
Vegesack. Wenn Brigitte Müller und Karl Ernst-Erben über das Exponat „Sitzbank Leder“ sprechen, nennen sie das Sitzmöbel Rilke-Bank. Dazu später mehr. Dass die beiden Mitarbeiter des Museums in Vegesack diese Bank so genau in den Blick nehmen, liegt an der Digitalisierung des kompletten Fundus.
Bei der Erfassung der Gemälde, Zeichnungen, Möbel und sonstiger Gegenstände kommt es nicht nur auf die Maße, Materialien oder Techniken an, sondern auch auf Geschichte und Geschichten. Zusätzlich werden die Exponate aus verschiedenen Perspektiven fotografiert. All diese Daten werden mit dem Computer erfasst und zusammengebunden. Neben den Maßen 99x125x49 Zentimeter mit einer Sitzhöhe von 47 sind auch die Materialien (Eichenholz und Leder) erfasst sowie Messingziernägel im Beschlag gezählt worden. Gerade fotografisch sind einige Details, wie die geschnitzten Löwenköpfe oder die Drechselarbeiten, ausführlich dokumentiert. Datiert ist das Stück um 1895.
Solche Unklarheiten wurmen Brigitte Müller und Karl Ernst-Erben. „Wir wissen nicht, wer die Bank wann hergestellt hat“, sagt Brigitte Müller. Dafür ist bekannt, dass Gertrud Overbeck, Enkelin des Künstlerehepaares und Museumsgründerin, Gedichte über sie verfasst hat und auch die Ausstellungsgeschichte des Stückes ist bekannt. Und eben, dass der Dichter Rilke auf dieser Bank gesessen hat und seine Gedichte vorgelesen hat. Daher auch der Zusatztitel „Rilke-Bank“. „Wir wissen auch, dass es sich Kater Ernie gern bequem auf ihr gemacht hat. Durch diese Zusatzinformationen werden die Exponate lebendig. So wird die Bank von einem Möbelstück zu einem magischen Objekt. Das finde ich faszinierend“, schwärmt Müller mit Blick auf die Recherchearbeit. Den Blick für die Details habe sie erst im Laufe der Arbeit entwickelt. Zunächst sei sie eher assoziativ an ihre Aufgabe herangegangen. Jedes Stück verlangt dabei eine ausgeprägte Sorgsamkeit. „Wir müssen mitunter sehr vorsichtig vorgehen, damit keine Schäden entstehen“, betont Karl Ernst-Erben. So habe man bei einer von Fritz Overbeck verzierten Standuhr, darauf verzichten müssen, die gläserne Schutztüre vor dem Ziffernblatt zu öffnen. Das hat zwar die Fotoqualität etwas geschmälert, doch die Unversehrtheit des Exponats sei wichtiger gewesen.
Es ist ein Vorteil der entstehenden digitalen Datenbank, dass künftige neue Erkenntnisse bequem an die bestehenden Datensätze angefügt werden können. So entstehen ganze Dossiers zu den einzelnen Exponaten. Eine umfangreiche Verschlagwortung runden den Datensatz ab.
Seit nunmehr neun Jahren arbeitet das Museumsteam daran, den kompletten Fundus des Hauses digital zu erfassen. Die Arbeit ist beinahe abgeschlossen. Lediglich die 327 Zeichnungen von Hermine Overbeck-Rohte warten noch auf die Erfassung. „Wir überlegen allerdings, ob wir unsere Datenbank um Werke ergänzen, die nicht in unserem Besitz sind“, sagt Museumsleiterin Katja Pourshirazi. Das würde die Forschungsarbeit zum Künstler-Ehepaar voranbringen (siehe Zusatzartikel).
Bei der Digitalisierung hat sich das Museumsteam zunächst professionelle Hilfe dazugeholt. So sind die 1284 Zeichnungen von Fritz Overbeck mit einer Reproanlage abgelichtet worden. Die größeren Ölgemälde sind mithilfe des Fotografen Bernd Wurtmann abgelichtet worden. Dazu sind sie auf Staffeleien oder Podeste gestellt worden. „So konnten sie diffus ausgeleuchtet werden, um Glanz, Schatten oder Reflektionen zu vermeiden“, erläutert Karl Ernst-Erben das Vorgehen. Mittlerweile hat er die Fotoarbeiten übernommen.
Durch die Erfassung der Exponate ergeben sich auch Querverbindungen. Beispielsweise zur Zeichnung „Wohnstube mit Lederbank 1897 -1905“ von Fritz Overbeck, wo die „Rilke-Bank“ zu sehen ist. Diese Verbindungen unterstützen darüber hinaus die Recherche-Arbeiten. Denn so ist nun auch bekannt, dass die Bank auf dem Dachboden des Bröckener Hauses bei Vegesack gestanden hat. Bröcken ist eine alte Gemarkung im Vegesacker Ortsteil Schönebeck, in der das Wohnhaus der Overbecks stand. „So setzt sich Mosaikstein um Mosaikstein zusammen. Unser Fundus ist ein wahrer Schatzkasten an Ressourcen“, beschreibt Müller.
Bald ist der komplette Fundus digitalisiert. Den Nutzen schätzt Museumsleiterin Katja Pourshirazi gleich in mehreren Bereichen groß ein. „Vor allem die Verschlagwortung wird mir bei der Kuratierung von Ausstellungen enorm helfen“, sagt sie. Denn dann könne am Computer bequem nach Suchbegriffen oder Jahreszahlen gesucht werden und das aufwendige Blättern in Ordnern fällt weg.
Doch nicht nur die eigene Arbeit kann von einem digital erfassten Fundus profitieren. So gut wie andere Künstler ist das Ehepaar Overbeck noch nicht erforscht. „Wir sind also froh, wenn in diese Richtung geforscht wird“, sagt Pourshirazi. Für Doktoranden oder wissenschaftliches Personal aus anderen Häusern könne ein digitaler Zugriff auf den Fundus daher interessant sein. „Das Thema Künstlerkolonie halte ich gerade im europäischen Kontext für sehr aktuell“, sagt Pourshirazi. Es sei spannend zu untersuchen, welche Techniken Anwendung in ganz unterschiedlichen Regionen gefunden hätten, ohne dass es intensive Kontakte untereinander gegeben hätte. Daher stehe auch die Überlegung im Raum, neben dem eigenen Fundus auch Overbeck-Werke aus anderen Häusern oder privaten Besitz zu digitalisieren.
Ein im Computer von praktisch überall abrufbarer Museumsfundus würde nach Einschätzung der Museumsleitung auch die Anfragen nach Leihgaben erhöhen und damit die überregionale und internationale Sichtbarkeit des Museums steigern. „Leihgaben an andere Häuser festigen das Gewicht der Künstler und werden auch einige neue Gäste nach Vegesack locken“, ist sich Pourshirazi sicher.
Wechselnde Ausstellung
Das Overbeck-Museum widmet sich dem künstlerischen Nachlass des Malerehepaares Fritz und Hermine Overbeck. Die Sammlung setzt sich zusammen aus Ölgemälden, Zeichnungen, Radierungen, Aquarellen, Gouachen und Fotografien. Zum erweiterten Sammlungsbestand gehören außerdem Briefe, private Fotografien, Dokumente und Objekte (Malutensilien, Möbel und Bücher) des Malerpaares. Das Overbeck-Museum versteht es als seine Aufgabe, diese Sammlung in wechselnden Ausstellungen öffentlich zugänglich zu machen und unterstützt dabei nach Möglichkeit auch Ausstellungen in anderen Museen mit Leihgaben.
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