
Herr Sieling, als Sie antraten, erklärten Sie, dass es mit Ihnen eine Politik des ,Weiter so' nicht geben wird. Was haben Sie im Bremer Norden verändert?
Carsten Sieling: Wir haben den Wohnungsbau weiter intensiviert. Genauso wie die Entwicklung Vegesacks. Das war mir wegen der Debatte über die Probleme mit der Grohner Düne und dem Haven Höövt wichtig.
Und was ist mit Burglesum und Blumenthal?
Blumenthal wird jetzt einen Berufsschulcampus bekommen. Und in Burglesum hat sich der Industrie-Park zu einem Projekt mit besonderer Zugkraft entwickelt. 70 Prozent der in der Erschließung befindlichen Flächen sind bereits vermarktet.
Aber es gibt noch immer viele Blumenthaler, Burglesumer und Vegesacker, die meinen, dass der Norden vom Rest der Stadt abgehängt ist. Überrascht?
Ich sage jedem, dass der Norden zur Stadt gehört. Und dass wir seine Probleme ernst nehmen. Mit dem Senatsbeauftragten für den Norden haben wir etwas geschaffen, was kein anderes Stadtgebiet hat. Der Norden ist nicht nur wirtschaftlich gestärkt worden, sondern auch an den Rest der Stadt herangerückt.
Wozu musste dann noch ein Konzept für den Norden her, wenn vieles besser läuft?
Wir brauchen das Konzept, weil der Norden noch nicht da ist, wo ich ihn gerne sehen würde – beim Wohnungsbau ebenso wie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen.
Und was steht in dem Papier, was vorher noch nicht bekannt war? Dass Wohnungen und Arbeitsplätze fehlen, wusste Ihr Vorgänger auch schon.
Jens Böhrnsen hat als Erster den Norden zur Chefsache gemacht. Da konnte ich nahtlos anschließen. Wir haben jetzt die Aufgaben in einem Konzept zusammengefasst und wichtige Projekte hinzugefügt. Zum Beispiel eben den Berufsschulcampus für Blumenthal und den Umbau des Haven Höövt. Ich will mit dem Konzept auch die starre Ressortpolitik aufbrechen, sodass mehr gemeinsam für den Norden gearbeitet wird.
Aber dass aus dem Haven Höövt jetzt ein Stadtquartier wird, ist kein Projekt Bremens, sondern das eines Investors...
Als Stadt haben wir erst die Voraussetzungen geschaffen, damit ein Investor loslegen kann. Wir haben das Umfeld so verbessert, dass der Bau von Wohnungen für einen Projektentwickler interessant wurde. Jetzt sind auch die neuen Kameras am Bahnhofsplatz installiert worden, um für mehr Sicherheit zu sorgen.
Und wie steht es mit den Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze?
Seit 2015 sind in Bremen 20.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Und jetzt beginnt der vierte Bauabschnitt der A 281, von dem auch Nordbremer Firmen profitieren werden.
Die Arbeitnehmerkammer kam vor Jahren für den Norden auf 19 Arbeitsplätze je 100 Einwohner, so wenige wie nirgendwo in der Stadt. Wie viele sind es denn heute?
Auch da ist in den zurückliegenden Jahren einiges erreicht worden. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist im Norden deutlich gestiegen, von 30.558 im Jahr 2015 auf 32.453 in 2017. Die Auswertung der Arbeitnehmerkammer zeigt zudem, dass auch die Zahl der Arbeitsplätze am Arbeitsort wieder zugenommen hat.
Wirklich? Die CDU beklagt, dass auf Grundstücken der früheren Woll-Kämmerei, die eigentlich für Firmen vorgesehen sind, inzwischen Bäume wachsen.
Auf dem Gelände ist in der Vergangenheit viel investiert worden. Und es gibt positive Anzeichen der Weiterentwicklung. Darüber hinaus setzen wir mit dem Berufsschulcampus einen wichtigen neuen Akzent, der auch für neue Unternehmen interessant ist.
Die CDU kritisiert auch, dass im Nordkonzept nichts Substanzielles steht – weder, wann welches Projekt kommt, noch, wie viel Geld es für sie gibt. Wann werden Sie konkret?
Die Projekte sind mit den Beiräten und vielen anderen engagierten Vertretern aus dem Norden entwickelt worden. Da stecken eine Menge Arbeit und viele gute Ideen drin. Die Finanzierung wird im neuen Doppelhaushalt abgesichert.
Und wenn es im Mai zum Machtwechsel kommt – war das Konzept dann für die Katz'?
Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler am 26. Mai. Ich werde Wort halten und die verabredeten Dinge umsetzen.
Der Plan für den Norden ist vor Kurzem vom Senat beschlossen worden. Warum brauchte es dreieinhalb Jahre?
Die Arbeit am Konzept hat seine Zeit gebraucht, weil wir so viele Nordbremer Organisationen und Einrichtungen wie möglich beteiligen wollten.
CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder kritisiert auch die Arbeit des Nordbeauftragten. Er meint, dass der Norden in den Geschäftsbereich eines Senators gehört. Was halten Sie davon?
Der Norden ist bereits Chefsache im Rathaus. Wenn die CDU einen Senator will, der den Norden in seinem Geschäftsbereich hat, dann räumt sie dem Norden weniger Bedeutung ein, als er bisher hat.
Heißt das, dass bei einem Wahlerfolg der SPD alles so bleibt, wie es jetzt ist?
Was die Verantwortung angeht, ja. Was die Arbeitsweise betrifft, nein. In der nächsten Legislaturperiode will ich, dass die Ortsamtsleiter noch mehr zum treibenden Motor für die Entwicklungen vor Ort werden.
Wie soll das gehen? Ein Ortsamtsleiter ist ein Verwaltungsbeamter und kein Politiker, der Anträge stellen und Vorstöße machen kann.
Die Ortsamtsleiter und Beiräte kennen ihre Stadtteile sehr genau. Sie sind deshalb genau die Richtigen, um Entwicklungsprozesse in den Quartieren unter breiter Beteiligung zu steuern.
Wann, glauben Sie, wird der Norden mit anderen Gebieten der Stadt gleichgezogen haben?
Wie überall im Stadtgebiet so gibt es auch im Bremer Norden ganz unterschiedliche Lagen. Ich will gerade die Stadtteile, die vor besonderen Herausforderungen stehen, stärker unterstützen.
Laut einer Wahlumfrage hat die CDU mit der SPD mehr als bloß gleichgezogen: Die Oppositionspartei hat die Regierungspartei knapp hinter sich gelassen. Was nun?
Ich kämpfe dafür, dass die SPD wieder stärkste politische Kraft im Land Bremen wird.
Wie oft waren Sie in den vergangenen Monaten im Norden, um mit Burglesumern, Blumenthalern und Vegesackern zu sprechen?
Als Bürgermeister bin ich regelmäßig dort und komme im Schnitt wohl so auf etwa drei bis vier Termine pro Monat.
Dann müssen Sie noch aufholen: Ihr Herausforderer kommt nach eigener Rechnung auf 20 bis 30 Termine.
Die Betonung liegt auf ,nach eigener Rechnung'.
Carsten Meyer-Heder hat eine Kampagne gestartet, um bekannter zu werden. Wie viele Nordbremer, glauben Sie, kennen Carsten Sieling – und wissen, wofür er steht?
Wie viele Menschen im Bremer Norden mich kennen, weiß ich nicht genau. Aber laut Umfragen kennen mich die allermeisten Bremerinnen und Bremer.
Und wofür stehen Sie nun?
Ich stehe dafür, dass sich Bremen weiterhin wirtschaftlich gut entwickelt und dass jeder von seiner Arbeit leben kann. Deshalb haben wir jetzt auch einen neuen Mindestlohn in Bremen auf den Weg gebracht. Mir ist wichtig, die Bildungschancen zu verbessern und durch starke Quartiere den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Und ich will, dass noch mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Vor allem stehe ich dafür, dass Bremen bleibt, was Bremen schon immer war: weltoffen und sozial.
Sie stehen auch für einen Kauf der Vonovia-Wohnungen in Lüssum-Bockhorn. Wie gehen die Verhandlungen voran?
Die Gewoba prüft derzeit einen Kauf der Wohnungen. Das ist für uns eine wichtige Angelegenheit.
Vor Jahren hat Bremen die Chance vertan, Wohnungen der Grohner Düne zu kaufen. Es wurde kritisiert, dass Bremen zu zögerlich agiert hat. Wie gehen Sie diesmal vor?
Wie gesagt, die Gewoba ist an dem Thema dran und prüft mit der gebotenen Sorgfalt und Zügigkeit.
Und wie werden Sie beim Ausbau von Kitaplätzen vorgehen, die nach wie vor im Norden und anderen Teilen der Stadt fehlen?
Wir haben über 3000 neue Kitaplätze geschaffen. Es läuft das größte Ausbauprogramm, das es in Bremen je gegeben hat.
Und trotzdem fehlen Plätze...
Ja, das ist leider wie in jeder Kommune in Deutschland. Da hilft nur: Bauen, bauen, bauen – und in Fachkräfte investieren. Und das tun wir.
Es gibt noch andere Baustellen. Immer mehr Turnhallen sind marode – und jetzt auch die Gebäude des Vegesacker Freizeitbads. Welche Hoffnungen können Sie Vereinen und Badbesuchern machen?
Der Norden muss ein intaktes Schwimmbad haben. Das Sportressort ist an dem Thema dran. Wir werden ab 2020 die Mittel für die Gebäudesanierungen deutlich aufstocken. Und von unseren 120 Schulen im Stadtgebiet werden wir 95 in den nächsten Jahren modernisieren, natürlich auch die Turnhallen.
Die Fragen stellte Christian Weth.
ist seit 2015 Bremens Bürgermeister. Davor war er erst Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, dann Abgeordneter des Bundestages. Sieling hat Kaufmann gelernt und Ökonomie studiert. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Im Garten gibt es immer was zu tun. Unsere Redakteurin Patricia Brandt begleitet das Gartenjahr mit einem Augenzwinkern in ihrer Kolumne. Inzwischen ist die 100. WESER-KURIER-Gartenkolumnen erschienen. Sie schildert die Ängste und Sorgen des Hobbygärtners und nimmt Marotten auf die Schippe.
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