Bremen-Nord. Früher sah Peter Nowack die Bahrsplate und hinter ihr die Weser, wenn er auf dem Balkon seiner Wohnung stand. Jetzt sieht er das Schulschiff und hinter ihm erst die Lesum, dann die Weser. Nowack ist mittlerweile nicht nur Ex-Ortsamtsleiter, sondern auch Ex-Blumenthaler. Seit dieser Woche ist er, wenn man so will, Neu-Grohner. Er wohnt in einem Mehrparteienhaus direkt an der Wasserkante. Es ist nicht der einzige Vertrag, den Nowack seit seiner Wahlniederlage unterschrieben hat.
Er hat gemacht, was er eigentlich nie tun wollte: Blumenthal, wo er geboren und aufgewachsen ist, verlassen. Für ihn bisher undenkbar. So sagte er es zumindest, als er, ohne einen Plan B zu haben, in die Wahl gegangen ist. Und so wiederholte er es, als er sie verloren hat. Nowack sprach hinterher von einem Komplott gegen ihn, wofür er sich später entschuldigte. Jetzt spricht er davon, dass das alles hinter ihm liegt. Schaut er von seiner neuen Terrasse in Richtung Vulkan-Gelände, kann er, wenn die Sicht gut ist, gerade noch den Stadtteil erkennen, in dem er zehn Jahre das Ortsamt geleitet hat.
Dass Nowack mit seiner Frau umgezogen ist, hat ihm zufolge keine psychologischen, sondern rein pragmatische Gründe. Das Mehrfamilienhaus, in dem sie vorher gewohnt haben, war nicht barrierefrei. Die Nowacks wohnten im vierten Stock. Einen Fahrstuhl gab es nicht. Jetzt haben sie einen. Und brauchen ihn auch. Ihre neue Wohnung ist eine Penthouse-Wohnung. Und das Haus ein Haus ohne Hürden. Alles ist schwellenlos, auch die Dusche im Bad. Und wer will und nicht mehr so mobil ist wie früher, kann als Mieter mehrere Serviceangebote dazubuchen. Nowack spricht von seinem Altersruhesitz.
Konzern im Wandel
Nur dass es für ihn noch zu früh ist, sich zur Ruhe zu setzen. Er ist 60. Darum hat Nowack noch einen zweiten Vertrag unterschrieben. Er ist wieder das, was er vor seiner Zeit als Ortsamtsleiter war: ein Angestellter der Deutschen Bahn. Beim Ausbesserungswerk in Sebaldsbrück hat er erst Schlosser gelernt, dann Kaufmann. Dann war er Mitglied des Betriebsrats, später der Chef. Auf seiner Visitenkarte steht heute etwas anderes: Fachreferent für Zukunftsprojekte. Nowack sagt, dass er für die Instandhaltungsgesellschaft der Bahn prüfen soll, welche alternativen Antriebssysteme die größten Potenziale haben.
Im Grunde soll er vorbereiten, was viele Firmen beschäftigt, die bisher auf Verbrennungsmotoren gesetzt haben und nun auf Elektro- und Wasserstofftechnik setzen wollen beziehungsweise müssen: den Wechsel. Nowack zieht Parallelen zu seiner Arbeit als Betriebsrat, weil es um Jobs geht – und zu seiner Zeit als Ortsamtsleiter in Blumenthal, wo er geholfen hat, den Stadtteil zum Messestandort für E-Mobilität zu machen. Im Prinzip, meint er, haben die Sebaldsbrücker Geschäftsführer jemanden gesucht, der sich für die Energiewende interessiert und zugleich in Politik und Verwaltung vernetzt ist.
Nowack spricht von verschiedenen Verhandlungen, bei denen er inzwischen dabei war. Mal hatte er es mit Entscheidern der Bahn zu tun, mal mit Abteilungsleitern des Bundesverkehrsministeriums. Eigentlich müsste er jetzt oft auf Dienstreise sein. Doch wie bei vielen Beschäftigten ist sein Zuhause wegen Corona nun auch sein Büro. Nowack sagt, dass alle Konferenzen bisher Videokonferenzen waren. Dass die Bahn ihm einen Multimedia-Arbeitsplatz eingerichtet hat. Und dass der Vertrag mit ihr unbefristet ist. Seit Anfang Juni ist Nowack wieder Eisenbahner. Ende Mai endete seine Zeit als Ortsamtsleiter.
Nach eigenem Bekunden hätte er auch etwas anderes machen können. Nowack sagt, dass er ein halbes Dutzend Jobangebote hatte. Zum Beispiel von einer Krankenhausgesellschaft, die einen neuen Berater für Umstrukturierungen brauchte. Zum Beispiel vom Senat, der jemanden mit guten Kontakten und Netzwerkerfahrung suchte. Doch Nowack meint, keinen Job gewollt zu haben, für den er nicht nur Blumenthal, sondern auch Bremen hätte verlassen müssen. Und auch keinen, bei dem es später geheißen hätte, dass die SPD dem Sozi Peter Nowack einen Posten im Rathaus verschafft hat.
Der Sozi Nowack will allerdings auch nicht für immer unpolitisch sein. Nur bis zum Jahresende. So lange, sagt er, will er sich aus allem heraushalten. Oder es zumindest versuchen. In dieser Woche hat es mit seiner selbst auferlegten Enthaltsamkeit nicht so gut geklappt. Er kommentierte auf Facebook, dass ein Fraktionsmitglied der Grünen des Blumenthaler Beirats am Wochenende bei einer Demonstration in Berlin dabei war, bei der auch Corona-Leugner, Verschwörungsideologen und Rechtsextreme mitgelaufen sind. Jetzt, meint er, aber wirklich bis zum Jahresende durchhalten zu wollen.
Nowack will nicht, dass ihm nachgesagt wird, nicht loslassen zu können und sich immer einmischen zu müssen. Er nennt das seine ganz persönliche Polit-Diät und glaubt, dass sie ihm guttun könnte. Fünf Monate noch. Danach kann nach Nowacks Worten aus dem vorübergehend unpolitischen wieder ein politischer Akteur werden. Er sagt, dass es mehrere Leute gibt, die ihm geraten haben, sich doch für die nächste Bürgerschaftswahl aufstellen zu lassen. Nowack hat ihnen geantwortet, was er auch jetzt sagt: Dass er bisher nichts geplant hat und deshalb auch nichts ausschließt.