände für die Unterbringung der Flüchtlinge mietfrei zur Verfügung stellen, so Abel. Für die Betriebskosten und die bauliche Unterhaltung während der Nutzung habe das Land aufzukommen.
Offene Fragen
Die Laufzeit des Mietvertrages werde noch Gegenstand von Gesprächen sein. In der Regel seien derartige Verträge aber unbefristet, so Abel. Zum künftigen Betreiber der Notunterkunft konnte die Bima-Vertretern noch keine Angaben machen. Auch nicht, in welche Gebäude die Flüchtlinge einziehen werden. „Das unterliegt der Einschätzung des Landes und des Betreibers. Da mischen wir uns nicht ein.“ Das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum und die Offiziersheimgesellschaft stehen laut Abel als mögliche Flüchtlingsunterkünfte aber nicht zur Verfügung. „Die sind im Vertrag explizit ausgenommen.“
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Die Flüchtlinge ziehen in eine Kaserne ein, in der die meisten der insgesamt 90 Gebäude sanierungsbedürftig, einige auch abrissreif sind. Das ist das Ergebnis einer Bestandsaufnahme, die die Gemeinde im Zuge ihrer Planungen für eine Nachnutzung der Liegenschaft in Auftrag gab. Viele der 25 Unterkunftsgebäude stammen aus den Gründertagen der Kaserne 1958, weitere kamen in den Jahren 1961, 1979 und 1983 hinzu. Zum Zustand der Unterkünfte und der Verwaltungsgebäude heißt es im „Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept“, das für die Kaserne erstellt wurde: „Das Gros der Gebäude ist in intaktem aber schlechterem baulichen Zustand.“ Die meisten Gebäude seien vermutlich belastet mit Gefahr- und Schadstoffen wie Asbest und Formaldehyd, heißt es. Vor einem Umbau seien nähere Untersuchungen notwendig. Für vier Unterkunftsgebäude empfehlen die Gutachter einen Abriss. Die Wartungs- und Instandsetzungshallen seien für eine Aufenthaltsnutzung ungeeignet, so die Bewertung.
Die Gemeinde Schwanewede hat bereits ein Zukunftskonzept für das Kasernenareal erarbeitet. Bürgermeister Harald Stehnken sieht die Konversionspläne der Kommune nicht gefährdet. „Es soll eine auf acht Monate begrenzte Notunterkunft werden, um die Spitze des Flüchtlingsstromes abzufedern“, beruft sich Stehnken auf ein Gespräch vom Donnerstag mit einem Vertreter des Innenministeriums. Von Schwanewede aus sollen die Flüchtlinge laut Stehnken weiter verteilt werden. „Es geht darum, die 1000 Menschen über den Winter zu bringen.“
Land stellt einen Sicherheitsdienst
Laut Stehnken hat die Gemeinde im laufenden Jahr mehr als 100 Flüchtlinge aufgenommen. Weitere 100 Menschen würden der Kommune bis Ende Januar 2016 aus den Erstaufnahmelagern zugewiesen. Auf das Kontingent der Flüchtlinge, die in der Kaserne überwintern sollen, würden die bisherigen Zuweisungen laut Stehnken nicht angerechnet.
Nach Angaben des Bürgermeisters wird das Land einen Sicherheitsdienst für die Flüchtlingsunterkunft stellen. Im Internet kursierten bereits am Donnerstagabend nach Bekanntwerden der Pläne des Landes hetzerische Äußerungen. Einige Mitglieder der Facebook-Gruppe „Du kommst aus Schwanewede, wenn...“ meldeten sich mit rassistischen Aussagen zu Wort. Nach Beschwerden anderer Nutzer seien die schlimmsten Einträge inzwischen gelöscht worden. Seit Freitag bekommen die Rechten Gegenwind im Netz: Die neue Facebook-Gruppe „Refugees Welcome – Schwanewede zeigt Größe“ ruft dazu auf, die Flüchtlinge willkommen zu heißen.
Beim Bürgermeister melden sich am Freitag bereits Bürger per E-Mail zu Wort. „Es gab einige negative Reaktionen. Die meisten aber waren positiv. Viele wollen wissen, wo sie Sachspenden hinbringen können.“
Das niedersächsische Innenministerium hielt sich am Freitag mit Aussagen zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Lützow-Kaserne noch bedeckt. Nur so viel sagte ein Sprecher: „Alexander Götz, der Abteilungsleiter für Kommunalangelegenheiten, wird am Montagmorgen an einer Pressekonferenz in Schwanewede teilnehmen.“ Weiter ließ der Sprecher durchblicken, dass die Flüchtlinge aus Erstaufnahmelagern des Landes Niedersachsen nach Schwanewede kommen werden. Ob dies das nächstgelegene Aufnahmelager sei oder das am stärksten gefüllte, könne er nicht sagen, so der Sprecher.
Viel Arbeit für die Flüchtlingsinitiative
Klaus Fitzner und Gudrun Chopin von der Flüchtlingsinitiative Schwanewede machten sich am Freitagmorgen gleich auf den Weg zum Rathaus, als sie von der bevorstehenden Unterbringung der Flüchtlinge in der Lützow-Kaserne aus Zeitung und Rundfunk erfahren hatten. „Wir haben mit dem Bürgermeister darüber gesprochen, was geplant ist“, berichtete Klaus Fitzner.
Der Pastor im Ruhestand machte deutlich: „Der Arbeitsschwerpunkt unserer Initiative sind und bleiben die Flüchtlinge, die im Ort untergebracht sind – alles andere wäre eine totale Überforderung.“
Bestimmten Aufgaben könne und wolle die Initiative sich aber auch im Zusammenhang mit der geplanten Notunterkunft nicht entziehen, „zum Beispiel Informationen für die Flüchtlinge, die in der Kaserne unterkommen, aber auch für die Schwaneweder Bevölkerung darüber, wer kommt und was gebraucht wird“.
Die „Koordination des bürgerschaftlichen Engagements“ sehe die Flüchtlingsinitiative als ihre Aufgabe an. Bereits am Freitag, so Fitzner, habe er zahlreiche Anrufe von Bürgern bekommen, die wissen wollten, was für Spenden gebraucht werden. „Die Hilfsbereitschaft der Schwaneweder ist sehr groß.“
Die Initiative wünsche sich eine enge Zusammenarbeit mit dem künftigen Träger der Notunterkunft, „und die Bereitstellung einer Sammelstelle für Spenden aus der Bevölkerung, idealerweise vor Ort in der Kaserne, für Kinderspielzeug, Hygieneartikel und Kleidung“. Er werde sich zudem dafür einsetzen, dass in der Kaserne ein „Raum der Stille“ für die Flüchtlinge eingerichtet wird, „für alle Religionen als Rückzugsraum“. Außerdem werde er darauf drängen, dass ein Kinderspielplatz eingerichtet und Sportangebote gemacht werden.
Derzeit hat die Flüchtlingsinitiative laut Fitzner „einen Stamm von 15 Leuten plus Helfer in der Tafel und in der Kleiderkammer“. Er betonte: „Wir können uns in der Notunterkunft nur dann engagieren, wenn wir ausreichend Unterstützung aus der Bevölkerung bekommen.“ Die Einrichtung der Notunterkunft sei „eine riesige Herausforderung für die Schwaneweder“, die aber gemeinsam gemeistert werden könne. Im Gegensatz zur Unterbringung in Zelten sei die Kaserne ein idealer Platz. „Die Kaserne ist sicher und beheizbar, es gibt eine riesige Küche und Möglichkeiten der medizinischen Versorgung vor Ort.“
Auch Lemwerder bereitet sich vor
Welcher Träger die Notunterkunft betreiben wird, wollte das Innenministerium am Freitag ebenfalls noch nicht bekannt geben. Im Gespräch waren nach Informationen unserer Zeitung zunächst die Johanniter und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Frauke Engel, stellvertretende Fachbereichsleiterin Kommunikation des Johanniter Landesverbands Niedersachsen/Bremen, sagte auf Nachfrage: „Wir waren angefragt, aber derzeit sieht es nicht so aus, als würden wir die Notunterkunft übernehmen.“ Kerstin Hiller, Pressereferentin des DRK Landesverbands Niedersachsen, bestätigte indes: „Wir sind angefragt worden und es laufen derzeit Gespräche mit dem Innenministerium.“
Auf der anderen Weserseite bereitet man sich ebenfalls auf weitere Flüchtlinge vor. „Ich rechne damit, dass noch viele kommen werden“, sagt Jürgen Völke, der in der Gemeinde Lemwerder mit der Betreuung der Asylbewerber beauftragt ist. „Wir wissen, dass wir uns wappnen“, pflichtet Bürgermeisterin Regina Neuke bei, „aber wir wissen noch nicht, wofür. Ich habe überhaupt kein Gefühl für die Menge.“
Derzeit hat die südlichste Wesermarschgemeinde 48 Flüchtlinge aufgenommen, 17 Personen mehr als sie laut Verteilungsschlüssel des Landkreises Wesermarsch aufnehmen müsste. Sind bislang Einzelpersonen, in erster Linie junge Männer, in Lemwerder untergekommen, so haben in der Gemeinde jetzt auch acht Familien Zuflucht gefunden. Jürgen Völke hat sich bereits auf weitere Flüchtlinge vorbereitet. „Ich kann noch locker zehn Personen unterbringen.“
Notaufnahmelager ist "unmöglich"
Ähnlich ergeht es der Nachbargemeinde Berne. Auch dort hat man bislang mehr Flüchtlinge aufgenommen, als laut Quote des Landkreises nötig gewesen wäre, 49 statt 30. Dennoch sucht Verwaltungsmitarbeiterin Anke Lüers ständig nach weiteren Wohnungen, die die Gemeinde anmieten könnte. „Die letzten Tage waren sehr positiv. Da sind einige Vermieter von sich aus auf uns zu gekommen.“
Wie viele Flüchtlinge in den kommenden Wochen und Monaten erwartet werden, vermag Landkreis-Pressesprecher Matthias Sturm noch nicht zu sagen. Nur so viel stehe fest: Der Bund habe bekanntlich vor Kurzem die Zahl der für dieses Jahr prognostizierten Flüchtlinge auf 800.000 erhöht. Deshalb müsse das Land Niedersachsen circa 45.000 weitere Flüchtlinge aufnehmen, die es auf seine Landkreise verteile. Da die vorab mitgeteilte Quote noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist, könne die Kreisverwaltung aktuell noch keine Zahlen kommunizieren, fährt Sturm in seiner Pressemitteilung fort.
Die Einrichtung eines Notaufnahmelagers auf dem Gebiet des Landkreises Wesermarsch wie in der Gemeinde Schwanewede sieht der Pressesprecher als unmöglich an. Dafür stünden keine Immobilien zur Verfügung.
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Im Garten gibt es immer was zu tun. Unsere Redakteurin Patricia Brandt begleitet das Gartenjahr mit einem Augenzwinkern in ihrer Kolumne. Inzwischen ist die 100. WESER-KURIER-Gartenkolumnen erschienen. Sie schildert die Ängste und Sorgen des Hobbygärtners und nimmt Marotten auf die Schippe.
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