Landkreis Osterholz. „Bei Null fangen wir nicht an. Feuerwehr verlernt man nicht“, versichert der Osterholz-Scharmbecker Stadtbrandmeister Jörg Bernsdorf. Aber er zieht den Vergleich mit einem Fußballprofi heran, an dem eine Trainingspause von drei Monaten auch nicht spurlos vorübergehen würde. „Um Handgriffe sicher und zügig zu beherrschen, bedarf es regelmäßiger Übung.“ Bernsdorf war daher heilfroh, dass die durch Corona verursachte dienstliche Zwangspause der Feuerwehrleute am vergangenen Dienstag endete. In der Feuerwache an der Heimstraße stand zunächst nur Theorie auf dem Dienstplan. „Praxis mit Anfassen ist noch nicht machbar“, so Pressesprecher Marcus Zylka. Daher rücken zunächst Themen wie Gerätekunde in den Vordergrund. Mitte des Monats soll es dann in die Praxis gehen. „Der Einsatz mit Atemschutzmasken bei starker Rauchentwicklung muss trainiert werden. Und das gilt nicht weniger für das Öffnen von Autos mit hydraulischen Mitteln, das bei vielen Verkehrsunfällen nötig ist“, nennt Bernsdorf zwei Beispiele für die schwierige Arbeit der Feuerwehr.
Die Feuerwehr ist systemrelevant. Um die Einsatzbereitschaft der sogenannten kritischen Infrastruktur nicht zu gefährden und das Infektionsrisiko möglichst niedrig zu halten, wurden die Dienste im März ausgesetzt. Die jetzt vorgenommenen Lockerungen folgen dem sogenannten Niedersächsischen Stufenplan, der den allmählichen Einstieg in eine „neue Normalität“ regelt und unter anderem Beschränkungen der Versammlungsfreiheit schrittweise aufhebt. „Ende Mai haben wir mit dem Entwurf einer kreisweiten Strategie begonnen, um im Juli mit der ersten Etappe des vom Land vorgegebenen Stufenmodells beginnen zu können“, berichtet Bernsdorf. Die Feuerwehrhäuser seien vorbereitet: Einbahnstraßensystem, Tische auf Abstand, Desinfektionsmittel. Für den theoretischen Unterricht, so Bernsdorf, wird eine Aufteilung in Gruppen unterschiedlicher Größe vorgenommen, „die zeitversetzt arbeiten und sich nicht durchmischen dürfen, damit nicht am Ende die Einsatzbereitschaft einer ganzen Ortsfeuerwehr gefährdet ist“. Das Hygienekonzept wurde auf der Basis einer Muster-Dienstanweisung der Feuerwehr-Unfallkasse erstellt.
Gruppen à zehn Personen
Die Wehren in der Samtgemeinde Hambergen befinden sich derzeit in Stufe zwei mit praktischen Übungen. „Das ist auch wichtig“, sagt Gemeindebrandmeister Jens Bullwinkel. „Wir haben Nachholbedarf.“ Fehlende Übung ist seiner Meinung nach in Einsätzen schon bemerkbar. Vor allem beim Atemschutz sei sie wichtig. Deshalb haben die Feuerwehren der Mitgliedsgemeinden auch schon Stufe eins intensiv genutzt, die theoretischen Unterricht beinhaltete. In Absprache mit Samtgemeindebürgermeister Reinhard Kock und dem Segen der Landesregierung starteten sie bereits am 1. Juli damit. „Wir haben dafür ein Hygienekonzept erarbeitet“, erklärt Bullwinkel. Es enthielt Elemente wie etwa Einbahnwege und die Aufstellung von Desinfektionsmitteln.
Auch bei den praktischen Übungen gibt es Einschränkungen. „Wir üben in Gruppenstärke“, erläutert Bullwinkel. Das sind immer zehn Personen. Sie kommen dabei nicht in Berührung. Wenn eine Gruppe mit einem Fahrzeug am Feuerwehrhaus übt, fährt eine weitere Gruppe an eine andere Stelle. Wenn eine Gruppe von Corona betroffen sein sollte, schütze das die anderen. Bei Übungsdiensten könne das gut bewerkstelligt werden, doch im Ernstfall blieben Zweifel. Dann, so Jens Bullwinkel, wisse ja keiner, wer am Einsatz letztlich teilnehmen könne. Die Gruppen im Ernstfall zu trennen, sei schwierig bis unmöglich, wenn die Einsatzstärke erreicht werden soll.
Am 1. September wollen die Hamberger Feuerwehrkameraden wieder mit der Jugendarbeit starten. Der Ausfall der Zeltlager hat sie in diesem Zusammenhang hart getroffen. Die seien sehr beliebt. Die Jugendwarte seien nun gefragt. Sie müssten die Jugendlichen wieder motivieren. Jens Bullwinkel hofft auf einen Normalbetrieb im Herbst. Das sei das Ziel. Es bleibe aber abzuwarten, wie die Corona-Pandemie verlaufe.
Die Ritterhuder Brandschützer stehen ebenfalls in den Startlöchern, bestätigt der stellvertretende Gemeindebrandmeister Kai Sasse: „Wenn alles geregelt ist, kann ab sofort jede Feuerwehr loslegen.“ Heißt: wenn letzte Vorbereitungen wie das Aufstellen von Handdesinfektionsspendern getroffen und Tische auf Abstand gebracht sind. „Die Ortsfeuerwehr Lesumstotel-Werschenrege startet beispielsweise am dritten Donnerstag im August“, so Sasse weiter, der gleichzeitig Ortsbrandmeister von Lesumstotel-Werschenrege ist. Mit dem Termin hätten sie sich an ihrem alten Dienstplan orientiert.
Obwohl Sasse aufgrund des Wetters gern direkt mit praktischen Übungen starten würde, „halten wir uns strikt an den Sechs-Stufen-Plan“. Beim ersten Übungstreffen seit März steht somit Theorie auf dem Programm. Um dabei die Abstandsregeln einhalten zu können, musste die Mannschaft in Gruppen aufgeteilt werden. Kein Raum wäre für alle groß genug gewesen. „Wir sind schließlich 32 aktive Kameraden in Lesumstotel-Werschenrege.“ Ab sofort würden sie in drei Gruppen üben. Und das an drei aufeinander folgenden Tagen. Sasse: „Der Raum muss ja nach dem Unterricht desinfiziert werden, und die Gruppen dürfen sich außerdem nicht begegnen.“
Diese Vorgaben stammen vom Land. Sie haben sie auf ihre Feuerwehr runterbrechen müssen. „Das zu organisieren, ist echt schwierig“, sagt Sasse. Für sie bedeute das viel zusätzliche Arbeit. Dabei würden sie das alles ehrenamtlich machen. So manche Vorgabe habe ihn außerdem vor wahre Rätsel gestellt. „Wie sollen wir das hinkriegen?“, habe er sich dann gefragt und seine Kollegen um Hilfe gebeten. „Das geht nur gemeinschaftlich, sonst ist das nicht zu machen“, sagt er.
Trotzdem: Kai Sasse findet es sehr gut, dass es endlich wieder losgeht. Nicht nur, weil es wichtig sei, die Ausbildung wieder aufzunehmen. „Das Soziale hat total gefehlt; dass man sich ausquatscht, das gab es ja nicht mehr; das war alles von einem Moment zum anderen vorbei.“