„Kommen Sie ruhig rein, das ruckelt sich schon zurecht.“ Lächelnd begrüßte Bürgermeister Willy Hollatz am Dienstag über 30 Väter und Mütter mit Kleinkindern im Ratssaal. Die große Zahl überraschte den Verwaltungschef, doch es ruckelte sich zurecht. Bald saßen alle Eltern, ein paar Kleine tollten durch den Saal und erkundeten krähend die neue Umgebung. Was sich nicht zurecht ruckelte, war die Problemlage: In Lilienthal fehlen Krippenplätze. Im September beginnt das neue Kindergartenjahr. Viele Eltern warten auf einen Betreuungsplatz, obwohl sie einen Rechtsanspruch darauf haben.
Die „Sauren Muttis“ werden immer mehr. Sie haben eine Facebook-Seite eingerichtet und sich als Gruppe formiert. Inzwischen haben sich 45 Familien eingeklinkt. Alle haben ein Problem: Ihnen fehlen Krippenplätze für ihre ein bis drei Jahre alten Kleinen. Deshalb wollen die „Sauren Muttis“ mit dem Bürgermeister sprechen, Willy Hollatz und Fachbereichsleiter Andreas Cordes werben um Verständnis für die Probleme der Gemeinde, die hohe Nachfrage zu befriedigen. 66 Prozent aller Eltern mit Ein- bis Dreijährigen suchen Betreuungsplätze, Tendenz: weiter steigend.
Das habe die Gemeinde überrascht, sagen Hollatz und Cordes – und stoßen auf Unverständnis bei den Eltern. Seit einem Jahr gebe es den Rechtsanspruch für unter Dreijährige. Alle seien gemeldet, die Kinderzahl sei im Rathaus bekannt. Mit der hohen Nachfrage habe die Gemeinde rechnen müssen, betonen Mütter und Väter, gerade jetzt, wo die Straßenbahn Lilienthal so attraktiv mache. Es werde viel gebaut, junge Familien zögen in die Baugebiete.
„Viele Einzelwünsche“
So einfach sei die Sache nicht, argumentiert Cordes. „Ich kann sehen, wie viele Kinder ich habe. Aber ich kann nicht sagen: Ich schaffe Plätze für 200 Kinder, und nachher sind 60 Plätze frei.“ Erst die Anmeldungen dokumentierten die Nachfrage. „Wir müssen dann probieren, es organisatorisch hinzubekommen.“ Absagen hätten nur Eltern bekommen, deren Kinder von Tagesmüttern betreut würden, bei allen anderen handele es sich um Zwischenbescheide. Es werde weiter versucht, Lösungen für alle Einzelfälle zu finden. Die Eltern überzeugt das nicht. Sie pochen auf den Rechtsanspruch. „Die Baupreise explodieren. Wer kann sich das noch leisten?“, fragt Wolfgang Schumm. „Da müssen beide Eltern arbeiten“. Das sei absehbar gewesen, die Nachfrage könne die Gemeinde nicht überraschen. 50 Prozent der 45 Eltern der Facebook-Gruppe suchten eine Ganztagsbetreuung. Das sei seit der Geburt klar, die Gemeinde hätte es erfragen können.
Cordes sprach von dem Problem, „sehr viele Einzelwünsche zu erfüllen.“ Es gebe Eltern, die lange Betreuungszeiten wünschten, sich aber dann mit Blick auf die höheren Kosten anders entschieden. Die Probleme der Gemeinde interessieren das Gros der Eltern wenig. Sie sehen ihr eigens: Dass sie wenige Monate vor Beginn des neuen Kindergartenjahres noch immer ohne Betreuung dastehen.
Am 24. Juni kommen die Eltern zum nächsten Gespräch ins Rathaus. Dazu will Hollatz einen Vertreter des Landkreises einladen. Der ist für die Tagesmütter zuständig und zahlt ihnen einen Zuschuss pro Kind und Stunde. Das reiche nicht, kritisieren Eltern und Tagesmütter. Die Elternbeiträge für Tagesmütter seien höher als die Kindergartengebühren – unzumutbar. Das Problem der fehlenden Betreuungsplätze beschäftigt auch den Sozialausschuss der Gemeinde. Der tagt am 2. Juni ab 18 Uhr im Rathaus.