Landkreise Osterholz/Rotenburg. Kurze Zeit liefen die Gaststätten im Notbetrieb, im Durchhaltemodus, jetzt sind sie ganz geschlossen – nach den von den Behörden angeordneten Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus stecken die Restaurants und Hotels mitten drin in einer existenziellen Krise. Bis zu 23 Menschen arbeiten im Hotel Rohdenburg in Lilienthal. Normalerweise, denn Inhaber Carsten Rohdenburg hat sie alle nach Hause geschickt. Es gibt für sie nichts mehr zu tun, um die wenigen Geschäftsleute, die im Hotel noch übernachten, kümmern sich Rohdenburg und seine Familie nun persönlich. Für die fest angestellten Leute hat er Kurzarbeitergeld beantragt, die Aushilfen mit ihren 450-Euro-Verträgen ganz gehen leer aus.

Carsten Rohdenburg hat sein Personal nach Hause geschickt.
Das Restaurant, das er vorige Woche noch bis 18 Uhr hätte betreiben dürfen, hatte er gar nicht erst mehr aufgemacht. „Das öffnen wir normalerweise um 16 Uhr“, sagt Rohdenburg. Doch schon in den vergangenen Tagen sei niemand mehr gekommen. Und so gab es im Hotel lediglich eine Notbewirtung für die Hotelgäste, die immer weniger werden. „Wir müssen irgendwie durchhalten“, sagt Rohdenburg, der als örtlicher Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands den Überblick über die Branche hat. Wichtig sei nun, dass die Betriebe ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können und nicht insolvent werden. „Wir haben den Betrieb runtergefahren und reden mit unseren Banken und mit dem Finanzamt“, so Rohdenburg. Und, klar, hoffe er auf Liquiditätshilfen vom Staat: „Die gastronomischen Betriebe brauchen Geld, um diese Durststrecke, von der keiner weiß, wie lange sie dauern wird, durchstehen zu können.“
„Jeder Anruf ist eine Stornierung“, sagt Ernst Lütjen vom Grasberger Hof, der Umsatz gehe gegen Null. Bis Juni seien sämtliche Familienfeiern abgesagt worden. Geplatzt ist auch das Ostergeschäft mit üblicherweise bis zu 400 Gästen. Im Moment seien einige Übernachtungsgäste im Haus. „Wir leben von Großveranstaltungen“, sagt Lütjen, die machten 80 Prozent des Umsatzes aus, das À-la-Carte-Geschäft eben nur 20 Prozent. Und auch das ist zusammengebrochen: „Am Mittwoch haben wir drei Essen für Hotelgäste gemacht und eins außer Haus verkauft“, beschreibt er den derzeit laufenden Notbetrieb. Die fünf Angestellten und 40 Aushilfen befinden sich in der Zwangspause, nur er selbst und seine drei Geschwister halten die Stellung. Wie lange wird das gut gehen? „Bis Juni können wir die Krise wohl überstehen, dann droht die Insolvenz.“ Und er fügt hinzu: „Das würde in unserem Fall einen kerngesunden Betrieb treffen, 35 Jahre haben wir dafür gearbeitet.“
Hoffnung auf schnelle Hilfen
Lütjen wünscht sich nun vor allem klare Ansagen, wo und wann es beispielsweise Hilfsgelder zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit gibt. „Diese Hilfen brauchen wir vor allem ganz schnell, denn die Kosten laufen ja weiter.“ Und persönlich wünscht er sich „drastischere Maßnahmen“ zur Eindämmung des Virus: „Ich bin für eine konsequente Ausgangssperre und für die Schließung aller Läden, die man nicht dringend zum Leben braucht. Also auch Friseure, Bau- und Gartenmärkte, damit die Krise schnell beendet wird und sich nicht noch über den Sommer hinzieht.“
Von sich aus geschlossen haben Hermann Weisser und seine Schwester Irmtraut Weisser das Gasthaus Willenbrock in Kirchtimke, seit vergangenen Montag ist es dicht. „Es hat sich einfach nicht gelohnt, wenn wir um 18 Uhr schließen mussten“, sagt Hermann Weisser. Bis Ende April seien Reservierungen für Hochzeiten, Versammlungen und Konfirmationen storniert worden. Das bedeute, dass rund 2000 eingeplante Gäste nicht bewirtet werden. „So eine Situation hatten wir noch nie“, so Weisser, der mehr als 30 Minijobber und zwei Angestellte nach Hause geschickt hat. Weissers hoffen nun auf Unterstützung vom Staat, damit der traditionsreiche Betrieb diese Krise übersteht. „Wir gehen erst mal davon aus, dass wir nach dem 18. April wieder öffnen können“, sagt Irmtraut Weisser. Vielleicht werde es auch der 1. Mai, das wisse keiner. Generell sollte die Umsatzsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent gesenkt werden, so wie das fürs Außer-Haus-Geschäft der Fall sei. Dafür kämpfe die Branche schon seit Jahren vergebens.

Andreas Baier von Meyerdierks Garden bietet neuerdings einen Lieferservice an.
Einen Versuch, der Krise zu trotzen, hat das Restaurant Meyerdierks Garden in Lilienthal gestartet. Seit Donnerstag bietet Betreiber Andreas Baier dort einen Lieferdienst an: Baguettes und Salate gab es schon bisher auch außer Haus, nun kommen Schnitzel, Currywurst sowie auch Bratkartoffeln mit Spiegelei dazu. Zwischen 18 und 22 Uhr würden die bestellten Speisen ausgefahren, könnten aber auch im Laden abgeholt werden. „Wir probieren das jetzt mal aus“, sagt die Köchin Daniela Twedorf. Die Gastronomie kämpfe ums Überleben, „die Kosten laufen weiter“.
Mit dem neuen Angebot kam das Lokal der am Freitag erlassenen Allgemeinverfügung des Landkreises Osterholz zuvor, wonach Restaurants, Systemgastronomie, Imbisse und dergleichen für den Publikumsverkehr schließen müssen. Seitdem ist nur noch der Verkauf von Speisen und Getränken nach Vorbestellung außer Haus erlaubt. Der Verzehr ist innerhalb eines Umkreises von 50 Metern zu den Betrieben unzulässig. Damit es beim Bezahlen zu keinen unerwünschten Kontakten kommt, sollten die Kunden das Geld am besten abgezählt in einem Umschlag bereit halten oder diesen vor die Tür legen, erklärt Twedorf. Und Kunden, die bestellte Speisen selber abholen möchten, müssten dazu nicht unbedingt das Lokal betreten. „Auf Wunsch bringen wir die Sachen auch raus auf den Parkplatz zum Auto“, so Twedorf.
Kunden, die ihre Pizzen selber abholen, gibt es beim Lieferdienst Fabiano in Wilstedt kaum noch. „Die Menschen sind vorsichtiger geworden“, sagt Inhaber Fabio Punzi, der weiterhin von Dienstag bis Sonntag von 17 bis 21.30 Uhr geöffnet hat. Um Virus-Übertragungen beim Bezahlen zu vermeiden, benutzten die Fahrer Einweghandschuhe und hätten auch Desinfektionsmittel dabei. Daher sehe er kein Problem darin, auch einen Kunden zu beliefern, der sich aus Vorsicht in eine selbst gewählte häusliche Quarantäne begeben habe. Punzi geht davon aus, dass in Kürze eine bundesweite Ausgangssperre kommt. Die Auswirkungen aufs Geschäft seien nicht absehbar. „Vermutlich müssen wir dann schließen, aber das kommt auf die Regelungen an“, meint er.

Fabio Punzi und seine Mitarbeiter tragen Einweghandschuhe.
Von seinen in Italien lebenden Angehörigen sei bislang niemand erkrankt, berichtet Punzi. Seine Verwandten seien sehr vorsichtig: „Es geht immer nur einer der Jungen einkaufen, damit die Alten nicht rausmüssen.“ Und vor die Tür gingen nur die, die negativ getestet seien. „Die Polizei ist sehr streng und verhängt bei Verstößen hohe Strafen“, so Punzi.
Corona und Lebensmittel
Zur Frage, ob Coronaviren durch Lebensmittel übertragen werden können, schreibt der Landkreis Rotenburg zu Milch und Milchprodukten: Grundsätzlich könne die Milch nicht mit dem Coronavirus belastet sein. Lediglich durch eine Kontamination sei eine Belastung der Milch mit dem Erreger denkbar. In der Molkerei angelieferte Milch werde in der Regel einer Pasteurisierung unterzogen. Die dort erreichten Temperaturen töteten das Virus ab. Rohmilch aus Automaten muss immer abgekocht werden.
Bei frischem Fleisch gebe es keine Hinweise auf das Vorhandensein von Coronaviren. Durch den Erhitzungsprozess bei der Zubereitung werden diese, sofern eine versehentliche Kontamination mit Coronaviren vorliegt, abgetötet. Auch bei Eiern gebe es keinerlei Hinweise, dass sie mit Coronaviren belastet sein könnte.
Bei Obst und Gemüse sei eine Kontamination während der Lagerung und des Verkaufs denkbar. Deshalb gelten die allgemeinen Hygieneregeln, wie gründliches Waschen vor dem Verzehr. Dies reiche aus, um eine versehentliche Kontamination zu reduzieren. Diese Regeln verhindern ebenso die viel wahrscheinlicheren Infektionen mit anderen Krankheitserregern.
Weitere Informationen finden Interessierte auf der Internetseite des Landkreises unter www.lk-row.de/corona. Hier gibt es eine Liste mit Fragen und Antworten, die weiter ausgebaut wird.
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