
Fußball ohne Torwart? Eigentlich unvorstellbar. Bei den G- und F-Junioren könnte das bald aber Realität werden. Der Jugendfußball steht vor einer Reform, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) anschiebt.
Die Bayern sind bereits vorgeprescht. Ende März erhielten die 2968 Vereine, die mindestens eine Jugendmannschaft haben und Mitglied im Bayrischen Fußballverband sind, Post, die sie über die Reform informierte. Diese betrifft vor allem die G- und F-Junioren. Doch was genau ist angedacht? Die Kinder dürfen ab Sommer in beiden Altersklassen Drei-gegen-drei auf vier Mini-Tore oder zwei etwas größere Tore spielen – ohne Torwart. Die Reform sieht ebenfalls vor, im Rotationsprinzip reihum zu wechseln, um jedem Kind Spielzeit zu gewähren. Funino heißt diese Art des Spiels auf einem kleineren Feld, mit weniger Spielern und mehr Toren, die nicht bewacht werden (siehe Infokasten). Es gibt aber diverse Unterschiede dieser Spielart, viele Dinge wie Feldgröße, Torgröße, Toranzahl et cetera sind variabel. In Bayern wird ein Torwart erst ab dem jüngeren E-Jugend-Jahrgang, bei dem im Fünf-gegen-fünf auf Mini- oder Handballtore gespielt wird, zum Einsatz kommen, nach jedem Spiel wird zwischen den Pfosten gewechselt. Erst ab der U11 gibt es einen festen Schlussmann.
Zur Kenntnis genommen hat man die Reform auch beim Niedersächsischen Fußballverband (NFV). Sie führe „auf Überlegungen des Deutschen Fußball-Bundes zurück, für die Altersklasse U6 bis U11 neue Spielformen zu entwickeln“, erklärt Pressesprecher Dominic Rahe schriftlich auf Nachfrage. „So sollen die individuellen Fähigkeiten von Juniorinnen und Junioren noch gezielter auf spielerische Weise gefördert werden“, erläuterte er den Hintergrund. Der DFB will Berichten des Fachmagazins „Kicker“ zufolge mit Beginn der neuen Saison sein neues Jugendkonzept schrittweise umsetzen. Die Ideen sind ähnlich wie die in Bayern, gehen bei den G-Junioren aber sogar auf Zwei-gegen-zwei zurück, in der F-Jugend ist auch ein Vier-gegen-vier möglich. Ab der E-Jugend soll dann Fünf-gegen-fünf – teils mit, teils ohne Torhüter – oder Sieben-gegen-sieben mit Torwart auf Kleinfeldtore gespielt werden. Um keinen unnötigen Leistungsdruck aufzubauen, soll keine Meisterschaftsrunde gespielt werden. Vereine und Eltern sollen Spielnachmittage organisieren, an denen unterschiedlich viele Vereine flexibel teilnehmen können. Erzwingen kann der DFB nichts. Der Kinderfußball liegt in der Hand der Landesverbände und Vereine. Heißt: Die Variante aus Bayern muss nicht grundsätzlich auch in Niedersachsen gespielt werden.
Wie Rahe weiter berichtet, werde die Thematik den Bezirks- und Kreisjugendobleuten offiziell beim Verbandsjugendbeirat am 26. und 27. April in Barsinghausen vorgestellt. Um verwertbare Erfahrungen mit den Modellen zu sammeln, gebe es ein kleines Pilotprojekt, ganz konkret etwa bei den Vergleichsspielen des jüngeren E-Junioren-Jahrgangs im Bereich Südost, der alle Kreise der NFV-Bezirke Hannover und Braunschweig bis auf Diepholz und Nienburg umfasst. Ausdrücklich betonte Rahe, dass mit den neuen Spielformen nicht einhergehe, „grundsätzlich das Toreschießen gegen einen Torhüter zu verhindern“. „Vielmehr geht es darum, dass Spieler im U6- bis U11-Bereich durch die geringere Anzahl an Spielern pro Feld mehr Ballkontakte bekommen und – etwa durch ein Spiel mit vier Toren – ein besseres Verständnis für Raumaufteilung und Spielverlagerung erfahren.“ Die Rotation führe zu gerechten Einsatzzeiten für alle.
Die Reform stößt im Vorfeld im Landkreis Verden auf Zuspruch wie auch auf Gegenwind. Einer der Befürworter ist Gerd Adomeit, Jugendobmann beim FC Verden 04. „Der Knackpunkt heute ist, dass die Trainer in erster Linie die starken Spieler spielen lassen, die schwächeren kommen so kaum zum Zug und verlieren die Lust am Spiel. Mit der Reform und der Rotation würde sich das ändern.“ Als positiv erachtet Adomeit auch das Spiel ohne Torwart und ist dabei einer Meinung mit Bernhard Blodkamp, der dieselbe Position beim TV Oyten bekleidet. „Der Torwart von heute ist ja auch der moderne Libero. Rein sportlich wäre die Reform vorteilhaft. Schnell, direkt, viel Eins-gegen-eins. Dadurch würden auch viel mehr Tore fallen und Belohnung durch Tore ist sehr gut für die Entwicklung“, betont Blodkamp.
Doch der TVO-Jugendobmann nennt auch drohende Nachteile: „Die Vereine müssten in Vorleistung mit den Kosten für neue Tore gehen.“ Blodkamp nennt die Summe 300 Euro pro Tor, Adomeit beziffert sie auf 150 bis 250 Euro. Der Bayrische Fußball-Verband hat sich einen Sportshop als Partner gesucht. 89 Euro sollen zwei Tore in einem Aktionszeitraum kosten, danach 119 Euro. Da sich zudem die Bälle (Größe 3 für F- und G-, Größe 4 für die E-Jugend) verändern, werden die Klubs gezwungen, zu investieren. „Wer kann das noch bezahlen“, fragt Marcel Steinführer, Jugendobmann beim TSV Uesen. „Bereits für den Winter musste man durch die Umstellung auf Futsal neue Bälle kaufen. Irgendwann können das alles kleine Dorfvereine nicht mehr bezahlen.“
Nicht nur in puncto Kosten äußert Steinführer Bedenken: „Ich bin überhaupt kein Freund von der Reform ohne Torhüter. Mit elf, zwölf Jahren findet man keinen neuen Manuel Neuer mehr, das ist deutlich zu spät. Es kommt jedes Jahr was Neues. Man kann es auch irgendwann übertreiben, denn schon jetzt gibt es kaum noch Jugendtrainer.“ Damit nicht genug der aufkommenden Problematik: „Die Organisation dürfte auch problematisch werden. In Oyten spielen in der G-Jugend 45 Kinder. Wer soll denn die Spiele betreuen, wenn wir die Jungs auf so kleine Teams aufteilen?“
Somit bleiben noch viele Fragen offen, ehe der Jugendfußball reformiert werden kann.
Funino – Was ist das?
Der Name stammt vom englischen Wort „Fun“ (deutsch: Spaß) und dem spanischen Wort „niño“ (Kind). Drei Spieler auf jeder Seite, dazu einer, höchstens zwei Rotationsspieler, vier Tore und eine sechs Meter breite Torschusszone braucht es für Funino. Das Spielfeld ist in der Ursprungsform 32 Meter lang und 25 Meter breit.
Nach jedem Tor müssen beide Mannschaften einen Spieler wechseln. Sobald ein Team mit drei Treffern Unterschied führt, darf die zurückliegende Mannschaft einen vierten Spieler einwechseln, bis die Differenz von mindestens drei Toren wieder aufgeholt ist. Es wird ohne Torwart und Schiedsrichter, ohne Abseits und auch ohne Einwurf – stattdessen dribbeln die Spieler den Ball zurück ins Feld – gespielt. Die Kinder sollen die Entscheidungen selbst treffen. Gespielt wird in Turnierform auf acht Feldern. Die Trainer verteilen die Teams zu Beginn je nach Stärke auf diese Felder. Wer gewinnt, steigt ein Feld auf, der Verlierer muss runter. Ein Beispiel: Gewinnt ein Team auf Platz vier, spielt es danach auf Feld drei, der Verlierer muss auf Feld fünf ran. Der Sieger auf Feld eins bleibt auf seiner Position, ebenso der Verlierer auf Feld acht. Bei Unentschieden entscheidet ein Schnick-Schnack-Schnuck. Gespielt werden sieben Runden à sieben Minuten. Ein Turnier ist also schneller vorbei als ein normaler Spieltag bei den G- und F-Junioren.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.