Journalistin Pörzgen über Trump und Fake News „Einer Demokratie unwürdig“

„You are Fake News!“ Mit Frontalangriffen wie diesen mache Donald Trump kritische Medien zum Hassobjekt, meint die Journalistin Gemma Pörzgen. Am 23. Januar ist sie mit einem Vortrag in Delmenhorst zu Gast.
15.01.2019, 21:29 Uhr
Lesedauer: 6 Min
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Von Björn Struß

Es gibt historische Ereignisse, da weiß jeder noch genau, wo er in dem Moment war. Der 11. September 2001 ist so ein Tag. War auch die Wahl von Donald Trump für Sie solch ein Ereignis?

Gemma Pörzgen: Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, wo ich da gewesen bin. Natürlich war die Wahl von Trump ein echter Schock, an den ich mich erinnere. Ehrlich gesagt war ich aber nicht so überrascht wie viele andere.

Seine Wahl hielten manche für unmöglich. Sie nicht?

Nach der ersten TV-Debatte zwischen Hillary Clinton und Trump war ich fest davon überzeugt, dass er gewinnen wird. Clinton ist sehr kalt und abgehoben aufgetreten, als sichtbares Mitglied einer elitären Klasse. Ich hatte die Befürchtung, dass es Trump mit seinen einfach formulierten Botschaften leicht haben würde. Mich hat die Vorstellung entsetzt, dass ich als US-Bürgerin nur die Wahl zwischen diesen beiden Politikern hätte. Aus Not hätte ich Clinton gewählt, aber sicher nicht aus politischer Überzeugung.

Trump war in der Lage, konstant Schlagzeilen zu produzieren, war auf allen Kanälen präsent. War das sein Erfolgsrezept?

Den Umgang mit den klassischen Medien halte ich da nicht so für ausschlaggebend. Aber er hat offenbar die sozialen Netzwerke sehr geschickt genutzt. Untersuchungen zeigen, dass im Wahlkampf sehr viele „Social Bots“ und gezielte Falschinformationen eingesetzt wurden. Das sind Computerprogramme, die Nachrichten automatisch verbreiten. Sie können auch vortäuschen, eine Gruppe von Menschen zu sein, obwohl es nur Algorithmen sind. Damit war das Wahlkampfteam von Trump sehr erfolgreich. Dieses Vorgehen lässt sich aber nur begrenzt auf Deutschland übertragen. Denn das Mediensystem der USA unterscheidet sich sehr von Deutschland. Dort gibt es keinen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in der Breite des Landes ein journalistisches Korrektiv sein könnte. Sogar CNN hat eine erschreckend geringe Reichweite. Ein Sender wie Fox News, der Trump sehr wohlgesonnen ist, hat es dann leicht, mit seinen einfachen politischen Botschaften durchzudringen.

Sind die USA also anfälliger für die Manipulationen von Social Bots, weil es keinen etablierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt?

Es gibt dort ja schon fantastische Zeitungen wie die New York Times oder die Washington Post. Wenn man sich aber ansieht, wo diese gelesen werden, sind es doch recht elitäre Medien. Seitdem Trump an der Macht ist, steigen die Auflagen dieser Zeitungen. Es gibt also offenbar ein Bedürfnis nach Journalismus mit Qualität. Aber wenn man die Leserzahlen in Relation zu der Größe des Landes setzt, ist das gar nicht so viel.

Trump hat wie kein anderer den Begriff „Fake-News“ geprägt. Was meint er damit?

Der Begriff ist sehr problematisch, insbesondere weil Trump ihn als Schimpfwort gegenüber kritischen Journalisten und Medien verwendet. Fast schon legendär ist eine Pressekonferenz im Januar 2017, als Trump zu dem CNN-Reporter Jim Acosta sagte: 'Ich werde Ihnen keine Frage gewähren. Sie sind Fake-News.' Diese Beleidigung zeigte einen Umgang des Präsidenten mit der freien Presse, der einer Demokratie unwürdig ist.

Was genau meinen Sie mit unwürdig?

Diese Form des Umgangs kennen wir eigentlich aus Diktaturen. Bei Reporter ohne Grenzen beschäftigen wir uns viel mit Ländern, in denen Journalisten beschimpft oder sogar verfolgt und inhaftiert werden. Dort greifen Herrscher oft auf die Diskreditierung von Journalisten zurück. Aber in einer Demokratie muss es einen anderen Respekt im Umgang mit Journalisten geben und ein grundsätzlich anderes Verständnis für die Rolle dieses Berufsstandes. Schließlich dienen wir der Information der Bürger. Eine besondere Errungenschaft ist in Deutschland beispielsweise die Bundespressekonferenz. Dort laden die Journalisten die Regierung ein und bestimmen die Agenda.

Müssen sich Journalisten im Umgang mit Trump nicht einfach ein dickeres Fell zulegen?

Ein dickes Fell kann bei Journalisten natürlich nie schaden. Andererseits braucht es gewissen Stil im Umgang, der gegenseitigen Respekt ausdrückt. Wir stellen unsere Fragen ja nicht im eigenen Interesse, sondern um die Öffentlichkeit zu informieren. Und es gibt ein Recht auf bestimmte Informationen und Auskünfte von Behörden, um dieser wichtigen Funktion in der Demokratie gerecht zu werden. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass wir als Journalisten eine gewisse Verantwortung tragen.

In Trumps Angriffen auf die Medien sehen viele eine Grenzüberschreitung, doch seine Anhänger bejubeln es. Ist die größte Gefahr, dass sein Stil zum Vorbild wird?

Es ist ein Problem, wenn Journalisten so zum Hassobjekt stilisiert werden. Die Menschen erfassen dann nicht mehr, dass wie einer wichtigen Aufgabe nachgehen, sie verlässlich zu informieren. Interessant war aber der Moment, als Trump versucht hat, dem CNN-Reporter Acosta die Akkreditierung für das Weiße Haus zu entziehen. Da war dann auf einmal auch die Konkurrenz von Fox-News auf seiner Seite. Diese Solidarität unter Journalisten ist in so einem Moment sehr wichtig.

Man sagt: Nichts vereint eine Gruppe besser als ein gemeinsamer Feind. Könnte das Feindbild Trump den krisenbehafteten Journalismus also stärken?

Das Wort „Feind“ mag ich in diesem Zusammenhang nicht. Auch wenn Trump einem nicht passt, ist er der nun mal der gewählte Präsident der USA. Auch im Umgang mit ihm sollte es eine faire Berichterstattung geben. Ich habe selbst in Ländern gearbeitet, die problematische Staatsoberhäupter haben. Trotzdem wollte ich immer in einer Form schreiben, die auch ihrem Amt gerecht wird. Richtig ist aber, dass manche US-Medien sich nach dem Machtantritt von Trump neu aufgestellt haben. Die New York Times hat tatsächlich mehr Leute angestellt. Sie hat erkannt, dass man einem solchen Präsidenten mit mehr journalistischer Qualität begegnen muss. Und am Zuspruch der Leser sieht man, dass das offenbar ankommt. In polarisierenden Zeiten gibt es bei der politisch interessierten Bevölkerung eine große Nachfrage nach guter Information. Ich würde mir wünschen, dass man das auch in Deutschland erkennt.

Donald Trump ist auch in Deutschland medial sehr präsent und generiert online bei News-Portalen massenweise Klicks. Ist er also in gewisser Weise auch ein Segen für die Medien?

Ich sehe das eher kritisch. Ich habe die Sorge, dass diese starke Personalisierung in der Auslandsberichterstattung zu einer Fehlentwicklung führt. Trump wird immer mehr zum Gesicht der USA, so wie das Erdogan für die Türkei ist und Putin für Russland. Hinter den Personen verschwinden die Geschichten der Menschen aus diesen riesigen Ländern. Wir lesen viel über die Staatsoberhäupter, erfahren aber wenig über das Leben der Bevölkerung.

In der kommenden Woche besuchen Sie Delmenhorst. Ihr Vortrag trägt im Titel die Frage, ob „Fake News“ unsere Demokratie destabilisieren könnten. Was meinen Sie damit?

„Fake News“ ist inzwischen zu einem schillernden Modebegriff geworden. Viele Leute benutzen ihn, wenn klassische Medien einen Fehler machen. Fehler passieren leider, wir sind alle Menschen. Falschmeldungen hat es immer gegeben, früher sprach man auch von „Enten“. Bei diesem neuen Phänomen geht es um bewusst lancierte Falschnachrichten, die für PR, Propaganda oder zur Desinformation online eingesetzt werden und der Manipulation dienen. Ich denke, dass so etwas destabilisierend wirken kann. Ich sehe deshalb mit Sorge, dass die Presselandschaft in Deutschland durch den Verlust traditioneller Geschäftsmodelle und den dadurch verordneten Spardruck in den Redaktionen immer mehr Lücken in der Berichterstattung hat. In den neuen Bundesländern stehen in diesem Jahr drei Landtagswahlen an. Dort sind wir mit Qualitätsmedien nicht gut aufgestellt. Und gleichzeitig pusten die sozialen Medien sehr viele irreführende Informationen in die Welt. Bei meinen Vorträgen erlebe ich oft ein Publikum, das nicht mehr weiß, wem man noch glauben kann. Gerade junge Menschen lesen kreuz und quer im Internet. Aber auch ältere Menschen verlieren angesichts der Informationsflut leicht die Orientierung. In einer Demokratie müssen wir aber gut informiert sein, um richtig wählen zu können.

Das Interview führte Björn Struß.

Info

Zur Person

Gemma Pörzgen (56)

ist freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Außenpolitik und Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen. Am Mittwoch, 23. Januar, ist sie im Haus Adelheide, Abernettistraße 43, zu Gast. Die Veranstaltung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik trägt den Titel „Zwei Jahre Donald Trump – Fake News! Destabilisieren sie unsere Demokratie?“ und beginnt um 19.30 Uhr.

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