Junge Eltern stehen unter Druck. Kurz vor dem Beginn des neuen Kindergartenjahres suchen sie noch Plätze in Krippen und Kindergärten für ihre Kleinen. 35 Krippenplätze fehlen in Lilienthal – obwohl Eltern einen Rechtsanspruch darauf haben. Das setzt die Gemeinde unter Druck: Sie muss die fehlenden Plätze schleunigst schaffen. Auf den letzten Drücker sollen in einem Trakt der Tornée-Schule drei Krippengruppen eingerichtet werden. Am 1. Juli beraten die Politiker darüber.
Es ist eine Last-Minute-Aktion. In der Christoph-Tornée-Schule hinterm Hallenbad am Schoofmoor will die Gemeinde Lilienthal bis zum 1. September drei Krippengruppen einrichten. So sollen 30 Plätze für ein- bis dreijährige Kinder geschaffen werden. In der Förderschule ist Platz genug. Ein ganzer Trakt soll für die Krippe reserviert werden, ein abgeschlossener Bereich mit separatem Eingang und eigenem Außengelände. Darüber informierten Bürgermeister Willy Hollatz und Fachbereichsleiter Andreas Cordes 30 ungeduldige Eltern am Dienstagnachmittag im Sitzungssaal des Rathauses.
Die „Sauren Muttis“ waren zum zweiten Mal da, gut einen Monat nach dem ersten Gespräch. Sie haben sich per Facebook formiert, zu einem Bündnis von Familien, die ohne Krippen- oder Kindergartenplatz dastehen. Meike Artmann, eine der Betroffenen, zählt 33 Familien mit 29 Krippen- und neun Kindergartenkindern. Sie fordern die Erfüllung ihres Rechtsanspruchs.
Der Zeitplan ist eng gestrickt. „Unser Ziel ist, am 1. September zu starten, spätestens am 1. Oktober“, sagte der Fachbereichsleiter. „Das hängt davon ab, inwieweit Personal zur Verfügung steht.“ Voraussetzung ist, dass die Politiker Ja sagen zum Projekt. Am Dienstag, 1. Juli, werden die Krippenpläne in einer gemeinsamen Sitzung des Sozialausschusses und des Finanzausschusses vorgestellt. Sie beginnt um 18 Uhr im Ratssaal. Beide Ausschüsse können nur Empfehlungen aussprechen. Die Entscheidung trifft der hinter verschlossenen Türen tagende Verwaltungsausschuss am 8. Juli. Erst danach können die Gemeinde und die Lebenshilfe handeln.
Die Tornée-Schule gehört nicht der Gemeinde, sondern dem Landkreis, doch das ist das geringste Problem. Der Kreis ist bereit, den Schultrakt für drei Jahre zu vermieten, für 1600 Euro Miete im Monat. Einen erfahrenen Träger für die Krippe hat die Gemeinde auch gefunden: die Lebenshilfe. Sie betreibt die Kindertagesstätte Schoofmoor. Zwischen Schule und Kindergarten steht ein Wäldchen. Wenn alles klappt, soll ein gemeinsames Außengelände mit dem Kindergarten geschaffen werden.
Das Raumprogramm der Tornée-Schule ist ansehnlich, es reicht für die nötigen Gruppenräume und Ruheräume, Garderobe und Bewegungsraum. Die Sanitäranlagen müssen umgebaut werden für die Kurzen, mit Krippenklos, Krippenwaschbecken und Wickelanlage. Zur Sicherheit der Kleinen will die Gemeinde Heizkörper und Mobiliar mit Klemmschutz und Prallschutz ausstaffieren. All das hat seien Preis. 60 000 Euro dürfte der Umbau kosten.
Noch höher sind die Personalkosten, da rechnet die Gemeinde mit 90 000 Euro für sechs Erzieherinnen samt Leitungs- und Vertretungsstunden. 8000 Euro fallen bis zum Jahresende an Miete an, dazu kommen Betriebskosten für Energie, Wasser und Reinigung, Mittagessen, Spielmaterial und Verwaltung. Unterm Strich kommen 180 000 Euro zusammen. Die Hälfte der Personalkosten erstattet das Land, dazu kommen Elternbeiträge. Das bedeutet Kosten von 120 000 Euro für die Gemeinde.
Schwierig sei es, Personal zu finden, betonte Cordes. Erzieherinnen sind begehrte Fachkräfte, schließlich müssen alle Kommunen Krippen- und Kindergartengruppen schaffen. „Wir müssen gucken: Haben wir bis zum Start genügend Personal?“, erklärte Cordes. Notfalls soll am 1. September die erste Gruppe starten, später die Gruppen zwei und drei.
Vorgesehen sind Betreuungszeiten von 8 bis 13 Uhr, mit Verlängerungsmöglichkeit bis 14 Uhr. Das stieß bei den Eltern auf Kritik. Zwar lobte Wolfgang Schumm das Angebot der Gemeinde: „Ich finde die Lösung gut.“ Doch reichten die Zeiten nicht; die Hälfte der Eltern sei auf eine Ganztagsbetreuung bis 17 Uhr oder länger angewiesen; zumindest sei ein Spätdienst bis 15 Uhr nötig. Die Nachfrage nach längeren Betreuungszeiten sei da, aber nur bis 15 oder 16 Uhr, erklärte Cordes.
Eltern haben Klage vorbereitet
Die Eltern haben nach Schumms Worten eine Sammelklage vorbereitet, um ihren Rechtsanspruch durchzusetzen, halten sie aber noch bis zum 12. Juli zurück. Doch bis dahin fordern sie Klarheit. Die Eltern müssten nicht mit einer Sammelklage drohen, meinte Hollatz. „Wir sind auf einem guten Weg.“ Prompt kam Widerspruch: „Wenn wir als Eltern klagen, ist das keine Drohung, sondern unser gutes Recht. Es ist Fakt, dass wir den Rechtsanspruch haben. Und den können Sie nicht erfüllen.“
Sozialausschuss und Finanzausschuss beraten am 1. Juli ab 18 Uhr im Rathaus über die Schaffung von Krippen- und Kindergartenplätzen.