
Die finale Entscheidung steht zwar noch aus, doch die Tendenz geht in eine ganz eindeutige Richtung: Der Niedersächsische Fußballverband (NFV) wird die Saison 2020/21 aller Voraussicht nach abbrechen und annullieren. Das ist das Ergebnis einer nicht turnusmäßigen Zusammenkunft der Mitglieder des NFV-Vorstandes, bei der sie darüber beraten haben, wie mit der seit Monaten unterbrochenen Spielzeit weiter verfahren werden soll.
„Der Verbandsvorstand, dem unter anderem die Vorsitzenden der 33 niedersächsischen Fußballkreise angehören, muss die Corona-Sachlage anhand von Fakten und auf Sicht bewerten, um zu verhältnismäßigen Entscheidungen im Umgang mit dem Spieljahr zu gelangen. Unsere feste Absicht war die sportliche Beendigung der Saison“, erklärt NFV-Präsident Günter Distelrath in einer Mitteilung des Verbandes. Inwieweit dieses Ziel angesichts der inzwischen wieder drastisch gestiegenen Infektionszahlen und der Beschlüsse der jüngsten Bund-Länder-Konferenz noch realistisch sei, habe man erörtert.
Es zeichne sich ab, dass mangels Eintritts der nach dem Stufenplan erforderlichen Inzidenzwerte und Öffnungsschritte das Mannschaftstraining und der Pflichtspielbetrieb nicht rechtzeitig wieder aufgenommen werden können, um die Saison fortzusetzen und bis maximal zum 21. Juli sportlich zu beenden. Genau darauf hatte der NFV lange Zeit gehofft. Insofern werde man im Rahmen einer ordentlichen Verbandsvorstandssitzung in der kommenden Woche zur weiteren Planungssicherheit für die Vereine und den Verband eine alternative und finale Entscheidung zum Umgang mit dieser Spielzeit treffen. Die bevorzugte Variante sei nun der Abbruch in Form der Annullierung – unter Berücksichtigung der Schnittstellenlösungen zwischen dem NFV und den Spielklassen sowie Pokalwettbewerben von übergeordneten Verbänden.
Die Vereine aus Delmenhorst und dem Landkreis Oldenburg begrüßen den voraussichtlichen Beschluss des Verbandes. Marcel Bragula, Trainer des Landesligisten VfL Wildeshausen, und Baris Caki, Teammanager des Bezirksligisten SV Baris Delmenhorst, hatten gegenüber unserer Zeitung unlängst bereits klar Stellung bezogen. Jorge Jacinto, Co-Trainer des Bezirksligisten TuS Heidkrug, hält einen Saisonabbruch ebenfalls für richtig. „Aufgrund der Situation ist es vernünftig“, sagt er. Die Kicker vom Bürgerkampweg trainieren aktuell immerhin wieder – natürlich unter strengen Hygienevorschriften. Zu diesen gehört unter anderem, dass die Mannschaft in Gruppen mit maximal acht Leuten eingeteilt wird und in dieser Konstellation nacheinander jeweils eine Stunde auf dem Platz steht. Zudem müssen die Spieler mindestens drei Meter Abstand zueinander halten. „Wir halten die Regeln sehr genau ein“, betont Jacinto. Wenngleich die Einheiten mit normalem Training nicht zu vergleichen seien, sehe man sich auf diese Weise zumindest mal wieder.
Ob im Sommer möglicherweise Freundschaftsspiele oder Ähnliches ausgetragen werden können, will der Heidkruger Co-Trainer nicht prognostizieren. „Natürlich würden wir uns freuen, wenn die Situation das erlauben würde“, sagt er. Allerdings gelte es, eben immer darauf zu achten, dass sich niemand mit dem Coronavirus ansteckt. Wie für alle anderen hat auch für Jacinto die Gesundheit aller Beteiligten oberste Priorität.
Darauf, dass bald wenigstens Freundschaftsspiele ausgetragen werden können, hoffen die Verantwortlichen des Ligakonkurrenten FC Hude. Auch sie sprechen sich für einen Saisonabbruch aus. „Es ist die richtige Entscheidung, alles andere wäre eher Wettbewerbsverzerrung gewesen. Und falls es früher als erwartet wieder möglich sein sollte zu spielen, sollten Freundschaftsspiele so angesetzt werden, dass ein normaler und regelmäßiger sportlicher Wettkampf simuliert werden kann“, erklärt Pressesprecher Sven Saager den Standpunkt des FCH.
Schon lange mit der Saison abgeschlossen hat Thomas Baake, Trainer des Bezirksligisten VfL Stenum: „Es wurde Zeit. Dass eigentlich nichts mehr geht, war doch schon relativ früh klar. Hätte man sich ein paar Gedanken mehr gemacht, hätte man die Saison schon viel eher abbrechen können.“ Aufgrund dessen hat sich Baake schon seit geraumer Zeit mit der kommenden Saison auseinandergesetzt und sich „mit voller Energie darum gekümmert“. Trotz des aus seiner Sicht verspäteten Abbruchs sei es nun gut, dass der Verband eine klare Regelung geschaffen hat. „Das erspart uns großen Ärger. Hätten wir noch irgendwie drei, vier Spiele ausgetragen, hätte wieder die Quotientenregelung greifen müssen. Nun ist es logisch, dass die Saison aufgrund der zu geringen Anzahl von Spielen nicht gewertet werden kann. Damit muss jetzt jeder leben.“
Davon, dass die kommende Saison ordnungsgemäß über die Bühne gehen kann, ist Baake überzeugt. „Ich hoffe, dass ab April richtig Tempo beim Impfen reinkommt. Und dann habe ich große Hoffnungen auf eine Saison mit allem, was dazugehört – mit einer kompletten Liga und mit Zuschauern. Wir könnten ja auch einen Monat später im September starten.“ Obwohl bis dahin noch rund ein halbes Jahr Zeit ist, wollen die Verantwortlichen in Stenum nun alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Mannschaften möglichst bald wieder auf dem Platz stehen können. Dafür sei ein umfangreiches Hygienekonzept mit vielen Tests im Gespräch. „Es geht ja erst einmal nur darum, einmal pro Woche zu trainieren. Aber wir brauchen unbedingt eine Perspektive und würden daher gerne bis zur Sommerpause trainieren“, betont Baake.
Sven Apostel, Coach des Bezirksligisten SV Tur Abdin Delmenhorst, bezeichnet den Saisonabbruch als logische Konsequenz. „Du hättest einen kompletten Kaltstart. Ich bin mir sicher, dass einige Spieler verheizt würden und die Verletzungsgefahr extrem hoch wäre“, meint Apostel mit Blick auf die lange Pause. „Dann gibt es am besten noch Englische Wochen, und dann wunderst du dich, dass sich der halbe Kader verletzt“, fügt er hinzu.
Nichtsdestotrotz sei es schade, dass der Ball weiter ruhen muss. Auf ein Training in Kleingruppen unter strengen Hygieneauflagen verzichtet Tur Abdin laut Apostel. Dies wäre in seinen Augen ein „riesiger Mehraufwand“. Mannschaftstaktisches Training sei so außerdem nicht möglich. „Am Ende hast du nur halb so viel Spaß“, vermutet der Coach der Delmenhorster. Er will wieder einsteigen, wenn man mehr machen kann. „Dann habe ich lieber eine verlängerte Vorbereitungszeit für die neue Saison“, erklärt Apostel. Wenn im Sommer Freundschaftsspiele ausgetragen werden könnten, „wäre das natürlich gut“, sagt er. Allerdings würde er dann zunächst trainieren und erst nach drei, vier Wochen mal die eine oder andere Partie austragen, um die Belastung für die Spieler zu steuern.
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