
Lemwerder. Es ist 4,33 Meter lang, 795 Kilo schwer und hat vier Räder. Mit einem herkömmlichen Kleinwagen hat dieses Auto, dessen Chassis auf dem Industriegelände an der Flughafenstraße in Lemwerder entsteht, allerdings nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um das Fahrgestell für ein Auto, das bei der Abbott Automotive Ltd. im englischen Peterborough nördlich von London für die Rennstrecke entwickelt wurde. Dafür, dass es dem „Revolution Race Car” nie an Leistungsreserven fehlt, sorgt ein 3,6-Liter-V-6-Motor aus dem Ford-Regal mit satten 405 PS.
Halle 23 auf dem ehemaligen Flugzeugwerft-Gelände in Lemwerder. Wo bis zur Insolvenz des Rotorblattherstellers Carbon Rotec die Auszubildenden den Umgang mit Faserverbundwerkstoffen erlernten, ist heute der Firmensitz der CCS Carbon Composite Solutions GmbH. Elf Mitarbeiter stellen dort Fahrzeugteile für das 1,13 Meter flache „Revolution Race Car” her. Einige fertige Teile sind dort auch zu sehen, typisch ihre glänzende Carbon-Optik. Daneben gibt es Formen, Werkzeuge, Muster und den großen Tisch mit den Stoffrollen an den Stirnseiten, auf der die Kohlenstofffasergewebe unterschiedlicher Qualität auf ihre Verarbeitung warten. In der Nähe liegt eine Kotflügelverbreiterung für einen Nissan 350 Z aus extrem leichten Aramid (Kevlar). Wenn es auf Stabilität, Strapazierfähigkeit, Langlebigkeit und Sicherheit ankommt, gilt es als kaum zu übertreffendes Material. Damit fing alles an, wie CCS-Inhaber Sergej Plotnikow erzählt.
Heute ist das Herz der Produktion das Fahrgestell für den „Revolution Race Car”. Dabei handelt es sich um einen einteiligen hohlen Körper aus Kohlenstoff-Verbundwerkstoff, der zugleich als Fahrgastzelle dient. Die 70 Kilogramm leichte Zelle hat eine Knautschzone und bietet Platz für zwei Personen. Bei der Herstellung kommt ein spezielles, Infusion genanntes Fertigungsverfahren zum Einsatz, das von der Steifigkeit, vom Gewicht und der Festigkeit her alle Anforderungen erfüllt, die Kosten für das Fahrgestell jedoch gegenüber dem herkömmlichen Verfahren um 30 bis 40 Prozent senkt, wie Plotnikow erklärt. Entwickelt wurde es eigens für dieses Produkt von Dominik Dierkes und seiner Firma DD Compound GmbH in Ibbenbüren. Dort hatte Plotnikow auch seine erste Begegnung mit dem „Revolution Race Car”.
Denn als in Ibbenbüren vor zwei Jahren der Prototyp des Rennautos für den britischen Auftraggeber gebaut wurde, brachte Plotnikow seine Expertise als Prozessingenieur aus seiner Zeit bei Carbon Rotec ein. Das Projekt gelang. Das erste Serienfahrgestell, das nach dem neuen Verfahren hergestellt wurde, erhielt die Rennzulassung durch den internationalen Automobilverband FIA. Die Produktion startete mit zehn Fahrzeugen im Jahr, erinnert sich Plotnikow. Doch dabei sollte es nicht bleiben. „Gesucht wurde ein zuverlässiger Partner, der mindestens 50 Autos im Jahr bauen kann. Dann habe ich mich entschlossen, dass ich dieser Partner sein will.“
Für Plotnikow bedeutete der Entschluss etwas zu tun, was er nie angestrebt hatte. „Ich wollte nie selbstständig sein. Technische Verantwortung war okay, aber ich wollte nie Personalverantwortung.“ Gut möglich, dass das mit seinem eigenen beruflichen Werdegang zu tun hat. Denn seit Plotnikow 2003 bei ASL (Aircraft Services Lemwerder) eine Ausbildung begann, musste er zweimal miterleben, wie auf dem ehemaligen Gelände der Weser Flug hunderte Arbeitsplätze verloren gingen.
Mit seiner eigenen Firma CCS und anfangs drei Mitarbeitern ging er am 1. Januar 2020 an den Start. Fortan konnte er seine Erfahrungen mit der Verbundwerkstofftechnologie und der Zerspannungstechnologie während seiner Zeit bei ASL für die Herstellung der Autoteile nutzen. „Das war viel Arbeit“, erinnert sich Plotnikow an das Jahr 2020. An manchen Tagen sei er überhaupt nicht nach Hause gekommen. Damit er wenigstens ein wenig Schlaf bekam, hatte er sich ein Bett in den Aufenthaltsraum gestellt. Der Einsatz war ihm die Sache wert. Denn Plotnikow ist selbst begeisterter Motorsportler.
Die von CCS gesponserten Autos versteht Plotnikow denn auch als Technologieträger und Herausforderung, neue Technologien zu entwickeln. „Die Firma gibt es nur, weil ich diesen Sport machen möchte und damit ich ihn mir leisten kann.“ Gleichwohl ist die Firma mehr als nur ein Hobby. Denn auch, wenn der Unternehmer aus Leidenschaft seit Jahren als Technologieberater tätig ist und weiterhin sein möchte, plant er für CCS bereits den nächsten Schritt. Plotnikow denkt an den Aufbau von Produktionslinien und der Entwicklung eigener Produkte. Soviel verrät er schon: Im Gewerbegebiet AeroMare hat er sich schon mal die Fläche für einen möglichen neuen Standort reservieren lassen.
Sergej Plotnikow (34)
wuchs in Verden auf. 2003 kam er als Auszubildender zu ASL (Aircraft Services Lemwerder) nach Lemwerder. Nachdem dessen Mutterkonzern EADS den Standort schloss, wechselte Plotnikow zum Rotorblatthersteller SGL Rotec (später Carbon Rotec), der die Hallen übernahm. Ende 2017 meldete das Unternehmen Insolvenz an.
Seitdem ist Plotnikow als Technologieberater für die von früheren Kollegen aus Schlüsselpositionen bei Carbon Rotec gegründete ACT Applied Carbon Technologies GmbH unterwegs, um weltweit Kunden bei Fragen zur Produktion von Rotorblättern zu beraten. In der Zeit vor der Corona-Pandemie war seine Expertise derart gefragt, dass er jedes Jahr 180 bis 190 Tage im Ausland verbrachte. Auch in diesem Jahr war er bereits wieder unterwegs. Bis Anfang Februar begleitete er den Aufbau einer neuen Produktionslinie in Mexiko.
Nachdem er mehrere Jahre in Lemwerder und Vegesack wohnte, lebt Plotnikow heute zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in Blender in der Samtgemeinde Thedinghausen (Landkreis Verden).
Im Garten gibt es immer was zu tun. Unsere Redakteurin Patricia Brandt begleitet das Gartenjahr mit einem Augenzwinkern in ihrer Kolumne. Inzwischen ist die 100. WESER-KURIER-Gartenkolumnen erschienen. Sie schildert die Ängste und Sorgen des Hobbygärtners und nimmt Marotten auf die Schippe.
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